Betriebsspiegel:
295 Kühe (90 % Angler)
9.350 kg Milch
3,5 Ak
Biogas und Direktvermarktung
Sterup (Schleswig-Holstein)
Manchmal ergeben sich Situationen im Leben, die eine schnelle Entscheidung einfordern. Dann darf man nicht lange überlegen, entweder man packt zu oder nicht. Henning Thomsen hat zugepackt – und das gleich zwei Mal! Zuerst vor etwa drei Jahren, als Torben Petersen, ein ehemaliger Auszubildender, anklopfte und nachfragte,...
Betriebsspiegel:
295 Kühe (90 % Angler)
9.350 kg Milch
3,5 Ak
Biogas und Direktvermarktung
Sterup (Schleswig-Holstein)
Manchmal ergeben sich Situationen im Leben, die eine schnelle Entscheidung einfordern. Dann darf man nicht lange überlegen, entweder man packt zu oder nicht. Henning Thomsen hat zugepackt – und das gleich zwei Mal! Zuerst vor etwa drei Jahren, als Torben Petersen, ein ehemaliger Auszubildender, anklopfte und nachfragte, ob er sich als Herdenmanager auf dem Milchkuhbetrieb in Sterup verdingen könne.
Henning Thomsen hat nicht lange überlegen müssen, kurzerhand hat er seinen ehemaligen Azubi eingestellt und dessen 50-Kopf große Angler-Herde gleich mit übernommen. „Zu diesem Zeitpunkt waren wir arbeitstechnisch am Limit, da kam Torbens Anfrage gerade recht“, erinnert sich der großgewachsene, sympathisch lächelnde Milcherzeuger.
Thomsen hat dadurch nicht nur einen engagierten und fachlich sehr versierten Herdenmanager gewonnen, sondern auch einen Top-Aufzüchter. Denn um die zusätzlichen Milchkühe unterbringen zu können, wurde kurzerhand die Nachzucht auf die 10 km entfernte Hofstelle von Torben Petersen ausgelagert.
20 % gehen an eine Hofmolkerei
Ein Jahr später klopfte wieder ein Milcherzeuger bei Henning Thomsen an. Diesmal wurde er gefragt, ob er bereit sei, eine Hofmolkerei zu beliefern. Auch hier musste Henning Thomsen nicht lange überlegen. Seit zwei Jahren liefert er nun knapp ein Fünftel der Milchmenge an die Hofmolkerei im 2 km entfernten Niesgrau, wo diese zu Trinkmilch weiterverarbeitet wird. „Über den Weg der Direktvermarktung können wir die Wertschöpfung der Milch steigern und den ständig steigenden Kosten entgegenwirken”, so Thomsen. „Es wäre schön, wenn sich dieser Bereich in Zukunft noch weiterentwickeln würde.”
Dass Henning Thomsen ein optimistischer Mensch ist, der Kooperationen gegenüber aufgeschlossen ist, erfahren wir mehrmals beim Rundgang über die Hofstelle. So erzählt uns der Milcherzeuger u. a., dass er eng mit einigen Ackerbauern zusammenarbeitet. Diese bauen für ihn Silomais und Ackergras an und nehmen ihm einen Teil der Gülle ab. „Unter dem Strich ist das günstiger als Fläche zu pachten“, erläutert Thomsen. Die Außenwirtschaft ist größtenteils an den Lohnunternehmer abgegeben. „Dadurch können wir uns mehr auf die Arbeiten im Stall konzentrieren.”
Zudem ist der Milcherzeuger an einer größeren Biogasanlage im Ort beteiligt, die er täglich mit Güllefeststoff beliefert. Dafür wird die Rindergülle mit einem Separator in eine feste und flüssige Phase getrennt. Klar, das auch hier eine Wertschöpfung vorhanden ist! Da verwundert es auch nicht, dass der junge Milcherzeuger alle relevanten Produktionskennziffern im Gespräch sofort parat hat.
„Ich bin ein Zahlenmensch“
Die Produktionskosten beziffert er aktuell auf 38 Cent pro Liter Milch. Auf unsere Frage, ob dieser Wert nicht ein bisschen zu hoch sei, antwortet Thomsen selbstbewusst: „Durch die hohen Inhaltsstoffe (4,80 % Fett und 3,65 % Eiweiß) und die gute Verwertung können wir etwas von den hohen Produktionskosten auffangen. Fakt ist aber: Die Produktionskosten werden weiter steigen und wir müssen die Wertschöpfung weiter nach oben bringen. Wenn uns das nicht gelingt, dann wird sich die Milchproduktion langfristig aus der Region verabschieden!“
Die Wertschöpfung der Milchproduktion muss ansteigen!
Henning Thomsen
Dass es gerade „rund läuft“ in Sterup, liegt nicht zuletzt daran, dass der „Zahlenmensch“ Henning Thomsen ein intensives Controlling in seinem Unternehmen installiert hat. Alle relevanten Produktionsdaten in den Ställen werden erfasst, in eine Herdenmanagementsoftware eingepflegt und ausgewertet. So hat Thomsen u. a. erkannt, dass das wöchentliche Klauenbad nicht zu einer Verbesserung der Klauengesundheit beigetragen hat. Also wurde es wieder eingestellt.
Dienstag ist Tierärztinnen-Tag
Jedes Jahr im Februar ruft der Unternehmer zudem sein Team zusammen, um zu prüfen, ob die gesetzten Ziele erreicht wurden bzw. um gegebenenfalls nachzubessern. Bei diesen Gesprächen spielt die Tierärztin Frederike Voß (Tierärzte-Team Nord) eine wichtige Rolle. Seit nunmehr 1,5 Jahren arbeitet Thomsen mit der jungen Tierärztin intensiv zusammen.
Gesunde Kühe verursachen weniger Kosten.
Henning Thomsen
Voß analysiert für das Meeting die angefallenen Daten aus dem Herdenprogramm und aus der MLP. Die Tierärztin kennt den Milchkuhbetrieb gut, denn jeden Dienstag, pünktlich um 8.50 Uhr, fährt sie mit ihrem knallroten Kombi vor dem Kuhstall vor. Dann arbeitet sie TUs, Problemtiere und vor allem die Frischmelker ab. Die Kühe warten bereits, nebeneinander aufgereiht, im Fressgitter des alten Boxenlaufstalls (denn abgerechnet wird nach zeitlichem Aufwand!). Henning Thomsen assistiert ihr dabei, Herdenmanager Torben Petersen liefert die Daten vom Smartphone aus zu jeder Kuh. Diagnosen werden direkt im Herdenprogramm verarbeitet.
Der Frischabkalber-Check dient dazu, verdächtige Kühe zügig zu identifizieren, diese dann nach einem festen Schema zu untersuchen und behandeln. So geht es.
Die tierärztliche Bestandsbetreuung ist für Thomsen ein wichtiger Baustein, um dem Anstieg der Produktionskosten entgegenwirken zu können. „Gesunde Kühe verursachen einfach weniger Kosten. Ich möchte sie viel und lange melken, das funktioniert nur, wenn sie gesund sind.“ erläutert er. „Zudem weiß ich so besser Bescheid, was los ist in der Herde. Als wir mit der Bestandsbetreuung begonnen haben, waren rund 25 % der Frischmelker an Metritis erkrankt, das hätte ich niemals gedacht.“
Tierärztin koordiniert Fütterung
Damit die Tierärztin im Notfall rechtzeitig eingreifen kann, hat sie einen direkten Zugang zum Herdenmanagementprogramm. Zudem koordiniert sie die Fütterungsberatung. Der Fütterungsberater schaut alle vier Wochen im Stall vorbei und bewertet die Rationen und die Futteraufnahme. Thomsen ist sehr wichtig, dass Tierärztin, Fütterungsberater und Herdenmanager einen intensiven Austausch führen. „So können wir schnell reagieren.“
Mittlerweile hat der Gesundheitsstatus der Anglerherde ein zufriedenstellendes Niveau erreicht: Der Anteil an Gebärmutterentzündungen hat sich auf unter 15 % eingependelt, der von Ketosen bei weniger als 10 %. Der Zellgehalt liegt bei 190.000 Zellen/ml (Ziel sind 150.000 Zellen). An Mortellaro erkranken mittlerweile weniger als 4,5 % der Kühe. Bei der ersten Besamung werden regelmäßig mehr als 50 % tragend. Die Remontierungsrate hat sich bei nur 22 % eingependelt, das Erstkalbealter ist auf 23,9 Monate gesunken (wichtig, da pro Aufzuchttag vergütet wird).
Die Westrup-Koch GbR in Bissendorf gehört zu den Top-Adressen der deutschen Milchproduktion. Klar, dass wir diesen Milchkuhbetrieb im Rahmen der Tour aufsuchen.
Die guten Kennzahlen wurden durch die Einhaltung von Arbeitsroutinen und eine gute Zusammenarbeit aller beteiligten Personen realisiert. Dadurch lernen auch die Auszubildenen viel über die Milchviehhaltung, Arbeitsroutinen und eine hochwertige Ausbildung kann sichergestellt werden. Der Vollständigkeit halber muss noch angemerkt werden, dass diese sehr guten Kennzahlen letztlich auch auf der Einhaltung strenger Arbeitsroutinen in den drei Ställen (Frischabkalber, melkende Kühe und Kälber) beruhen.
Allerdings wurde eine Zielmarke noch nicht gerissen. „Ich möchte maximal einen Cent pro Liter Milch für Tierarzt und Medikamente ausgeben, da liegen wir noch etwas drüber“, erklärt Thomsen in Richtung seiner Tierärztin (die es gelassen zur Kenntnis nimmt). Gemolken werden die Kühe noch in einer 30 Jahre alten Fischgräte. Doch das soll sich bald ändern. Spätestens im Sommer dieses Jahres sollen mehrere Melkroboter die Melkarbeit übernehmen. „Wir hoffen dadurch Arbeitszeit freizusetzen und eine große Menge an Daten für die Tiergesundheit zu erhalten“, erklärt Thomsen.
Bildergalerie:
Ein Imagefilm zum Betrieb Thomsen:
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