Wer durch mehr Melkplätze die Melkzeit verkürzen will, sollte den Schritt vorher sorgfältig durchdenken.
Zu klären ist im Vorfeld vor allem die Frage, wer melkt künftig und wie lange darf eine Melkzeit maximal dauern?
Von mehr Melkplätzen ist abzuraten, wenn sie mit zu vielen Kompromissen beim Melkkomfort oder beim Tierwohl erkauft werden.
Sie wollen die aktuelle Melkzeit verkürzen oder Ihren Kuhbestand aufstocken, aber trotzdem nicht länger melken? Der Gedanke, dazu einfach weitere Melkplätze zu schaffen, liegt nahe. In den meisten Melkständen ist das mit mehr oder weniger großem Aufwand zwar möglich. Doch ob dieser Schritt auch sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. Und zwar selbst dann, wenn auf den ersten Blick genug Platz vorhanden ist.
Deshalb gilt es im Vorfeld individuell für den eigenen Betrieb folgende Fragen zu klären:
Wer melkt künftig?
Eine Erweiterung um mehr Plätze ist nur effizient, wenn Sie damit deutlich Melkzeit einsparen können und mit der gleichen Anzahl Melker mehr Kühe in der Stunde durchbringen. „Wenn zum Beispiel vorher ein Melker im Doppel-6er gemolken hat, sind zwei Melker im Doppel-12er keine Verbesserung“, erklärt Melkberaterin Kathrin Lincke aus Türkheim. Klären Sie auf jeden Fall vorher, wer und wie viele Personen künftig melken.
Christian Natrop
Fachberater des Milcherzeugerberatungsdienstes, Kreis Kleve
Kathrin Lincke
Melkberaterin, Türkheim
Laut Christian Natrop vom Milcherzeugerberatungsdienst im Kreis Kleve sollte man sich fragen, ob man einen Mitarbeiter mit umfassenden Melkschichten auslasten möchte oder ob Familienmitglieder melken. Diese Überlegung sollte maßgeblich für die Festlegung der gewünschten Melkzeit sein. „Bei angestelltem Personal kann durchaus eine längere Dauer in Betracht gezogen werden“, unterstreicht der Fachberater. Eine Kalkulationshilfe, mit wie vielen Melkzeugen ein Melker ausgelastet ist, finden Sie im Kasten.
Auslastung der Anlage
Für wie viel Kühe ist die Anlage z. B. hinsichtlich Vakuumleistung oder Milchleitung überhaupt ausgelegt oder muss auch hier bei einer Erweiterung von Melkplätzen zusätzlich investiert werden? Zum Beispiel können im Zuge einer deutlich höheren Durchflussrate eine neue Endeinheit und eine größere Milchpumpe, neue Pulsatoren oder zusätzliche Belüftungs- und Luftleitungssysteme notwendig sein. Diese Investitionssumme kann möglicherweise schon einen Neubau rechtfertigen.
Genügend Platz
Mehr Melkplätze machen nur Sinn, wenn dafür bereits Platz vorhanden ist oder zusätzlicher Platz geschaffen werden kann. Zum Beispiel, wenn man angrenzende Liegeboxen entfernen und dafür den Melkstand verlängern kann. Gerade im Falle einer Aufstockung scheitern die meisten Erweiterungen am zu knappen Platz.
Und damit ist nicht nur der Standplatz pro Einzelkuh gemeint, sondern eben auch der nötige Raum für gerade Triebwege sowie Vorwarte- und Nachwartehof. Auch sie sollten für einen wesentlichen Zeitgewinn unbedingt „mitwachsen“ können. Hier sollten Sie keine Kompromisse eingehen, wie zum Beispiel, dass die Kühe zum Verlassen des Melkstandes abbiegen müssen statt auf geradem Wege rauslaufen zu können.
Melkplätze kalkulieren
Die genaue Anzahl der nötigen Melkplätze ist betriebsindividuell zu entscheiden. In Melkständen mit Nachtreibehilfe und einer Abnahmeautomatik schafft ein Melker in der Regel:
Fischgräte oder Side by Side: pro Melker 14 Melkzeuge = 2 x 7
Swing-over: pro Melker 28 Melkzeuge = 2 x 14
Melkkarussell: pro Melker 24 Melkzeuge
Quelle: LWK Niedersachsen
Reibungslose Triebwege
Allein ein Umbau, der das Rein- und Raustreiben der Kühe verbessert, kann eine Zeitersparnis bringen und zudem das Tierwohl sowie den Melkkomfort entscheidend steigern. „Wenn die Zu- und Abtriebsprozesse nicht ideal sind, kann eine Investition in weitere Melkplätze unter Umständen gar keine Wirkung zeigen“, sagt Natrop. Einen erheblichen Unterschied könne bereits die Optimierung der Nachtreibehilfe machen. Als gute Praxislösung für Umbauten habe sich laut Kathrin Lincke auch ein komplett nach außen verlegter Vorwartebereich bewährt. Ist ein größerer Umbau nötig, sollte man diese Gelegenheit gleichzeitig dazu nutzen, z. B. die Lüftung und die Lichtverhältnisse zu verbessern, eine tiefere Grube zu schaffen oder auch die Lärmbelastung zu senken. Darüber hinaus bietet sich die Gelegenheit, den Melkstand frostsicher zu gestalten oder eine Bodenheizung in der Melkgrube zu installieren.
Melken in der Umbauzeit?
Diese Frage wird im Vorfeld meist nicht bedacht, sollte aber sorgfältig durchgeplant werden. Eine praxistaugliche Lösung ist z. B. für die Umbauzeit einen mobilen Melkstand kommen zu lassen.
Technik oder Neubau
Eine zentrale Frage ist, wie alt die bestehende Melktechnik sein darf, damit sich eine Erweiterung überhaupt noch lohnt? Die Entscheidung für einen umfassenden Technikaustausch ist von mehreren Faktoren abhängig, so z. B. vom Zustand der aktuellen Ausrüstung und von den betrieblichen Anforderungen, wie etwa dem Durchsatz. Daher ist auch die Spanne, die Hersteller und Fachberater für die Aktualisierung der Technik angeben, mit zehn bis 20 Jahren sehr weit. Die zunehmenden Probleme bei der Beschaffung von Ersatzteilen könnte ein weiteres Argument für eine Investition sein.
Laut den befragten Experten können auch schon kleinere Investitionen in Technik Zeit einsparen, wie z. B. eine automatische Vorstimulation oder eine automatische Melkzeugabnahme. Prüfen Sie im Vorfeld zudem, ob der Neubau eines Melkstandes oder Roboters nicht einfacher und günstiger wäre. Die alten Melkplätze lassen sich möglicherweise noch anderweitig sinnvoll nutzen, z. B. zum Einmelken von Färsen, nur für Problemkühe oder nur zum Trockenstellen.
Dieser Betrieb konnte seinen Fischgrätenmelkstand um 2 x 2 Plätze erweitern, in dem er den Vorwartebereich nach außen verlegt hat. Dadurch melkt er nicht nur schneller, sondern die Melkatmosphäre hat sich durch mehr Luft und Licht entscheidend verbessert.
(Bildquelle: Lincke, Kathrin)
Über eine Futtertischbrücke Marke Eigenbau gelangen die Milchkühe in den Vorwartebereich.
(Bildquelle: Kathrin Lincke)
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