Die Nachricht löste Ende 2022 weit über die Region hinaus bei Kunden und Berufskollegen Betroffenheit aus: Nach jahrzehntelanger erfolgreicher Direktvermarktung von Milch, Quark und Käse über den eigenen Hofladen und regionale Supermärkte stellte der Albhof aus Lauterstein auf der Schwäbischen Alb (Baden-Württemberg) dieses Geschäft ein. Als Gründe gab die Familie Schömbucher an: „Steigende Kosten, rückläufige Umsätze und ein immer schwieriger werdendes Umfeld.“ Darüber hinaus...
Die Nachricht löste Ende 2022 weit über die Region hinaus bei Kunden und Berufskollegen Betroffenheit aus: Nach jahrzehntelanger erfolgreicher Direktvermarktung von Milch, Quark und Käse über den eigenen Hofladen und regionale Supermärkte stellte der Albhof aus Lauterstein auf der Schwäbischen Alb (Baden-Württemberg) dieses Geschäft ein. Als Gründe gab die Familie Schömbucher an: „Steigende Kosten, rückläufige Umsätze und ein immer schwieriger werdendes Umfeld.“ Darüber hinaus dürften weitere Faktoren, wie etwa der demographische Wandel und die Änderung der Ernährungsgewohnheiten, hinzukommen.
Praxisstimme Theo Schömbucher, Albhof, Lauterstein (Schwäbische Alb)
„Die Wirtschaftlichkeit war nicht mehr gegeben“
„Wir mussten nach rund 30 Jahren die Direktvermarktung von Milch auf unserem Hof Ende 2022 einstellen, weil die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben war. Da wir die komplette Herstellung und Auslieferung der 50 verschiedenen Produkte in eigener Hand hatten, litten wir vor allem an den massiv gestiegenen Energiekosten. Leider ist es uns nicht gelungen, diese Kostensteigerungen an unsere Kunden weiter zu reichen. Im Mai 2022 mussten wir nach vier Jahren die Produktpreise um ca. 40 % erhöhen. Zunächst konnten wir den Umsatz noch halten, aber letztlich gingen Absatz und Umsatz merklich zurück. Dazu hat auch beigetragen, dass die Edeka-Märkte, über die wir rund 20 % unserer Produkte vermarkteten, für ihre eigene Handelsspanne noch mehr draufgeschlagen haben. Dort kostete die Milch irgendwann 2,29 €/Liter!
Dass derartige Ausreißer den Verbraucher abschrecken, ist nachvollziehbar. Mit der von uns durchgeführten Preiserhöhung lagen wir aber immer noch auf dem gleichen Niveau wie die Mitbewerber. Das zeigt doch, dass das angebliche Bewusstsein zur Regionalität und Nachhaltigkeit von Verbrauchern und auch von der Politik nur Lippenbekenntnisse sind.
Zur Entscheidung aufzuhören, hat aber letztlich auch unser zunehmendes Personalproblem beigetragen. In der Spitze haben wir mit 25 Mitarbeitern 1,2 Mio. kg Milch im Jahr direkt vermarktet. Durch den Generationswechsel hätten wir zudem in der Molkerei einen Meister und drei weitere Mitarbeiter einstellen müssen. Aufzuhören ist ein schwerer Schritt, aber er war für uns alternativlos.“Zur Entscheidung aufzuhören, hat aber letztlich auch unser zunehmendes Personalproblem beigetragen. In der Spitze haben wir mit 25 Mitarbeitern 1,2 Mio. kg Milch im Jahr direkt vermarktet. Durch den Generationswechsel hätten wir zudem in der Molkerei einen Meister einstellen müssen. Aufzuhören ist ein schwerer Schritt, aber er war alternativlos.“
Absatzrückgang zum Teil zweistellig
Einen so drastischen Schritt wie der Albhof haben zwar in letzter Zeit sicher nur sehr wenige Milch-Direktvermarkter vorgenommen, aber unter den massiven Kostensteigerungen für Betriebsmittel, der inflationsbedingten Kaufzurückhaltung und den Rückgängen beim Absatz sowie unter dem Fachkräftemangel leiden sie alle mehr oder weniger stark. „Die explodierenden Kostensteigerungen bei Betriebsmitteln von einem Plus von 32 % setzen alle Direktvermarkter unter Druck“, sagt Sabine Biberger vom Amt für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten (AELF) in Ingolstadt-Pfaffenhofen an der Ilm.
Die Absätze vieler Milch-Direktvermarkter hätten laut der Expertin deutlich nachgelassen, zum Teil sogar im zweistelligen Bereich. Der Einbruch ist vor allem für Neueinsteiger jetzt so kurz nach dem boomenden Geschäft in Coronazeiten besonders schmerzhaft.
Genaue Zahlen zur Absatzentwicklung gibt es nicht, die Betroffenheit ist von Einzelbetrieb zu Einzelbetrieb sehr unterschiedlich (siehe auch Praktikerstimmen). „Besonders betroffen sind Betriebe, die ihre Milch im LEH verkaufen, wo sie zwischen etlichen, zum Teil auch deutlich günstigeren anderen Produkten steht. Der preissensible Verbraucher greift aktuell zum billigeren Produkt, z.B. zur Eigenmarke“, erklärt Biberger. Zumal die Händler diese jetzt besonders prominent platzieren und bewerben. Hierauf hat der Milchkuhhalter, der die Ware lediglich liefert, keinerlei Einfluss.
Absatzrückgänge merken vor allem die Direktvermarkter, die ihre Milch im LEH verkaufen.
Sabine Biberger, ALEF Ingolstadt-Pfaffenhofen an der Ilm
Und das obwohl die allermeisten Direktvermarkter die Preissteigerungen für Milchprodukte im Kühlregal des LEH von im Schnitt 24 % vielfach nicht mitgemacht haben. „Kein Direktvermarkter hat eine solche Preissteigerung vorgenommen, obwohl sie dort eben auch nötig gewesen wäre“, betont Sabine Biberger. Aktuell liegt das Preisniveau für 1 Liter Rohmilch aus dem Automaten bei ca. 1,20 bis 1,30 € pro Liter. Im Kühlregal des LEH gibt es Milch vom Direktvermarkter in der Regel zum Preisniveau von Markenmilch für bis zu 2 €/Liter. „Milch vom Direktvermarkter ist nicht teurer als andere Milchsorten im Regal, aber der Kunde differenziert in Zeiten wie diesen nicht mehr und stempelt sie pauschal ohne einen tatsächlichen Preisvergleich als teurer ab“, erklärt Birgit Jacquemin von der Landwirtschaftskammer NRW.
In den Hofläden in guten Lagen ist das Minus meist geringer, Stammkunden halten ihnen vielfach auch in diesen Zeiten die Treue. Aber auch dort bröckelt der Absatz je nach Standort, berichten Praktiker. Zum Teil allerdings nicht ganz unverschuldet: „Der Milchpreis bei den Molkereien war hoch, da wurde die Direktvermarktung bei manchen zur Nebensache. Das rächt sich jetzt“, beobachtet Biberger. Aber es gebe Möglichkeiten, das Geschäft wieder anzukurbeln.
Praxisstimme David Engel, Engelshof Hetzerath, Eifel
„Es läuft erstaunlich gut“
„Wir vermarkten Frischmilch, Joghurt und unser Quarktöpfchen über den LEH in der Region und an Großkunden. Noch vor der Ukraine-Krise haben wir im Frühjahr 2022 unsere Preise zum ersten Mal nach fünf Jahren um 6 bis 7 % erhöht. Früher waren wir die Teuersten, heute liegen wir mit unseren Produktpreisen im LEH-Regal im Mittelfeld und diese Kalkulation passt für uns. Der Absatz ist bisher stabil geblieben. Natürlich machen uns die Kostensteigerungen für Energie, Verpackung etc. zu schaffen, aber durch Optimierungen haben wir die Einbußen beim Gewinn begrenzen können. Wir vermarkten ca. 800 000 kg Milch im Jahr selbst und liefern noch ca. 350 000 kg ab. Unsere Philosophie ist: wenig Produkte in guter Qualität und großer Stückzahl. Wir sind zum Glück in einer Region mit gut verdienendem Klientel, Rabattaktionen machen wir bewusst nicht. Für Werbung haben wir nur ein geringes Budget. Bisher sind wir in der Direktvermarktung immer nur gewachsen. Als Nächstes ist ein neuer Stall geplant für insgesamt 180 Kühe. Wir warten nur noch auf Klarheit bei den politischen Rahmenbedingungen. Gedanken mache ich mir aber darüber, wo uns die neuen Konsumtrends mit den Alternativen zur Kuhmilch noch hinführen.“
Wie kommt man aus der Krise?
- Die aktuelle Situation sei laut Dr. Sophia Goßner vom Institut für Agrarökonomie der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) ein guter Zeitpunkt, das eigene Sortiment dahingehend zu überprüfen, welche Produkte bisher wirtschaftlich sind und welche nicht. Von Letzteren sollte man sich zügig verabschieden. Ein gutes Controlling der Direktvermarktung per ERP-System (Enterprise Ressource Planing) sei heutzutage überhaupt unverzichtbar: „Eine Zettelwirtschaft geht bei einer solch komplexen Vermarktung nicht mehr“, betont Jaquemin. Werten Sie Ihre Kundenkarten oder Internet-Bewertungen aus und überdenken Sie, ob Sie Ihre Zielgruppe noch ausreichend ansprechen.
- Der Service ist wie die Frische und die Qualität eines Ihrer Alleinstellungsmerkmale. Wenn es gar nicht anders geht und der Service (Öffnungszeiten, Lieferdienste) eingeschränkt werden muss, ist allerdings auch hier eine positive Kundenkommunikation wichtig. „Begründen Sie Ihre Entscheidungen, um unangenehmen Diskussionen vorzubeugen, aber verfallen Sie nicht in Rechtfertigungen“, rät Dr. Goßner.
- Ganz oben auf der Agenda steht für die Berater die Öffentlichkeitsarbeit, vor allem über Social Media Kanäle. Keine Werbung zu machen, geht generell nicht, sagen die Beraterinnen. Und in Krisenzeiten erst recht nicht: „Im Gegenteil: Jetzt muss die Intensität der Werbung gesteigert werden. Vor allem im Internet sehe ich die Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft“, sagt Birgit Jacquemin. Zum Beispiel über eine intelligente Verlinkung der bestehenden Inhalte in den Social Media Kanälen.
Gerade auch, um stetig Neukunden zu gewinnen, ist Werbung unverzichtbar. Denn eine gewisse Fluktuation gibt es immer. Wichtig ist dabei, die Einzigartigkeit und den Zusatznutzen des Produktes – z.B. die Frische, die Regionalität, den Service – herauszustellen. Ein relativ neues, aber zugkräftiges Argument könnte dabei laut Biberger z.B. die hofeigene günstige CO2-Bilanz und die Bedeutung der Nahversorgung für das Klima sein. Erklären Sie die Produktion, gewähren Sie Einblicke in den Betrieb, nehmen Sie an Messen oder Veranstaltungen teil. Eine Jahresplanung sämtlicher Maßnahmen ist sinnvoll.
Die Werbemöglichkeiten im Internet werden von den Direktvermarktern vielfach noch nicht optimal ausgenutzt.
Birgit Jacquemin, LWK Nordrhein-Westfalen
- Sinnvoll ist jetzt auch, nochmal neue Vermarktungswege zu suchen und sich so auf mehrere Standbeine aufzustellen. Das stabilisiert den Absatz. So sei es zum Beispiel einem Direktvermarkter gelungen, seine Milchprodukte bei einem regionalen Metzger zu platzieren. Wenn dieser die Produkte z.B. 20 bis 25 % günstiger bekommt, hat auch er Interesse daran und man selbst spart sich ja den Aufwand für den Verkauf.
- Ihre Marktpartner, z.B. der LEH, sollten Sie pflegen und regelmäßig nach deren Bedürfnissen fragen. Was können Sie ihm noch anbieten? Machen Sonderaktionen Sinn, um auf sich aufmerksam zu machen?
- Überlegen Sie sich etwas für die Stammkunden, um sie bei Laune zu halten. Sie sind jetzt wichtiger denn je. Das können z.B. kleine Probierportionen neuer Produkte, Präsente oder Treuekarten sein, die einen gewissen Rabatt einräumen. Fragen Sie konkret nach, was sie sich wünschen und merken Sie sich ihren Namen. Das bindet Stammkunden an den Betrieb.
- Man muss nicht zwingend immer neue Milchprodukte kreieren und anbieten, sondern kann auch über die Aufnahme anderer Produktsegmente von anderen Betrieben Kunden gewinnen. Das können auch Eier oder Kartoffeln sein. Für das Geschäft belebend sind außerdem saisonal wechselnde Angebote, das erhält die Spannung.
Praxisstimme: Maximilian Wunder, Wunder-Milch, Eismannsberg, bayerisches Schwaben
„Bewusst Preisniveau gehalten“
„ Anfang des Jahres hatten auch wir einen deutlichen Umsatzeinbruch durch die Kaufzurückhaltung der Kunden. Ich glaube aber, dazu hat auch viel Panikmache vor weiter steigenden Kosten beigetragen. Alle haben extrem gespart, aber so schlimm, wie befürchtet, kam es dann doch nicht. Wir haben bewusst unsere Preise stabil gehalten, damit die Absatzmengen an unseren vier Automaten konstant bleiben. Das ist uns auch gelungen, denn diese Preisstabilität gerade in Zeiten einer hohen Inflation kam gut bei den Verbrauchern an. Mit unseren Automaten bei Rewe und beim V-Markt stehen wir direkt in Konkurrenz zur Milch, die es in diesen Märkten gibt. Aktuell verkaufen wir unsere Milch für 1,40 €/Liter. Damit liegen wir im Mittelfeld. Mehr zu verlangen, ist in unserer Region schwierig. Bei 1,70 € kommt keiner mehr, da bin ich mir sicher. Aktive Werbung betreiben wir nicht viel. Wir arbeiten mit Kundenkarten mit prepaid-Funktion, die ihnen 10 % Rabatt einräumt. Das kommt gut an und anhand der Auswertungen sehen wir, dass wir viele Kunden der ersten Stunde dabei haben. Um Neukunden zu gewinnen, ist der persönliche Kontakt wichtig. Dazu stelle ich mich selbst an die Automaten und spreche mit den Leuten. Wer in der Direktvermarktung erfolgreich sein will, darf sie auch in Zeiten, in denen es mal nicht so gut läuft, nicht vernachlässigen. Denn dadurch entsteht viel dauerhafter Schaden.“
Wie kommuniziert man Preissteigerungen?
Natürlich müssen auch Direktvermarkter die gestiegenen Produktionskosten an den Kunden weitergeben: „Der Kunde ist Preiserhöhungen in der jetzigen Zeit allerorts gewohnt und wird daher auch bei Ihnen höhere Preise vermutlich leichter akzeptieren. Voraussetzung dafür ist allerdings eine gute Art der Kommunikation. Sie sollten dem Kunden vermitteln, dass Sie sich mit ihm die Kostensteigerungen fair aufteilen“, sagt Dr. Sophia Goßner, LfL Bayern. Mit Rabatten sollten Direktvermarkter eher vorsichtig sein, dadurch entstehe schnell der Eindruck von Ramschware. Preissteigerungen sollten nicht in zu kurzen Abständen von nur wenigen Monaten vorgenommen werden, besser ist ein regelmäßiger Rhythmus verbunden mit einer sachlichen Aufklärung der Gründe.
Die guten Argumente der Direktvermarkter werden die Kunden mittelfristig wieder in die Hofläden bringen.
Dr. Sophia Goßner, LfL Bayern
Wie geht es weiter?
Die Experten sind optimistisch, dass sich die aktuelle Absatzdelle wieder legen wird. „Die Argumente der kurzen Lieferketten und das Wissen, wo die Lebensmittel herkommen, wird die Kunden mittelfristig wieder in die Hofläden bringen“, meint Dr. Sophia Goßner vom Institut für Agrarökonomie der LfL Bayern.
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