130 Kühe und die weibliche Nachzucht hält Familie Großhans in Weinheim (Baden-Württemberg). Besonders viel Wert legen sie auf guten Kuhkomfort und einfache Arbeitsabläufe. Als Familienbetrieb müssen die Kühe neben der Direktvermarktung, der Milchverarbeitung in der eigenen Hofmolkerei und der Außenwirtschaft gut funktionieren.
Übersicht:
- Großhans GbR: Jochen Großhans (40 Jahre) und Mutter Iris Großhans (62 Jahre)
- drei volle Arbeitskräfte sowie drei 450 €-Kräfte
- 130 Kühe mit einer Herdenleistung von 12.300kg
- Milchtankstelle (seit 2009)
- Hofmolkerei: Jogurt-, Trinkjogurt-, Pudding-, Weichkäseherstellung
Familie Großhans verkauft rund 15 % der Milch ihrer 130 Holsteinkühe ab Hof. Wir haben sie nach ihren Erfolgsfaktoren bei der Direktvermarktung gefragt.
Stressfreier geht nicht!
Beim Betreten des Kuhstalls der Familie Großhans erleben wir eine beeindruckende Ruhe. Außer der Ventilatoren und der Vernebelung, die alle 20 Minuten für 10 Minuten Wasser von einer Halterung oberhalb des Fressgitters versprühen, ist nichts zu hören. Die meisten Tiere liegen wiederkauend in den Tiefboxen, wenige sind am fressen, kaum eine Kuh sehen wir stehend in den beiden fünf Meter breiten Laufgang rechts und links vom Futtertisch. 2004 hat sich Jochens Vater Günter beim Stallbau für einen Einreiher entschieden. Damals wurde er deswegen für verrückt gehalten. Doch noch heute, fast 20 Jahre später, ist der Stall ein Vorreiter was Kuhkomfort angeht. 120 Kuhplätze für die 115 melkenden Kühe. Mehrere Tränken sind aufgrund der Mehrzahl der Fressplätze parallel zum Fressgitter angebracht. Mehr Kuhkomfort könnte die Familie den Kühen nicht bieten.
Transitbereich und Frischkalber
Der alte Kuhstall von 1973 wurde vor zwei Jahren zugunsten der Trockensteher umgebaut. Dort stehen nun auf der einen Seite des Futtertisches Jungrinder in Kleingruppen im Boxenlaufstall bzw. in Strohbuchten. Auf der gegenüberliegenden Seite erstreckt sich eine große Strohbucht mit anliegendem Fressgang, der vom Schieber gereinigt wird. Hier stehen die Trockensteher. Die Frischkalber bleiben die ersten zwei bis drei Tage nach der Kalbung in einem anliegenden kleinerem Strohabteil und werden mit der Eimermelkanlage gemolken, bevor es in die Hochleistungsgruppe geht. Bei den Frischkalbern wird in der ersten Zeit lediglich die Milchmenge kontrolliert. Solange sie steigt, werden die Kühe nicht genauer untersucht.
„Weight Watchers“- Gruppe für die Langzeittrockensteher
Neben dem alten umfunktionierten Kuhstall gibt es einen weiteren Stall. Dort sind Rinder, ein Bulle und Langzeittrockensteher untergebracht. Die „Weight Watchers“- Gruppe, wie Jochen Großhans sie nennt, ist speziell für Frühtrockensteher entstanden. Sie neigen zur Verfettung und anschließenden Ketoseproblemen. Die Extra-Gruppe hat in der Hinsicht schon eine große Verbesserung gebracht.
Die Langzeittrockensteher resultieren aus den schon länger anhaltenden, eher schlechten Besamungserfolgen. Der Besamungsindex liegt bei 3,0. Die Herdenfruchtbarkeit ist eine große Baustelle, welche Jochen Großhans weiter verbessern möchte. Die Brunstbeobachtung erfolgt ohne Sensoren, nur durch die visuelle Kontrolle. Nach etwa 40 bis 50 Tagen nach der Kalbung wird zum ersten Mal besamt.
Die Kühe dürfen nicht selektieren
Neben der Optimierung bei den Stallsystemen, legt Jochen Großhans großen Wert auf die passende Fütterung. Ein Blick auf den Futtertisch und sofort sticht etwas ins Auge: Es gibt kaum Fraßlöcher, die auf eine Futterselektion der Kühe hindeuten. Nicht ein Loch, wo das Futter bis zum Futtertischboden durchgewühlt wurde. Jochen Großhans ist es sehr wichtig, dass die Kühe nicht selektieren können. Um eine Futterselektion zu verhindern, wird eine Ration mit einem Trockensubstanz-Gehalt von 39 % gefüttert, mit Erfolg! Die Kühe haben einen Herdendurchschnitt von 12.300 kg Milch pro Kuh und Jahr. Davon werden 6.200 kg aus dem Grundfutter gemolken.
Der Hochleistungsgruppe mit Kühen bis zu 130 Laktationstagen wird Gras- und Maissilage, Luzerne, Biertreber, Rapsschrot, Maisschlempe, Gerstenschrot, Futterfett, Salz und Mineralfutter in einem Selbstfahrer gemischt. Das Futter ist für 38 kg Milch pro Tag ausgelegt. Die Niederleistungsgruppe bekommt eine fast identische Ration nur ohne Futterfette und 0,5 kg weniger Gerstenschrot.
Die Sandwichsilage lässt keine Anpassung der Grundfuttermittel zu.
Jochen Großhans
Ackerbauregion: Nur 1,2 ha Grünland
Alles wird in eine optimale Futterqualität gesetzt. Joch Großhans ist Hauptverantwortlicher für die Außenwirtschaft und die Fütterung. Er bewirtschaftet insgesamt 120 ha Land, wovon nur 1,2 ha Grünland sind. 70 ha werden für den Futterbau genutzt, der Rest dient als Ackerbau. Im ersten Schnitt mäht die Familie 35 ha Ackergras gemäht, etwa 15 ha davon werden für den Maisanbau umgebrochen. Der Mais wird im Hochschnitt gehäckselt. Aktuell füttert Jochen Großhans Mais mit 454 g Stärke pro kg Trockensubstanz. Für die Fütterung bauen sie außerdem 10 ha Luzerne an.
Lieblingskuh zugekauft
Großhans steht gerade in der Nähe des Fressgitters im Kuhstall als die Kuh mit der Halsbandnummer 154, Elva, vertraut und zugleich neugierig ihren Kopf durch das Fressgitter steckt. Während einer Streicheleinheit erzählt er, dass die meisten Tiere durch die vielen Besucher sehr zutraulich sind. Seit klein auf kennen sie den Kontakt zum Menschen. „Bei Elva ist das etwas anderes. Ich habe sie vergangenes Jahr auf einer Auktion der OHG gekauft. Durch ihre zutrauliche Art wurde sie schnell zu meiner Lieblingskuh“, so Jochen Großhans.
Bis vor fünf Jahren haben Jochen und Iris Großhans nicht auf Fleischrassekreuzungen in ihrer inzwischen rein schwarzbunten Holsteinherde gesetzt und alle weiblichen Rinder aufgezogen. Abgekalbte Färsen, die nicht zur Remontierung nötig waren, haben sie ab Hof verkauft, da kein Auktionstandort in der Nähe ist. „Ich hatte keine Lust mehr Färsen für 1.400 € abzugeben“, sagt der Milcherzeuger. Deshalb hat Jochen Großhans die Einkreuzungen mit Blau-Weiß-Belgiern bei den Kühen eingeführt, um in Zukunft weniger Rinder nur für die eigene Remontierung aufzuziehen. Zeitweise hat er 70 % seiner Kühe mit Fleischrassesperma besamt. „Die Rechnung kriege ich jetzt wieder“, lacht Jochen Großhans. Seit dem letztem Jahr muss er gelegentlich Färsen auf der Auktion zukaufen, da er nicht ausreichend Remontierungstiere hat. Inzwischen liegt der Fleischrasseanteil bei den Besamungen bei etwa 30%.
Keine Extreme bei der Anpaarung
Bei den Kühen legen Jochen Großhans, der die Kühe besamt, und seine Mutter, die für die Bullenauswahl verantwortlich ist, keinen Wert auf extreme Exterieur- oder Leistungsmerkmale. Ziel ist es, langlebige Kühe mit festen, drüsigen Eutern und guten Fundamenten zu züchten. Es werden nur töchtergeprüfte Vererber eingesetzt. Genomisch getestete Newcomer werden nicht genutzt. Ziel ist es, funktionierende Laufstallkühe zu züchten und keine hochgestesten Rinder oder Bullen, sagt Jochen Großhans. Die Nutzungsdauer liegt bei etwa vier Laktationen. Wenn eine Kuh mehrmals negativ auffällt (Klauen-, Eutergesundheit, Stoffwechselprobleme, etc.) wird sie nicht mehr belegt. „Ich finde die Kühe sollen mit gehobenem Haupt den Stall verlassen und nicht auf Biegen und Brechen noch ein Kalb bekommen.“, sagt Jochen Großhans überzeugt.
In Zukunft mit AMS melken?
Für die Zukunft ist die Überlegung, das bisherige 20er- Melkkarussell durch zwei Melkroboter zu ersetzen, um Iris Großhans zu entlasten. Der dafür benötigte Anbau und die Melktechnik bringen aber eine riesige Investitionssumme mit sich. Das muss genau überlegt sein, weshalb noch keine Entscheidung getroffen wurde.
Für Jochen und Iris Großhans steht aber fest, dass sie weder mehr Kühe, noch mehr Direktvermarktung machen möchten. Das bestehende System möchten die beiden weiter optimieren. Aber besorgt sagt Jochen Großhans: „Landwirten wird es immer schwerer gemacht. Wer weiß, ob wir in 10 Jahren noch Kühe melken.“
Neben dem super Management der Kühe verarbeitet und vermarktet Familie Großhans 15 % ihrer Milch direkt am Hof.
Hier finden Sie den anderen Teil der Reportage, in der wir die Direktvermarktung vorstellen: Teil 1 lesen!