Auf einer Straße zwischen Weinheim und dessen nächsten Stadtteil liegt auf der linken Seite der Milchkuhbetrieb der Familie Großhans. Auf einem Schild steht „Milchtankstelle Weinheim“. Direkt von der Straße aus sichtbar, sieht man die Verkaufsautomaten die mit verschiedenen Produkten wie Jogurt, Pudding und Weichkäse gefüllt sind, sowie die Milchtankstelle mit zusätzlichem Flaschenautomaten. Seit 2009 verkauft Familie Großhans Rohmilch über die Tankstelle. 2016 folgten die eigene...
Auf einer Straße zwischen Weinheim und dessen nächsten Stadtteil liegt auf der linken Seite der Milchkuhbetrieb der Familie Großhans. Auf einem Schild steht „Milchtankstelle Weinheim“. Direkt von der Straße aus sichtbar, sieht man die Verkaufsautomaten die mit verschiedenen Produkten wie Jogurt, Pudding und Weichkäse gefüllt sind, sowie die Milchtankstelle mit zusätzlichem Flaschenautomaten. Seit 2009 verkauft Familie Großhans Rohmilch über die Tankstelle. 2016 folgten die eigene Hofmolkerei für die Weiterverarbeitung der Milch und die anderen drei Verkaufsautomaten.
Überblick:
- Großhans GbR: Jochen Großhans (40 Jahre) und Mutter Iris Großhans (62 Jahre)
- drei volle Arbeitskräfte, sowie drei 450 €-Kräfte
- 130 Kühe mit einer Herdenleistung von 12.300kg
- Milchtankstelle (seit 2009)
- Hofmolkerei: Jogurt-, Trinkjogurt-, Pudding-, Weichkäseherstellung
Auch 18 Jahre nach dem Bau des einreihigen Kuhstalls ist dieser heute noch ein Vorreiter im Bereich Tierwohl. Das zeigt die Herdenleistung von 12.300 kg Milch.
Jochen Großhans führt den Betrieb gemeinsam mit seiner GbR-Partnerin und Mutter Iris Großhans. Er ist seit 2021 Betriebsleiter, aber bereits seit 19 Jahren fest im Betrieb. 130 Kühe und die weibliche Nachzucht werden auf dem Hof gehalten. Der Herdendurchschnitt liegt bei 12.300 kg Milch pro Kuh und Jahr. Besonders viel Wert wird auf Kuhkomfort und Fütterung gelegt. Die Kühe sind in einem einreihigen Boxenlaufstall untergebracht. Der Hof beschäftigt drei volle Arbeitskräfte (Jochen und Iris Großhans plus einen Festangestellten) und drei Aushilfen für die Molkerei und die Melkzeiten. Jochen Großhans ist hauptverantwortlich für den Ackerbau, das Füttern und ist Eigenbestandsbesamer. Seine Frau Sabine hilft in der Molkerei aus. Iris Großhans managt und melkt die Kühe. Ihr Mann hilft so weit möglich.
15 % der Milch wird am Hof verarbeitet und verkauft
Erst fünf Tage vor unserem Besuch wurde einer der Verkaufsautomaten aufgeknackt- Zum Glück ohne großen Schaden. Das ist der dritte Versuch einen der Automaten aufzubrechen. Bisher wurde der Kasseninhalt nur einmal gestohlen. „Die Sicherheitsvorkehrungen vom Hersteller sind pillepalle“, sagt Jochen Großhans kopfschüttelnd. Er hat ein extra Schloss montiert. Doch neben diesen Unannehmlichkeiten läuft die Direktvermarktung im Vorort von Weinheim sehr gut. Die Lage ist dabei am aller wichtigsten meint der Betriebsleiter. Der Hof liegt zwischen Weinheim mit 45.000 Einwohnern und dessen angrenzenden Stadtteilen. Außerdem gibt es ein Freizeitbad, welches vom Betrieb aus zu sehen ist und einen Baggersee: Besser könnte die Lage für die Direktvermarktung wohl kaum sein! Täglich werden im Schnitt über 150 L Rohmilch vermarktet.
Die Lage des Betriebs ist das Allerwichtigste für die Direktvermarktung: Wo bin ich und was kann ich?
Jochen Großhans
15 % der Milch wird entweder über die Milchtankstelle bzw. die weiterverarbeiteten Produkte direkt vermarktet. Die in der Hofmolkerei selbst hergestellten Milchprodukte werden zu 70 % über die eigenen Automaten verkauft. Der Rest wird an andere Hofläden oder an Rewe abgegeben. Abhängig möchte sich Jochen Großhans jedoch von Keinem machen. Aus diesem Grund wird auch nicht mehr Milch weiterverarbeitet.
Unser Ziel ist es, die ganze Wertschöpfung mitzunehmen.
Jochen Großhans
Die Direktvermarktung ist schon sehr lange Tradition auf dem Hof. Seit den 70er- Jahren gab es einen Hofladen, in dem Obst, Wein und Milch verkauft wurde. Der eigene Obst- und Weinbau wurde abgeschafft, sodass es seit der Jahrtausendwende keinen Hofladen mehr gibt. Die Milch hat Familie Großhans während der Stallzeit abends weiterhin verkauft. 2009 wurde dann in eine Milchtankstelle investiert. Damals lag die Investitionssumme noch bei etwa 8.000 €. Heute muss man schon mit 12.000 bis 13.000 € rechnen. Bald wird Jochen Großhans einen zwei Jahre genutzten Milchautomaten von einem nahelegenden Betrieb, der die Direktvermarktung abschafft, übernehmen.
Direktvermarktung bedeutet viel Aufwand
Im ersten Jahr wurden täglich etwa 54 Liter Milch pro Tag verkauft. Werbung hat die Familie nie gemacht: „Die beste Werbung ist die Mund zu Mund Propaganda“, so Jochen Großhans. Ein Selbstläufer ist die Direktvermarktung aber sicher nicht. Täglich sind zwei Stunden Arbeit alleine für das Auffüllen und Reinigen der Milchtankstelle und der drei Verkaufsautomaten nötig. Die Tankstelle und die Automaten sind 24 Stunden am Tag geöffnet. Daher wird der Milchautomat einmal täglich morgens gereinigt, weil zu der Zeit am wenigsten Kunden da sind.
Tipp Kannengröße
In der Milchtankstelle der Familie Großhans wird eine 200-Liter-Edelstahlkanne genutzt. Darin sieht der Betriebsleiter sowohl Vor- als auch Nachteile:
Vorteilhaft ist, dass die Kanne nicht so oft aufgefüllt werden muss wie beispielsweise eine 50 Liter-Kanne. Dadurch sinkt der Arbeitsaufwand.
Demgegenüber stehen allerdings zwei negative Aspekte: Zum einen sieht Jochen Großhans bei der Nutzung von z.B. zwei 50- Liter- Kannen den Vorteil, dass die Restmenge leergezogen werden kann, während die andere Kanne gereinigt wird. Zum anderen ist das Handling mit einer 200- Liter- Kanne schwierig. Für einen einfachen, rückenschonenden Transport haben Großhans eine Halterung gebaut, die an den Hoflader gebaut wird. So kann die volle Milchkanne vom Milchtank bis zur Tankstelle gefahren werden.
Eigene Hofmolkerei
Durch eine Hygieneschleuse gelangen wir in die Molkerei. Blitzblank ist der Raum. Der Edelstahl des Milchtanks mit dem dazugehörigen Rührwerk und dem Temperaturregler, sowie die Verpackungsmaschine glänzen im Fensterlicht. 2016 wurde der Verarbeitungsraum, wie auch der Kühl- und Lagerraum in ein bestehendes Gebäude gebaut. 100.000 € Investitionskosten sind allein hier reingeflossen. Da war noch kein Verkaufsautomat gekauft. Jochen Großhans erzählt, dass er zwei Jahre zuvor einen Jogurtkurs gemacht hat. „ Der Kurs hat fast 400 € gekostet. Da ich nur rein aus Interesse teilnahm, haben mich viele deshalb belächelt“, er grinst mit Blick in den Verarbeitungsraum. Die Kursleiterin hatte damals alles mit einfachen Dingen gemacht die jeder zu Hause hat, berichtet er weiter. Nach dem Kurs hat Großhans in seiner Küche zwei Jahre lang nach dem richtigen Rezept gesucht und solange verschiedene Rezepturen getestet, bis er die Passenden für den Verkauf gefunden hatte.
Er ist sich sicher, dass sich seine Jogurts und weitere Produkte klar von den Produkten im LEH abgrenzen müssen damit die Kunden mehr Geld dafür bezahlen (z.B. 500g Jogurt in verschiedenen Geschmacksrichtungen im Glas: 2 €). Er setzt auf natürliche Inhaltsstoffe und ist überzeugt, dass sich seine Produkte durchsetzen, weil sie weniger süß als die Produkte im Handel sind.
In der Molkerei wird Montags (ganztägig von etwa 9 bis 20 Uhr), Dienstags (halbtags) und Sonntagsmorgens Milch weiter verarbeitet und mit Jogurtbakterien infiziert. Sonntags wird lediglich die Milch für die Produktion am Montag und Dienstag abgekocht. Seit Inbetriebnahme der Molkerei hat sich die Anzahl der Kontrollen vervielfacht. Beim Milchautomaten speziell wird allerdings nur ab und zu eine Milchprobe aus dem Automaten oder dem Milchtank gezogen.
Respekt vor Preisanpassungen
Der Preis für einen Liter Milch aus dem Automaten liegt bei aktuell 90 Cent und ist im Vergleich zu den meisten anderen Milchtankstellen (1 bis 1,5 €) eher günstig. Doch Jochen Großhans zieht hier lieber den Vergleich zum Preis, den die Molkerei „Milchzentrale Nordbaden“ ihm für einen Liter zahlt. Er sagt, dass sich seine Milchtankstelle ab mindestens 80 verkauften Litern Milch pro Tag rechnet. In den letzten dreizehn Jahren wurde der Preis zweimal um je 10 Cent erhöht. Diese Anpassungen haben sich nicht in der verkauften Milchmenge widergespiegelt. In Zukunft möchte Großhans eine weitere Preisanpassung wagen und 1 € für den Liter Milch verlangen.
Die Kunden dürfen jederzeit in alle Ställe und sich die Tiere angucken. Für Jochen Großhans ist es wichtig, dass alle Tiere jederzeit im besten Zustand sind, richtig gehalten und behandelt werden. „Ein doofes Bild kann im Zweifel zu großen Problemen führen“, meint der Milcherzeuger. Ihm ist es ein Anliegen, dass sich die Landwirtschaft den Verbrauchern gegenüber öffnet, um mehr Verständnis zu erreichen.