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Zukaufsfärse bringt Mykoplasmen in den Bestand

Kurz nach dem Einzug in den neuen Stall hat Familie Janssen viele Kühe durch einen Mykoplasmen-Ausbruch verloren. Jetzt können sie endlich wieder durchstarten. 

Mit dem Einzug in den neuen Kuhstall im Jahr 2017 sollte die Herde der Janssen GbR von gut 260 auf 480 Kühe wachsen. Nachdem die bestehende Herde umgestallt und das neue 44er-Außenmelker-Karussell erfolgreich eingeweiht wurde, sollte der Bestand mit Zukaufstieren aufgestockt werden, um die neuen Kapazitäten zeitnah zu nutzen. Weil das Angebot an Herdenverkäufen damals sehr gering war und kaum Zeit blieb, um sich Herden in (Ost-)Deutschland anzusehen, haben sich Vater Heinz und Sohn Martin Janssen dazu entschieden, vorerst abgekalbte Färsen über Auktionen einzukaufen. 
Trotz durchgeführter Hygienemaßnahmen haben sie sich schon mit der zweiten Auktion Mykoplasmen-Erreger „eingekauft“ und wurden dadurch für rund drei Monate komplett ausgebremst. 

Infokasten: Was sind Mykoplasmen?

Mykoplasmen-Erreger verursachen vielfältige klinische Symptome im Kuh- und Jungtierstall. Die Infektion einer Milchdrüse mit Mykoplasmen geht mit einer hohen Erregerausscheidung über die Milch einher, sodass sich die Infektion rasant ausbreitet. Da keine sicher wirkende Therapie existiert, kann eine Verbreitung nur durch Separation und Merzung infizierter Kühe verhindert werden. In der Routine-Diagnostik von Milchproben werden Mykoplasmen oft übersehen bzw. ist deren Untersuchung nicht integriert. 

Der neue Boxenlaufstall inklusive Strohbereich und Melkzentrum wurde 2017 neu gebaut. (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Betriebsspiegel

Heinz & Martin Janssen GbR 
| 480 Kühe + weibliche Nachzucht 
| 10.400 kg Milch 
| Futterbau
| 3 Familien-Ak und 3 Fremd-Ak 
| Kalkar (Niederrhein, NRW) 
Die Eutergesundheit hat einen großen Stellenwert für Martin Janssen: „Wir arbeiten konsequent mit Milchproben und selektieren euterkranke Kühe streng aus, um Resistenzen und chronische Eutererkrankungen zu vermeiden. Dazu gehört viel Dokumentation, wofür wir einen Tageskalender nutzen.“ Die Zellzahl der Herde liegt derzeit zwischen 130.000 und 140.000 Zellen pro ml Milch. Konsequente Regeln in der Eutergesundheit und eine maximale Melkhygiene haben Janssens schon vor dem Mykoplasmen-Ausbruch angestrebt, aber danach hat beides noch einmal an Bedeutung gewonnen. 

Ausbreitung in einer Woche 

Um eine Erreger-Einschleppung zu verhindern, sind Martin Janssen und Hoftierarzt Fabian Schleß schon vom ersten Zukauf an so vorgegangen, dass bei allen neuen Tieren 4/4 Gemelksproben entnommen wurden, die sowohl herkömmlich mikrobiologisch auf die typischen Mastitiserreger sowie molekularbiologisch per PCR auf Mykoplasmen untersucht wurden. „Als die Färsen abends angekommen sind, wurden sie direkt im Karussell gemolken. Dort haben wir dann auch die Milchproben genommen. Bis das Ergebnis da war, ca. eine Woche, wurden sie separat im alten Kuhstall gehalten (Quarantäne-Stall) und als letztes gemolken“, erzählt Martin Janssen. Nach der zweiten Auktion lieferte das Labor ein positives Mykoplasmen-Ergebnis einer Färse. „Wir haben das Tier daraufhin umgehend separiert und reklamiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte es den Erreger aber schon verbreitet.“ 
Um die Ausbreitung zu kontrollieren, wurde zuerst eine Tankmilchprobe und anschließend Einzeltierproben der gesamten Herde genommen. Das Ergebnis: 15 Kühe waren bereits mit Mykoplasmen infiziert. Diese Kühe wurden wiederum von der Herde separiert und gesondert gemolken. Ab diesem Zeitpunkt wurden jede Woche Tankmilch- und Einzeltierproben gezogen, um alle infizierten Tiere ausfindig zu machen.

20 % der Herde musste den Bestand verlassen

Herde abstocken statt aufstocken – so lautete nun die Devise für Familie Janssen. „Wir haben den Zukauf sofort gestoppt und jede auffällige Kuh in die Quarantäne-Gruppe umgestallt. Alle positiv getesteten Kühe mussten den Bestand schnellstmöglich verlassen, um die gesunden Kühe zu schützen“, erzählt Janssen weiter. Insgesamt waren letztlich 50 Kühe, zu dem Zeitpunkt also rund 20 % der Herde, betroffen.
Einige Kühe wurden direkt geschlachtet, andere mussten eingeschläfert werden. „Der Mykoplasmen-Stamm war extrem aggressiv, das hat man selten. Von den 50 infizierten Kühen waren fast alle klinisch krank. Viele hatten mindestens eine akute Mastitis, einige hatten zudem schlimme Lungen- oder Gelenksentzündungen und lagen von einem auf den anderen Tag fest. Deshalb mussten wir allein aus Tierschutzgründen einige Tiere einschläfern“, berichtet Tierarzt Fabian Schleß.
Da sich die „Kranken-Gruppe“, in der zum Teil infizierte Kühe untergebracht waren, die unmittelbar mit dem positiven PCR-Ergebnis in den Quarantäne-Stall verbracht wurden, im Nachbarstall zur Frischmelker-Gruppe befand, wurden vermehrt frischmelke Kühe angesteckt. Zudem hat auch die allgemeine Immunschwäche in diesem Laktationsstadium dazu geführt, dass insgesamt größtenteils Frischmelker von Mykoplasmen betroffen waren. Vermutlich wurden einige Kühe auch beim Trockenstellen im Karussell angesteckt, die sich dann nach der Kalbung als positiv herausgestellt haben. Jungtiere waren nicht betroffen.  

Intensive Betreuung durch Tierärzte 

Solange kein weiteres positives Tier mehr dazu gekommen ist, wurden die zeitlichen Abstände der Milchproben schließlich immer größer. Insgesamt hat es rund drei Monate gedauert, bis die Herde wieder vollständig Mykplasmen-frei war. Bis heute wird die Tankmilch der Janssen GbR zur eigenen Sicherzeit einmal im Monat auf Mykoplasmen untersucht. Dabei ist es wichtig, auch die „Kälbermilch“, d.h. die Milch der Kühe, die nicht verkaufsfähig ist, zu beproben. 
Während der Mykoplasmen-Sanierung waren Tierarzt Fabian Schleß sowie seine Kollegen täglich bzw. mehrmals täglich auf dem Betrieb. Zudem wurden der Rindergesundheitsdienst hinzugezogen und das Veterinäramt informiert. „Es ist immer gut, wenn mehrere Personen mitarbeiten und verschiedene Sichtweisen einfließen, um die Situation in den Griff zu bekommen und jegliche Risiken auszuschalten“, sagt Fabian Schleß. Die Zusammenarbeit mit dem Rindergesundheitsdienst war auch wichtig, um ein Gutachten für die Versicherung zu erstellen. Achtung: Da Mykoplasmen nicht zu den anzeigepflichtigen Tierseuchen zählen, übernimmt die Tierseuchenkasse keine Haftung, sondern nur eine entsprechende Ertragsschadensversicherung. 

Zukauf heute nur noch ab Hof 

Neben dem wirtschaftlichen Verlust war der Sanierungsprozess auch psychisch sehr belastend. „Dass so etwas genau in der Anfangszeit im neuen Stall passiert ist, wo man eigentlich motiviert ist und versucht, alles richtig zu machen, war wirklich schlimm“, schildert Martin Janssen. „Vor allem der Verlust der eigenen Tiere ist sehr emotional. An einem Tag wurden hier über zehn Kühe eingeschläfert. Ich habe höchsten Respekt vor Betrieben, die aufgrund von BHV1 ihre gesamte Herde verlieren.“
Der Mykoplasmen-Ausbruch hat unserem Betrieb mindestens ein Jahr Weiterentwicklung gekostet. 
Martin Janssen
Um sich in Zukunft so gut es geht vor Seucheneinbrüchen zu schützen und die Eutergesundheit der Herde zu stärken, setzen sie seit der Sanierung auf diese Maßnahmen: 
  • Melkhygiene: Gemeinsam mit der Tierarztpraxis und dem Rindergesundheitsdienst haben sie die Melkarbeit und die Melkhygiene noch einmal optimiert. Bis heute desinfizieren sich beide Melker nach jeder Kuh die Hände in einer Peressigsäure-Lösung. 
  • Mastitis-Gruppe: An einer Außenseite des Kuhstalls wurde ein separater Strohstall mit Selektionstor zum Karussell eingerichtet, in den konsequent alle „Mastitis-Kühe“ einsortiert werden. Das meint alle Kühe, die in Euterbehandlung stehen oder akut beim Melken auffallen. 
  • Zukauf ab Hof: Um eine Erreger-Einschleppung durch zugekaufte Tiere zu vermeiden, werden Färsen nur noch ab Hof zugekauft, wenn möglich mehrere aus einem Stall. So können die Milchproben im Vorbesitzer-Stall genommen werden, um nur gesunde Tiere einzustallen. Werden hochtragende Tiere zugekauft, wird unmittelbar nach der Kalbung die erste Milchprobe genommen. 

Ab diesem Jahr zieht Familie Janssen wieder die eigene Nachzucht auf. „Wir sind mit der eigenen Nachzucht sehr zufrieden und der Zukauf ist immer Glückssache“, meint Martin Janssen. (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck )

Zusammenhalt gibt neue Motivation 

„Der Familienzusammenhalt und dass alle die ganze Zeit an einem Strang gezogen haben, hat geholfen, wieder neue Motivation zu finden“, sind sich Martin Janssen und Fabian Schleß einig. Nach dem dramatischen Mykoplasmen-Ausbruch und gleichzeitig drei sehr trockenen Jahren mit Futtermangel kann die Familie nun wieder nach vorne gucken. „Seit wir im neuen Stall sind, macht es in diesem Jahr zum ersten Mal richtig Spaß. Endlich können wir etwas aufatmen“, freut sich Martin Janssen. 
Nach dem Mykoplasmen-Ausbruch und drei Dürre-Jahren können wir endlich aufatmen und haben wieder Spaß an der Arbeit. 
Martin Janssen
Trotzdem haben sie noch einiges vor: „Wir haben den Kuhstall mehr oder weniger auf der grünen Wiese gebaut und bestehende Fahrsilos abgerissen. Deshalb müssen wir noch viel machen wie beispielsweise neue Fahrsilos und einen Güllebehälter bauen sowie die Kälberställe optimieren.“ Zudem möchten sie die Milchleistung und vor allem die Abgangsleistung der Kühe weiter steigern. Wenn sie ausreichend Mitarbeiter finden, könnte sich Martin Janssen auch vorstellen, die Kühe zukünftig dreimal täglich zu melken. 

Zurück zur eigenen Aufzucht 

Eine Veränderung, für die sich die Familie Janssen in diesem Jahr unabhängig vom Mykoplasmen-Ausbruch entschieden hat, ist es, wieder die eigene Nachzucht aufzuziehen. Aufgrund der teuren Gülle-Abgabe und Futtermangel hatten sie sich vor einiger Zeit von der Aufzucht getrennt und Färsen zur Remontierung zugekauft. „In diesem Jahr hat sich alles gedreht. Gülle ist wieder etwas wert, wir haben ausreichend Futter und Stallplatz ist ohnehin vorhanden“, erklärt Heinz Janssen. Deshalb setzen sie ab jetzt nur noch bei 50 bis 60 % der Kühe Fleischrassen ein und besamen die übrigen Kühe sowie alle Jungrinder mit weiblich gesextem Holsteinsperma. Die Besamungserfolge sind seitdem nicht schlechter geworden. „Wir sind mit der eigenen Nachzucht sehr zufrieden und der Zukauf ist immer Glückssache“, meint Martin Janssen. Auch seine Mutter Lucia Janssen ist überzeugt: „Zugekaufte Tiere verlassen den Bestand oft früher als die eigenen, weil irgendetwas nicht passt.“ 
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