Nicht nur, dass Futtermittel und Energie immer teurer werden, auch die Rahmenbedingungen, unter denen zukünftig Milch produziert werden soll, werden gerade neu definiert. An der stetigen Optimierung der Produktionsprozesse und des Tierwohls führt deshalb kein Weg vorbei.
Der Schwerpunkt der Elite Konferenz 2023 lag deshalb auf der Optimierung von Produktionsstrategien. Fünf Referenten haben praxiserprobte, erfolgstaugliche und definitiv umsetzbare Strategien mitgebracht. Wir haben...
Nicht nur, dass Futtermittel und Energie immer teurer werden, auch die Rahmenbedingungen, unter denen zukünftig Milch produziert werden soll, werden gerade neu definiert. An der stetigen Optimierung der Produktionsprozesse und des Tierwohls führt deshalb kein Weg vorbei.
Der Schwerpunkt der Elite Konferenz 2023 lag deshalb auf der Optimierung von Produktionsstrategien. Fünf Referenten haben praxiserprobte, erfolgstaugliche und definitiv umsetzbare Strategien mitgebracht. Wir haben Ihnen die wichtigsten Aussagen zusammengefasst.
Schwachstellen bei der Eutergesundheit aufdecken
Warum erkrankt eine Kuh an Mastitis, die andere nicht? Laut Sofie Pipers (Universität Ghent) gibt es rund 300 Risikofaktoren für eine Mastitis. Auf den meisten Betrieben sind viele dieser Faktoren bereits vorhanden, bevor es zu Eutererkrankungen in der Herde kommt. Kennt man die wichtigsten dieser Ursachen, z.B. bei der Melktechnik, Melkzeug, Biosicherheit oder Monitoring, ist es möglich, die Neuinfektionsrate an Mastitiden zu senken und vorhandene Infektionen besser zu behandeln.
Wie das gelingen kann, erklärte sie an einem Praxisbespiel: Ein Milchkuhbetrieb mit 120 Kühen klagt über hohe Zellzahlen und mehrere klinische Fälle von Strep Uberis. Ein Überblick über die Maßnahmen zeigt: Die Melker tragen Handschuhe, nutzen ein neues Papiertuch pro Kuh, dippen mit Schaum vor. Auch das Vormelken und Anrüsten läuft passend, nach dem Melken sind über 90% der Zitzen gedippt. Nach jeder Kuh erfolgt eine Zwischendesinfektion. Wo liegt also das Problem?
Eine genauere Betrachtung im Melkstand ergibt, dass die Melker weder regelmäßig die Hände reinigen noch desinfizieren. Dazu kommt, dass die Zitzengummis entgegen der Empfehlung erst alle 3.500 Melkungen (statt nach 2.500 Melkungen) getauscht werden. Bei der Beurteilung der Zitzensauberkeit fällt zudem auf, dass die Mehrheit der Kühe moderat bis sehr verschmutzte Euter hat.
Fazit: Über die Hände der Melker und die alten Zitzengummis können Mastitiserreger sehr schnell übertragen werden. Das zeigen die überwiegend verschmutzten Zitzen. Ziel sollte hier sein, dass mindestens 80% der Kühe sehr saubere bis saubere Zitzen aufweisen. Sofie Pipers schätzt, dass das Risiko der Übertragung der Umweltkeime Strep Uberis im Melkstand noch viel höher ist als das der Übertragung aufgrund schlechter Liegeboxenhygiene. Denn: Erreger, die über Schmutz an den Zitzenspitzen haften, können sich beim Melken schnell lösen und direkt in die Euter eindringen.
Für eine bessere Eutergesundheit empfiehlt sie diesem Betrieb, die Zitzensauberkeit besser im Blick zu haben. Generell gilt für sie: Stets proaktiv zu handeln und möglichen Risikofaktoren zu begegnen, bevor es zu einem Krankheitsausbruch kommt. Dadurch können Milcherzeuger Geld, Zeit und Nerven sparen.
Proteinversorgung muss passen
Nicht nur wegen der hohen Preise für Eiweißfuttermittel in den vergangenen Monaten sollten Milcherzeuger die Proteinversorgung ihrer Kühe streng im Auge behalten. Auch die DüngeVO, so Prof. Katrin Mahlkow-Nerge (FH Kiel), mache eine sorgsame Rationsplanung unumgänglich.
Ein wichtiger Ansatzpunkt ist noch für viele Milchkuhbetriebe der XP-Gehalt in der Ration, vor allem bei den hochleistenden Kühen. Hier sind Überschüsse leider immer noch an der Tagesordnung, da einige Milcherzeuger bei der Versorgung kein Risiko eingehen wollen. Die Wissenschaftlerin gab Parameter vor, die bei der Rationsplanung angestrebt werden sollten, ohne dass man Leistungsverluste in Kauf nehmen müsse:
- Senkung der RNB auf -1,5 g/kg TM (gegebenenfalls sogar auf -2,0 g/kg TM). Eine leicht negative RNB sei möglich, da Wissenschaftler davon ausgehen, dass die Kühe 10 % des aufgenommenen Stickstoffs nicht ausscheiden, sondern dieser zurück in die N-Rezyklierung des Stoffwechsels gelangt und dort wieder genutzt wird.
- Dadurch wird der Milchharnstoffgehalt um 40 bis 50 mg /kg Milch gesenkt. Anzustreben sind Werte zwischen 150 und 200 mg /kg Milch.
- Oberste Priorität: Dabei muss jedoch immer auf eine bedarfsdeckende nXP-Versorgung geachtet werden!
- Eine Anpassung des Stickstoffangebots an den Bedarf ist jedoch nur dann erfolgreich, wenn sowohl die tatsächliche Futteraufnahme und Grundfutterqualität auch bekannt sind.
Mehr von Katrin Mahlkow-Nerge zum Thema Futterkosten lesen Sie hier:
Verlustarm füttern bleibt ein Schlüsselfaktor, um hohen Kraftfutterkosten entgegenzuwirken. Wir zeigen anhand eines Milchkuhbetriebes, wie das gehen kann.
Smarte Strategien für erfolgreiche Milcherzeuger
Die Farm von Ben Loewith und seiner Familie vor den Toren der Stadt Hamilton (Ontario) zählt zu den erfolgreichsten in Kanada. Die 460 bis 500 melkenden Kühe liefern im Schnitt 44 kg Milch pro Kuh und Tag. Insgesamt beschäftigt die Farm 28 Mitarbeiter, davon fünf in Vollzeit. Dabei liegt das Ziel nicht in der Steigerung der Milchmenge (Kanada hat ein Quotensystem!), sondern darin, die angepeilte Milchmenge pro Jahr so effizient wie möglich zu erreichen, also mit möglichst wenig Kühen.
Die Erfolgsstrategien auf der Farm der Familie Loewith sind:
- Alle an einem Tisch: Alle neun Monate (also immer zu wechselnden Jahreszeiten) lädt Milcherzeuger Ben Loewith seine wichtigsten Mitarbeiter, den Tierarzt und Fütterungsberater zu einem gemeinsamen Gespräch ein. Zur Vorbereitung erhalten alle Teilnehmer einen Report über die Kennzahlen der letzten Monate, z.B. Anzahl Nachgeburtsverhaltungen oder Labmagenverlagerungen, Zellzahlen, jede Kennzahl wird vorgelegt. Auch mit dabei: Das „Gute Buch“, ein Notizbuch in das Ben Loewith alle Veränderungen mit Datum auf dem Betrieb einträgt, sei es eine Änderung der Ration oder das Austauschen der Zitzengummis. „Wenn wir in den Kennzahlen ein Problem entdecke, können wir anhand des guten Buchs alle möglichen Ursachen abklopfen, an die wir uns wahrscheinlich gar nicht mehr erinnern würden.
- Alle-Rein-Alle-Raus bei Trockenstehern: Früher stallten Ben Loewith und seine Mitarbeiter die hochtragenden Kühe drei Wochen vor der Kalbung in den Abkalbestall ein, zur Kalbung kamen sie dann in einzelne Strohbuchten. „Oft lagen wir mit dem Termin falsch und kamen zu spät zum Kalben, erinnert sich der Farmer. Das hat er mithilfe eines neuen Trockensteherstalls gelöst. Die Kühe verbleiben dort in festen Gruppen (auch während der Kalbung). Jede Kuh hat ca. 15m2 Platz. Das Ergebnis: Die Milchproduktion stieg von 54 auf 60 kg (4. Laktationswoche) an und die Totgeburtenrate bei Kühen und Färsen sank auf 5 %.
- Besser in Menschen als in Technik investieren: Bei Investitionen ist Ben Loewith vorsichtig. „Wenn eine neue Technik nur Arbeitszeit spart, aber nicht den Kuhkomfort verbessert, ist sie für mich nicht interessant“, erklärt er. Sein Tipp: In Mitarbeiter investieren statt in Technik. Auf seiner Farm fördert er Mitarbeiter in ihren Bereichen, schickt sie auf Fortbildungen und überträgt ihnen Verantwortung. Dadurch verschafft er sich Freiräume, die er für die Weiterentwicklung der Farm nutzen kann. Im Sommer soll die hofeigene Molkerei öffnen, die Trinkmilch, Käse und Joghurt verkauft. Zusätzlich will er in der nahgelegenen Stadt Hamilton einen Milchlieferdienst aufbauen.
Mehr zum Betrieb von Ben Loewith lesen Sie hier:
Ben Loewith führt einen der besten Betriebe in Kanada – und hat im Webinar verraten, welche Entscheidungen der vergangenen drei Jahre sich am meisten ausgezahlt haben.
Ein Tierwohlstall – für die Zukunft gebaut?!
Die 150 Kühe der Familie Dau im norddeutschen Nübbel leben seit knapp zwei Jahren in einem Tierwohlstall. Für einen Neubau nach Tierwohlstandards entschied die Familie sich, nachdem sie bei einem Bekannten einen ähnlichen Stall besichtigt und die Kühe darin beobachtet hatten. Bis die Förderung über das Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP) des Landes Schleswig-Holstein bewilligt wurde, benötigte es allerdings drei Anläufe. Für 1,3 Millionen Euro konnten die Daus dann einen neuen Kuhstall bauen, die Förderung machte dabei 40 % aus.
Im neuen Stall haben die Kühe der Familie Dau mit viel Licht, Luft und Platz ein hohes Maß an Kuhkomfort, z.B. durch extra breite Tiefliegeboxen und Laufgänge sowie das automatische Melken. Zu den Tierwohl-Auflagen gehören u. A:
- Breite der Laufgänge 3,50 m, der Lauf-Fressgänge 4.50m
- Unterbelegung der Liegeboxen und Fressplätze im Verhältnis 1:1,1
- Eine Kuhbürste pro 50 Kühe
- Eine Krankenbucht pro 40 Kühe
- Eine Abkalbebox pro 30 Kühe
- ganztägige Weidehaltung zwischen dem 15, Mai und 15. Oktober (inkl. Weidetagebuch)
- max. 2 GV/ha
- neun Monate Güllelagerung + Abdeckung mit 20cm Strohschicht
Vorteile sieht Christiania besonders darin, dass Kühe keine Sackgassen im Stall haben und sich so gut aus dem Weg gehen können. Dadurch gibt es weniger Rangkämpfe. Nachteilig ist für sie u. A., dass der bürokratische Aufwand sehr hoch ist und sie z.B. fünf Jahre lang den Weidegang nachhalten müssen. Trotzdem sind sie und ihre Familie mit dem neuen Stall für die Zukunft gut aufgestellt, ist sich Christiania sicher. „Vieles wird in zehn Jahren vielleicht Standard sein, dann sind wir auf der sicheren Seite.“
Mehr Informationen und Fotos vom Tierwohlstall der Familie Dau sehen Sie hier:
Heute schon an morgen denken: Familie Dau zeigt mit einem neu gebauten Stall für ihre 150 Kühe, wie Tierwohl zukünftig aussehen kann.
Volle Aufmerksamkeit für die Kälber
Keine Aufzuchtverluste! Dieses Ziel verfolgt Alexander Fuchs, Milchkuhhalter aus Ravensburg-Schlier, im Kälberstall und fährt dafür ein intensives Management. So tränkt er seine Fleckviehkälber mindestens elf Wochen lang – schwache Tiere auch mal 12 oder 13 Wochen - dreimal am Tag restriktiv mit maximal bis zu 10 Litern. Den Vollmilch-Anteil von über 50 % ergänzt er mit Milchaustauscher mit 50 oder 35 % Magermilchpulver.
Ab dem zweiten Tag erhalten die Kälber in den Einzelboxen zusätzlich frisches Wasser, das zuvor in der Elektrolyseanlage aufgereinigt wurde. „Seitdem sind die grünen Ränder in den Eimern weg und die Kleinen saufen mehr Wasser und fressen auch mehr“, stellt der Praktiker fest. Ab dem vierten Lebenstag bietet er ihnen zur freien Aufnahme eine Kälberfutter-Eigenmischung mit Trocknungsheu, Melasse, Getreideschrot, Soja und Leinsaat an.
Auch Kälber mit geringen Geburtsgewichten generieren hohe Zunahmen“
Alexander Fuchs, Milcherzeuger
Alexander Fuchs lässt alle weiblichen Tiere im Rahmen des Projekts „Fleckfficient“ seines Zuchtverbandes, der RBW, genotypisieren. Dafür notiert er auch standardmäßig die Geburtsgewichte aller Kälber sowie die Verkaufsgewichte und Verkaufserlöse für die männlichen. Das ermöglicht ihm Rückschlüsse auf Verbesserungen in Zuchtauswahl und Management. „Selbst Kälber mit geringen Geburtsgewichten generieren hohe Zunahmen“, hat er festgestellt und sieht das als Bestätigung für seine intensive Aufzucht.
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