Tierseuche

BHV1: So schützen Sie Ihre Herde 

Während sich die BHV1-Ausbrüche vor allem in NRW derzeit häufen, bleibt die Eintragsquelle oft unbekannt. Wie kann man den eigenen Bestand dennoch schützen? 

André Hüting

KuhBlick GmbH, Isselburg & Tierarztpraxis an der Güterstraße, Hamminkeln 

Das Bovine Herpes Virus Typ 1 (BHV1) zählt zu den anzeigepflichtigen Tierseuchen und kann durch unkontrollierte Tierkontakte sowie Personenverkehr in einen Betrieb gelangen. Um den Status der BHV1-Freiheit in Deutschland zu bewahren, werden positiv getestete Rinder bzw. in den meisten Fällen gesamte Rinderbestände geräumt. Das bedeutet in Milchkuhbetrieben, dass alle Kühe und Rinder, die nicht tragend sind, geschlachtet und tragende Tiere sowie junge Kälber eingeschläfert werden. 
Um sich und die eigene Herde vor diesem persönlichen, ethischen und wirtschaftlichen Verlust zu schützen, ist und bleibt Biosicherheit ein entscheidender Faktor. Auch wenn der tatsächliche Auslöser in den meisten Fällen unbekannt bleibt, sollte man jegliche Risiken für eine Einschleppung vermeiden. 
Ein Überblick über Vorsichtsmaßnahmen für den eigenen Betrieb: 

1. Ertragsschadensversicherungen eingehen bzw. aktualisieren!

Grundsätzlich ist allen Milchkuhbetrieben eine Ertragsschadensversicherung für den Seuchenfall zu empfehlen! Hier sollten sich Milcherzeuger mindestens Angebote einholen und innerbetrieblich darüber nachdenken. Betriebe mit Versicherung sollten kontrollieren, welche Schäden abgedeckt sind und ob die Versicherungshöhe an Leistung und Bestandgröße (laufend) angepasst werden. Und: Sind auch Jungtiere mitversichert? 

2. Schutzkleidung für externe Personen! 

Wenn über Biosicherheit hinsichtlich des betrieblichen Personenverkehrs gesprochen wird, kann und muss jeder für sich entscheiden, wie er diese umsetzen kann. Schuhüberzieher und Einwegoveralls sind ein guter Start. Eine gute Alternative sind Betriebsstiefel und Betriebsoveralls in Absprache mit den Personen, welche sie tragen sollen. Jedoch ist es auch wichtig, diese Klamotten sauber und trocken, an gemeinsam strategisch ausgewählten Stellen zu deponieren. Es hilft nicht, wenn man nach verrichteter Arbeit wieder über Futtertische oder Ähnliches in eigenen Klamotten zurücklaufen muss.

Die Biosicherheit im eigenen Betrieb (Personen-, Tier- und Fahrzeugverkehr) ist der wichtigste Faktor, um seinen Bestand von Seuchen zu schützen.  (Bildquelle: Riswick)

3. Tierhandel nicht im eigenen Stall! 

Ebenso wichtig im Bereich Biosicherheit ist der Tierverkehr. Auch das gilt es, gemeinsam mit dem zuständigen Händler zu besprechen! Schlachttiere können aus Fangwagen heraus verladen werden und sollten auf keinen Fall auf dem Futtertisch verladen werden. Kälber können in mobilen Stalleinrichtungen auf dem Betriebsgelände positioniert werden, sodass diese stressfrei und ohne weitere Risiken für Mensch und Tier verladen werden können. Die notwendigen Pässe können in einem Postkasten in der Nähe der Kälber deponiert werden. Für Rückfragen sollte eine Handynummer klar ersichtlich vermerkt sein.
Auch der Einkauf von Tieren ist immer ein Infektionsrisiko! Hier sind eine vorherige Blutuntersuchung und eine allgemeine tiergesundheitliche Untersuchung in jedem Fall empfehlenswert! Das gilt auch, wenn Tiere den Betrieb für eine gewisse Zeit verlassen (z.B. Schauen). Zudem ist es immer am sichersten, wenn Milcherzeuger die zugekauften Tiere selbst transportieren. Im Idealfall sollte für alle Tiere, die (wieder) neu in den Bestand kommen, eine 30-tägige Quarantäne abseits von der Herde eingerichtet werden. 

Kein Tierhandel im eigenen Stall! Um seinen Bestand zu schützen, sollte die Verladung von Verkaufstieren nicht in unmittelbarer Nähe zu den Stallungen erfolgen.  (Bildquelle: Stöcker-Gamigliano)

4. Bestmögliche Hygiene bei externen Dienstleistungen! 

Auch bei der externen Klauenpflege kann man die Frage nach Biosicherheit stellen. In diesem Fall ist es sinnvoll, offen mit seinem Klauenpfleger zu sprechen und ggf. die gewünschten Materialien wie Messer oder Flex für den eigenen Betrieb zu besorgen. Wird das gewünschte Material zu Verfügung gestellt, kommen externe Geräte gar nicht erst zum Einsatz. Zudem kann eine vorherige Desinfektion des Klauenstandes auf dem eigenen Betrieb weitere Sicherheit schaffen. 

5. Gemeinsam arbeiten! 

Sicherheit vor Ort, gemeinsam! Aufgrund der rechtlichen Lage lässt sich die Situation der betroffenen Betriebe nicht ändern, dennoch sollten Landwirte und Tierärzte gemeinsam versuchen, sich an die Rahmenbedingungen der Tierseuchenbekämpfung anzupassen. Das gilt ebenso an alle anderen an der Milchproduktion beteiligten Personen und Unternehmen, denn jeder sollte zur Biosicherheit beitragen.
Tipp: Fragen Sie nach praktikablen und sicheren Lösungen, zum Beispiel bei der zuständigen Tierarztpraxis, und sprechen Sie offen miteinander. 

Warum sind Teile Westdeutschlands besonders betroffen? 

Vor allem in sehr viehstarken Regionen wie beispielsweise am Niederrhein und im Münsterland sind Tiertransporte und Tierhandel gang und gäbe. Da der Handel vor allem von Masttieren (in der Milchkuhhaltung in der Regel der Handel von Bullenkälbern) über die Ländergrenzen hinausgeht, besteht ein ständiger Kontakt von Tieren, Personen und Fahrzeugen zu Ländern, die bisher nicht BHV1 frei sind, wie zum Beispiel die Niederlande oder Frankreich. Aus diesem Grund wird der internationale Tier- und Personenverkehr als großes Einschleppungsrisiko für BHV1 angesehen. 
Aus aktuellem Anlass hat sich die Düsseldorfer Landesregierung gemeinsam mit den rinderhaltenden Betrieben in den von BHV1-betroffenen Regionen kürzlich auf einen verbindlichen Leitfaden zur Eindämmung der Tierseuche geeinigt.

Der Handel und vor allem Transport junger Mastkälber über Deutschland hinaus kann eine Risikoquelle für BHV1-Erreger darstellen.  (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Warum ist Impfen EINE Alternative? 

Um tiergesundheitliche Schäden und wirtschaftliche Verluste durch das Virus zu vermeiden und um den internationalen Viehhandel sicherzustellen, setzt Deutschland auf einen BHV1-freien Status. Länder ohne EU-Status auf BHV1-Freiheit dürfen nur mit besonderen Schutzmaßnahmen Tiere grenzüberschreitend handeln. Um diesen freien Status zu bewahren, ist die Impfung gegen BHV1 verboten, sowohl vorsorglich als auch im Falle eines Ausbruchs.
Kommentar, André Hüting: 
Wäre es aufgrund der sich in den letzten Jahren deutlich veränderten Betriebsstrukturen in Deutschland (weniger Zu- und vor allem Verkauf von Zuchttieren) nicht an der Zeit, die Strategie „Impfverbot“ erneut zu überdenken? Wollen wir weiter die Arbeit von Generationen über Bestandsräumungen zu Grunde richten? Oder sollten wir vielmehr gemeinsam neue Modelle der Tierseuchenbekämpfung entwickeln? Die Impfung ist ein Probates Mittel, wie wir Menschen gerade selbst aufgrund der Coronapandemie zu spüren bekommen haben. Ob eine Feldvirusinfektion oder eine Impfung die Antikörper im Blut eines Rindes erzeugen, lässt sich innerhalb der Untersuchung im Labor feststellen und unterscheiden. Somit gibt es von dieser Seite kein Argument gegen die Impfung mit einem markiertem Impfstoff. Deshalb sollte es möglich sein, dass Tierhalter und betreuende Tierärzte neue Strategien entwickeln. Strategien, die sich im Seuchenfall betriebsindividuell anpassen lassen und nach denen eine Impfung gegen BHV1 eine mögliche Lösung sein kann, um Bestände zu retten. Jeder betroffene Betrieb sollte selbst entscheiden können, mit welchen Handelseinschränkungen er zurecht kommen kann bzw. muss (geimpfte Tiere dürften ausschließlich zum Schlachten vermarktet werden, männliche Kälber ausschließlich zur Mast in die Niederlande). Jedoch ist dieser Weg sicher einfacher für die Familien als der Verlust des gesamten Tierbestandes.


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