„Hallo!” Johannes Holzner und Dr. Michael Schmaußer begrüßen sich am Zaun vom Laufhof. Ein paar Kühe recken ihre weißen Köpfe nach ihnen. Der Milchkuhhalter und sein Tierarzt treffen sich zum monatlichen Beratungsgespräch. Ein Blick auf die Herde gehört immer dazu, vornehmlich widmen sie sich aber den neusten Zahlen zur Eutergesundheit.
Fünf Jahre selektives Trockenstellen
Dr. Michael Schmaußer legt eine mit Textmarker markierte Liste auf den Tisch. Vor vier Tagen war Milchkontrolle. Der Tierarzt aus Freising hat sich vorbereitet und per Zugriff auf das Herdenmanagementprogramm die Kühe aufgelistet, die trockengestellt werden müssen, und jene, die durch ihre Eutergesundheitskennzahlen auffallen.
Zuerst steht an zu entscheiden, welche Kühe zum Laktationsausstieg antibiotisch behandelt werden. Seit fünf Jahren stellt Johannes Holzner seine Fleckviehkühe selektiv trocken. Er tippt mit dem Finger auf das Papier. „Die Trockenzustellenden gehen wir nur kurz durch“, sagt er. Denn er hat es verinnerlicht, die jeweilige Behandlung nach den Vorgaben im Entscheidungsbaum zum antibiotischen Trockenstellen vom Tiergesundheitsdienst zu entscheiden: Ohne Antibiotika und nur mit internem Zitzenversiegler trockengestellt werden Kühe, auf die folgende drei Kriterien zusammen zutreffen:
- unter 100.000 Zellen beim letzten Probemelken
- keine Mastitis in den letzten drei Laktationsmonaten
- und ein negativer Schalmtest am Tag des Trockenstellens
Gelegentlich weicht er jedoch davon ab. Das ist nicht inkonsequent, sondern nachvollziehbar.
Der Faktor Umwelt beeinflusst die Entscheidung mit
Johannes Holzner gibt ein Beispiel:
- Die Kuh 663 liegt mit dem jüngsten Probemelken stabil unter 100.000 Zellen. Jetzt im Sommer sind die Trockensteher auf der Weide. Gerade ist es staubtrocken, Fliegen gibt’s wenig. Daher wird er die Kuh morgen früh nur mit Zitzenversiegler trockenstellen.
- Im Winter wäre die Situation anders. Dann liegen die trockenen Kühe in Hochboxen mit Komfortmatte. Im Dezember bei feuchtem Wetter wäre es dem Landwirt trotz ihrer geringen Zellzahl zu riskant, er würde die Kuh 663 auch antibiotisch versorgen.
„Bei Bedenken ist es legitim auf Nummer sicher zu gehen“, ordnet Dr. Michael Schmaußer ein. Ja, es sind Einsparungen von bis zu 50 Prozent Behandlungen möglich, doch diesen Wert darf man niemals starr verfolgen, warnt er. Ein Sparzwang darf nicht sein – er gefährdet die Tiergesundheit! Schwankungen in der Neuinfektionsrate kommen ohnehin umweltbedingt vor. Steigt sie, ist es ratsam, dass selektive Vorgehen auszusetzen, bis die Ursache gelöst ist.
Um diese gegebenenfalls rasch zu finden, hilft es sehr, die Umwelteinflüsse im Betrieb zu beobachten und zu dokumentieren. Johannes Holzner und seine zwei Teilzeit-Angestellten notieren dazu alle Veränderungen um die Kühe im Stallbuch, wie etwa Futter- und Personalwechsel.
„Trotzdem“ eine bessere Gesundheit
Die beiden Männer beugen sich über den LKV-Bericht auf dem Schreibtisch. Im Vergleich zum Vorjahr liegt die Neuinfektionsrate dreimal niedriger, bei drei von 110 Kühen. Dass das selektive Trockenstellen klappt beruht nicht auf einer perfekten Eutergesundheit – mit aktuell 180.000 Zellen ist sie gut, aber keine bemerkenswerte, auch wenn sie sich verbessert. Es liegt am strukturierten Vorgehen, das Einzug hält.
70% der Entscheidungen ,trifft‘ die Systematik“
Johannes Holzner
„Michael hat vor fünf Jahren bei uns mit der Bestandsbetreuung angefangen“, erzählt Johannes Holzner. Sie setzten Ziele für ihre Zusammenarbeit, dazu zählen eine bessere Leistung und Eutergesundheit. Dass er zeitgleich mit dem selektiven Trockenstellen begann, fußt auf der Initiative des Tierarztes. Er stimmte zu, überzeugt, dass Milcherzeuger hier verantwortlich handeln müssen.
Der Tierarzt arbeitete das Team vom Hof Holzner in das Arbeiten mit dem Entscheidungsbaum ein, ist für Rückfragen erreichbar. Bläute ein, wie wichtig es ist, sich bei jeder Kuh daran entlang zu hangeln. Und das es nur mit guter Datengrundlage funktioniert. „Ohne den Eutergesundheitsbericht ist es zeitlich nicht möglich, systematisch vorzugehen und eine Erfolgskontrolle zu machen“, sagt er.
Am Anfang ist Disziplin gefragt
Johannes Holzner fährt sich mit der Hand durch die Haare. Der Einstieg ins selektive Trockenstellen hat Zeit beansprucht. „Ohne den Antrieb von Michael und den monatlichen Termin hätte ich aufgehört, bevor ich richtig angefangen wäre“, gesteht er. Zeit ist knapp, hauptberuflich ist der Betriebsleiter woanders tätig. Da ist er dankbar, dass er sich auf seine Mitarbeiter verlassen kann. Denn wie überall laufen weitere Projekte: Gerade ist ein Kälberstall im Bau und es gilt die Klauengesundheit zu verbessern.
Michael Schmaußer blickt auf. Er weiß womit (erweiterte) Familienbetriebe hadern, wenn es gilt Neues zu etablieren. „Ein Familienbetrieb braucht ein bis zwei Jahre, bis alle die neue Struktur annehmen und zuverlässig leben.“ Doch die Mühe lohnt sich, so Holzner. „Die vorgegebene Struktur nimmt mir heute zu 70 Prozent Entscheidungen in puncto Euterbehandlungen ab. Das spart ungemein Zeit!“
Selektiv auch bei Mastitis
Eine zweite Liste liegt auf dem Tisch, die Problemkühe. Die chronisch euterkranken werden nicht mehr antibiotisch behandelt, auch nicht zum Trockenstellen. Bei den „Wiederholern“ (4 x > 100.000 Zellen) und den „Wechslern“ (<100.000 Zellen/>100.000 Zellen) kommt Redebedarf auf. Bei diesen Kühen lohnt sich eine Therapie. Wie die bei den Neuinfizierten gegebenenfalls aussieht, wird nun geplant.
Bei Informationsbedarf zum Erreger gehen Milchproben ins Labor. Das Beproben verschafft zudem die nötige Kenntnis über den Leitkeim.
Seit einem halben Jahr arbeitet Johannes Holzner in der Mastitis-Therapie ebenfalls selektiv. Der Schnelltest MastDecide und das dazugehörige Diagnose- und Behandlungsschema sind neuer Alltag: Fällt eine eutergesunde Kuh mit einem warmen Viertel oder Flocken auf, wird der Test angesetzt.
„Kürzlich hatte eine Kuh mit 35 Litern leichte Flocken. Beide Tests blieben rosa, kein Erregernachweis“, erzählt er. Sie haben das Viertel zwei Melkzeiten mit Eutersalbe eingerieben und die Flocken waren weg. Früher hätte er die Kuh behandelt, also Milchgeld und Eutertuben „verschenkt“. Ist ein Test nicht eindeutig, schicken sie dem Tierarzt ein Foto und entscheiden gemeinsam.
Ein ideelles Mittel mit großer Wirkung
Johannes Holzner will nicht mehr auf das ideelle Betriebsmittel Struktur verzichten. Zur Ausgangssituation hat sich dadurch die, in Fütterung und Aufwand ‚keep it simple‘ versorgten Fleckviehherde, verbessert. Die Leistung ist von 7.600 kg Milch auf 8.500 kg gestiegen, die Zellzahl von bis zu 300.000 Zellen auf 130.000 bis 180.000 Zellen gesunken.
Traut’s euch!“
Johannes Holzner
Kosteneinsparungen durch das selektive Vorgehen sind schwer auszuwerten: Die Kosten für Beratung steigen, die für Behandlung und Sperrmilch sinken, Zeit und Systematik werden gewonnen. „Ich sag dazu einfach nur ‚Traut’s euch!‘ Zur Bestandsbetreuung und zur selektiven Euterbehandlung“, sagt er.
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