Mykoplasmen zählen zu den besonders ansteckenden Krankheitserregern im Rinderbereich, gelten aber nicht als anzeigepflichtige Tierseuche. Durch ihr sehr hohes Ausbreitungspotenzial und eine begrenzte Therapierbarkeit können Mykoplasmen-Ausbrüche zu großen wirtschaftlichen Verlusten führen und haben in der Milchkuhhaltung deshalb eine große Bedeutung.
Tierarzt Fabian Schleß erklärt im Interview, worauf es ankommt, um den eigenen Bestand vor Mykoplasmen zu schützen bzw. eine...
Mykoplasmen zählen zu den besonders ansteckenden Krankheitserregern im Rinderbereich, gelten aber nicht als anzeigepflichtige Tierseuche. Durch ihr sehr hohes Ausbreitungspotenzial und eine begrenzte Therapierbarkeit können Mykoplasmen-Ausbrüche zu großen wirtschaftlichen Verlusten führen und haben in der Milchkuhhaltung deshalb eine große Bedeutung.
Tierarzt Fabian Schleß erklärt im Interview, worauf es ankommt, um den eigenen Bestand vor Mykoplasmen zu schützen bzw. eine infizierte Herde zu sanieren.
Was ist macht Mykoplasmen im Milchkuhbestand so gefährlich?
Mykoplasmen bleiben in der bakteriologischen Routine-Diagnostik oft unentdeckt oder werden erst im späteren Verlauf eines Infektionsgeschehen innerhalb einer Herde nachgewiesen. Außerdem gibt es subklinische Fälle, bei denen betroffene Kühe keine Symptome zeigen (evtl. mal erhöhte somatische Zellgehalte), jedoch den Erreger in sich tragen und an andere bislang gesunde Tiere weitergeben. Mykoplasmen sind hoch ansteckend über die Milch. Kleinste Mengen (ein Tropfen) reichen aus, um mehrere Tiere anzustecken. Hinzukommt, dass Mykoplasmen nur sehr schwer therapierbar sind (Antibiotika zeigen nahezu keine Wirkung).
Welche Symptome deuten auf Mykoplasmen hin?
Bei subklinischen Formen weisen infizierte Tiere kein Krankheitsbild oder lediglich erhöhte Zellgehalte auf. Zum Teil treten milde Mastitiden mit Flocken auf, die auch wieder verschwinden oder es bilden sich Knoten im Drüsengewebe des Euters. Die klinischen Symptome reichen von geschwollenen Eutervierteln, flockigem und gelb-grünlichem Sekret über eine rapide sinkende Milchleistung bis zu hohem Fieber. Antibiotische Tuben, die normalerweise im Bestand anschlagen, zeigen keine Wirkung. Teilweise tritt eine augenscheinliche Selbstheilung ein, der kurze Zeit später ein weiteres infiziertes Euterviertel folgt.
Die Infektionen springen oft von Viertel zu Viertel (in der Regel durch den Melkprozess) und stellen ein langfristiges Problem dar. Zudem können sich die Erreger auch auf andere Organe ausbreiten und schwere Lungen-, Gelenks- oder Augenentzündungen sowie Reproduktionsstörungen verursachen. Treten die verschiedenen Symptome vermehrt auf, deutet das auf ein Bestandsproblem hin.
Wie diagnostiziert man Mykoplasmen?
Die klassische Untersuchungsmethode einer kulturellen Anzucht auf speziellen Nährböden dauern lange. Bis ein abschließendes Ergebnis vorliegt, kann es bis zu 14 Tage dauern. Das Mittel der Wahl ist deshalb die Molekularbiologische Untersuchung mittels PCR. Vorteile des PCR-Tests sind, dass das Ergebnis innerhalb von einem Tag vorliegt, es kostengünstig ist und die Untersuchung von Poolproben möglich sind (sowohl auf Einzeltierebene als auch Pools aus mehreren Kühen bis hin zur Tankmilchuntersuchung).
Welche Möglichkeiten gibt es, den Infektionsstatus im Bestand zu erfassen?
Zuerst sollte die Tankmilch mittels PCR-Test untersucht werden. Bei einem positiven Ergebnis erfolgt eine Gesamtherdenuntersuchung (ggf. 4/4 Proben pro Kuh als Pool, dann in 10er Pools nach Zellzahlklassen). Bei allen positiven Pools erfolgt wiederum eine Viertelgemelksuntersuchung von Einzeltieren. Der CT-Wert der PCR-Untersuchung gibt einen Hinweis auf die Höhe der Erregerausscheidung.
Wie verbreiten sich Mykoplasmen im Bestand?
Das größte Infektionsrisiko geht vom Melkprozess aus. Milch ist das Erregerreservoir Nr. 1. Risiken bestehen deshalb, wenn Kühe Milch laufen lassen, Melkerhände von Tier zu Tier gehen (trotz Handschuhen) oder Melkzeuge Erreger verbreiten. Auch das Vertränken von „infizierter“ Milch an Tränkekälber kann die Mykoplasmen innerhalb des Bestandes auf die nachfolgenden Generationen übertragen. Dabei nehmen die Kälber die Erreger mit der Milch auf, können selbst erkranken und die Erreger ausscheiden, wenn sie zum ersten Mal abkalben.
Was gilt, wenn nur Einzeltiere betroffen sind?
Betroffene Einzeltiere sollten umgehend separiert und zum Schluss gemolken werden. Langfristig dürfen diese Kühe nicht mehr besamt und bei nächster Gelegenheit gemerzt werden. Achtung: Es liegt immer an dem Ausmaß der Infektion, ob eine Schlachtung oder eine Separation wirtschaftlich sinnvoller ist. Wenn es wirklich nur einzelne Tiere sind, sollte man sie unverzüglich aus dem Bestand entfernen, weil auch bei bester Hygiene und Vorsicht weiterhin ein Restrisiko besteht, andere Tiere anzustecken.
Eine gründliche Diagnostik sorgt dafür, alle positiven Tiere zu detektieren und das Ausmaß einzugrenzen. Eine Gruppenbildung ist je nach Herdengröße möglich (Mykoplasmen-Gruppe und „gesunde“ Gruppe). Die wichtigste Bekämpfungsstrategie ist die Vermeidung von Neuinfektionen der Milchdrüsen durch die Identifizierung und Entfernung infizierter Tiere aus der Herde und eine überdurchschnittlich gute Melkhygiene.
Wie lange dauert es, bis ein Bestand wieder frei von Mykoplasmen ist?
Nach unseren Erfahrungen dauert eine Sanierung je nach Ausmaß und Betriebsgröße zwischen sechs und zwölf Wochen. Die Dauer des Sanierungsprozesses hängt von folgenden Maßnahmen ab: konsequente Diagnostik mit entsprechenden Folgen (Stichwort Merzung); einwandfreie und konsequente Einhaltung aller melkhygienischer Aspekte; konsequente Beprobung von Zukaufstieren.
Kann ein Mykoplasmen-Ausbruch zu einer Immunisierung führen?
Ist ein Bestand zum großen Teil durchseucht, kommt es meistens nach wenigen Wochen zu einer Selbstlimitierung der Infektionen. Das heißt, dass man mehr oder weniger mit dem Erreger lebt sich die Anzahl klinischer Mastititden durch Mykoplasmen deutlich reduziert. Einzeltiere sollten auch in diesem Fall selektiert und schließlich gemerzt werden.
Was sind Risikofaktoren für die Einschleppung und für die Verbreitung?
Die Einschleppung in einen bislang freien Bestand erfolgt in der Regel immer über den Zukauf von Tieren. Die Verbreitung von Mykoplasmen im Bestand lässt sich oft auf eine unzureichende Melkhygiene (keine Verwendung vom Vormelkbecher, keine Händedesinfektion zwischen den Kühen, keine Zwischendesinfektion der Melkzeuge zwischen zwei Kühen), eine insgesamt unzureichende Eutergesundheit, mangelhafte Mastitisdiagnostik sowie insgesamt eine unzureichende innerbetriebliche Biosicherheit zurückführen.
Wie sollten Milcherzeuger vorgehen, die regelmäßig Tiere zukaufen?
Vor dem Zukauf sollte jedes Tier (auf allen vier Vierteln ) per Milchprobe und PCR auf Mykoplasmen untersucht werden. Entweder im Herkunftsbetrieb, sodass das Tier nach negativem Ergebnis eingestallt wird oder mit dem Einstallen, wenn das Tier bis zum Ergebnis ausschließlich in Quarantäne gehalten und zum Schluss gemolken wird. Werden tragende Färsen zugekauft, sollten diese unmittelbar nach der Abkalbung beprobt werden (PCR, Kolostrum-Probe ist möglich) und wiederum bis zur Vorlage der Ergebnisse in Quarantäne gehalten und als letztes gemolken werden.
Kurz nach dem Einzug in den neuen Stall hat Familie Janssen viele Kühe durch einen Mykoplasmen-Ausbruch verloren. Jetzt können sie endlich wieder durchstarten.
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