Fragt man Verbraucher, dann wünschen die sich einen kompletten Verzicht von Antibiotika und Hormonen in Nutztierbeständen. Sie fürchten einerseits über den Konsum von Milch und Fleisch Restmengen der Arzneimittel aufzunehmen und andererseits wollen sie auch den Tieren diese Therapien ersparen. Fakt ist aber, dass Hormone wie PG und GnRh, die zur Brunstinduktion eingesetzt werden, innerhalb von 24 Stunden im Körper abgebaut werden und nicht mehr nachweisbar sind.
Fragt man Verbraucher, dann wünschen die sich einen kompletten Verzicht von Antibiotika und Hormonen in Nutztierbeständen. Sie fürchten einerseits über den Konsum von Milch und Fleisch Restmengen der Arzneimittel aufzunehmen und andererseits wollen sie auch den Tieren diese Therapien ersparen. Fakt ist aber, dass Hormone wie PG und GnRh, die zur Brunstinduktion eingesetzt werden, innerhalb von 24 Stunden im Körper abgebaut werden und nicht mehr nachweisbar sind.
Bei der Anwendung von Antibiotika gilt, dass es eine produktbezogene Wartezeit auf Milch und Fleisch gibt, die sicherstellt, dass keine Restmengen von Antibiotika in die Lebensmittelkette gelangen. Die Umsetzung in die Praxis wird streng kontrolliert. Bei Milch kann man guten Gewissens sagen, dass es das am besten kontrollierte Lebensmittel ist. Denn antibiotische Rückstände in der Milch stehen der Weiterverarbeitung (Joghurt, Käse) in den Molkereien im Wege.
Basisbehandlung sichern
Ganz auf Antibiotika und Hormone in der Milchkuhhaltung zu verzichten, würde zu längeren, schwereren Krankheitsverläufen, höheren Abgangsraten und mehr Tierleid führen. Krankheitserreger würden sich schleichend ausbreiten und Zoonosen (auf Menschen übertragbare Krankheiten) würden sich verbreiten. Ersteres kann man z.B. in einigen Biobetrieben sehen, die ganz auf den Antibiotikaeinsatz verzichten. In so einem Betrieb kann man unter Umständen einen linearen Zellzahlanstieg (aufgrund einer S. aureus Infektion) beobachten. Nach ein paar Jahren sind fast alle Kühe der Herde infiziert und das Zellzahlproblem nur noch durch Schlachten zu lösen.
Die antibiotische Basisversorgung muss schon aus Tierschutzgründen immer gewährleistet sein. Alles anderen wäre ein Rückschritt in das vorantibiotische Zeitalter (vor 1942), in den kleinere Infektionen nicht eindämmbar waren und tödlich endeten.
Ein Zurück in das vorantibiotische Zeitalter schadet den Tieren!
Prof. Volker Krömker, Universität Kopenhagen
In Zukunft noch weniger
Ab 2023 gilt im Rahmen des Antibiotika-Monitorings die Verbrauchsmengenerfassung für Antibiotika auch für Milchkuhbestände. Dann sind Landwirte oder von ihnen beauftragte Tierärzte verpflichtet, Menge und Art des Arzneimittels und Behandlungstage über die HIT-Datenbank zu melden. Wie in Mastbetrieben werden die Betriebe dann miteinander verglichen und die Betriebe mit den höchsten Einsatzmengen von Antibiotika müssen nachweisen, dass sie aktiv Maßnahmen zur Reduktion ergriffen haben. Das wird zu einer weiteren Reduktion des Antibiotikaeinsatze führen.
1000 Tonnen weniger Antibiotika
Natürlich ist es sinnvoll, den Arzneimitteleinsatz auf das Mindestmaß des medizinisch sinnvollen zu reduzieren, denn weniger Therapien bedeutet gesündere Kühe und Kälber, die ihr Leistungspotenzial voll ausschöpfen können und ein geringeres Risiko, dass Mensch und Tier resistent gegen Antibiotische Wirkstoffe werden. Bei den Antibiotika-Abgabemengen konnte in den letzten 10 Jahren schon ein beeindruckender Rückgang verzeichnet werden. So ist der Antibiotikaeinsatz in Nutztierbeständen von 1700 Tonnen (2011) auf 670 Tonnen (2020) zurückgegangen (minus 60 %). Besonders deutlich ist der Rückgang der sogenannten Reserveantibiotika (Fluorchinolone, Cephalosporine 3. u. 4. Generation). Außerdem sind besonders kritisch eingestufte Substanzen (Colistin, Makrolide) in den letzten 10 Jahren um 75% zurückgegangen.
Antibiotika Abgabe Mengen
Dieser Rückgang ist deutlich sichtbar in Tierärztliche Hausapotheken, in denen man Reserveantibiotika suchen muss und einfaches Penicillin zunehmend in der ersten Regalreihe steht.
Wir setzen fast gar keine Reserveantibiotika mehr ein!
Praxisinhaber Falk Mühe, Tierarztpraxis Ottersberg
Früher hat man Excenel (Cephalosporine 3. Generation) gespritzt und einfach weitergemolken (0 Tage Wartezeit Milch), heute greift man zu Penicillin oder Amoxicillin und muss längerer Wartezeiten (6 Tage) in Kauf nehmen. Darum ist es dem Tierarzt die Prophylaxe so wichtig, um den wirtschaftlichen Verlust durch die Sperrmilch gering zu halten. Die Lösung für viele Krankheiten sehen wir in der Managementberatung. Denn jede Kuh, die man in Brunst sieht, muss man nicht anspritzen und wer das Vorgemelk in den Becher und nicht auf den Boden melkt, schützt seine Kühe vor Ansteckung und spart Eutertuben.
Aktivitätsmessung anstatt Hormone
Der Hormoneinsatz wird im Gegensatz zu den Antibiotika noch nicht überwacht. Umfangreiche Hormonprogramme (PraeSynch, OvSynch, Cosynch,…) wie man es aus den USA kennt, haben sich in Deutschland von Anfang an nicht gut etabliert. Sie reduzieren sich zunehmend auf ein einfaches OvSynch bei einer stillbrünstigen Kuh oder der Einsatz von Progesteron bei Zystenproblemen. Die zunehmende Verbreitung von Aktivitäts- und Wiederkaumessgeräten werden in Zukunft systematische Hormonprotokolle weiter verdrängen.
Antibiotika gezielt einsetzen
Doch da geht noch mehr: Jeder weiß, wer Krankheiten verhindern will, muss Kühe artgerecht halten, passend zum Laktationsstadium füttern und in Prophylaxe investieren. Wer Kälber frühzeitig gegen Grippe impft, braucht weniger Antibiotika zur Therapie der Lungenentzündung. Wer den Kalziumstoffwechsel der Kuh rund um die Kalbung stabilisiert, hat weniger Tiere, die wegen Nachgeburtsverhalten, Metritis und späterer Endometritis eine antibiotische Therapie brauchen. Das größte Einsparpotenzial für Antibiotika liegt im Bereich der Euterbehandlungen, denn hier werden die meisten Antibiotika verbraucht. Bis zu 50% weniger antibiotische Eutertuben wären nötig, wenn man
- selektiv trockengestellt würde, d.h. alle Tiere bekommen einen Zitzenversiegler und nur im Schalmtest auffällige vorab ein Antibiotikum in alle vier Vierteln oder nur in das infizierte Viertel.
- nur therapiewürdige Tiere behandelt.
Nicht therapiewürdig sind Kühe, die schon zweimal eine Mastitis in der Laktation zeigten oder dreimal mehr als 700.000 Zellen/ml Milch in der Milchkontrolle hatten. Sie bekommen zur Symptomlinderung aus Tierschutzgründen einen Entzündungshemmer, aber kein Antibiotikum.
- Nur die akuten Mastitiden mit Gram-positiven Erreger werden behandelt.
Mithilfe eines Schnelltests (Mastdecide) wird zwischen zwei Melkzeiten entschieden, ob ein behandlungsbedürftige Erreger vorliegt. Die durch Vordiagnostik erkannte Kuh bekommt neben einem Entzündungshemmer, den alle Kühe mit klinischen Symptomen bekommen, als einzige ein Antibiotikum.
Die genannten Punkte sind wissenschaftlich untersucht und wirksam. Das selektive Trockenstellen ist sogar verpflichtend (TAMG) und setzt sich zunehmend in den Betrieben durch. Im europäischen Vergleich allerdings etwas schleppend. Hier fehlt es noch an Umsetzungsdynamik.
Extreme Klimaaktivisten fordern die Abschaffung der Nutztierhaltung. Dabei kommen wir mit anderen Maßnahmen effizienter ans Ziel. Und zwar ohne die Lebensmittelversorgung zu gefährden.
Für mehr Tierwohl wünschen sich Verbraucher weidende Kühe und keine Trennung von Kuh und Kalb. Wie realistisch ist diese Zukunftsvorstellung?
Die Produktion von Milch verbraucht Ressourcen. Wie realistisch sind Einsparmöglichkeiten bei Wasser, Kraftstoff und Strom?