Eine warme und im Fesselbereich geschwollene Klaue sehen Klauenpfleger und Berater vor allem im Süden der Republik nach heißen Sommern etwas öfter als sonst. „Seit dem Frühherbst hören wir häufiger von „dicken“ Beinen“, sagt Hans-Joachim Häßler, Milcherzeugerberater beim Maschinenring Tuttlingen-Stockach.
Klauenpfleger und Tierärzte können das bestätigen. Vor allem Rinder und Färsen kurz vor der Kalbung, aber auch Mehrkalbskühe seien betroffen. „Die Tiere laufen morgens noch...
Eine warme und im Fesselbereich geschwollene Klaue sehen Klauenpfleger und Berater vor allem im Süden der Republik nach heißen Sommern etwas öfter als sonst. „Seit dem Frühherbst hören wir häufiger von „dicken“ Beinen“, sagt Hans-Joachim Häßler, Milcherzeugerberater beim Maschinenring Tuttlingen-Stockach.
Klauenpfleger und Tierärzte können das bestätigen. Vor allem Rinder und Färsen kurz vor der Kalbung, aber auch Mehrkalbskühe seien betroffen. „Die Tiere laufen morgens noch gut und stehen abends vor Schmerzen nicht mehr auf“, berichtet Dr. Christoph Ganal aus Weingarten.
Wenn in einem Betrieb Panaritium auftritt, dann meist geballt bei mehreren Tieren.
Dr. Christoph Ganal, Tierklinik Weingarten
Von einem generellen Trend zu mehr Panaritium will der Tierarzt aber derzeit nicht sprechen. Es handele sich vielmehr um ein zyklisches Geschehen, das nach einer stabilen Phase immer wieder in Form von akuten Fällen auftreten könne. „Wenn in einem Betrieb Panaritium auftritt, dann meist geballt bei mehreren Tieren, weil es sich um eine ansteckende Krankheit handelt“, so Dr. Ganal. Nach zwei bis drei Wochen sei dann bis zu einer nächsten Welle auch wieder Ruhe.
Mögliche Ursachen
Die Ursachen für dieses auch als bakterielles Zwischenklauen-Phlegmon bezeichnete Krankheitsgeschehen sind vielfach multifaktoriell.
- Trockenheit und Weidegang: In trockenen Jahren wird die Haut im Saumbereich und Zwischenklauenspalt oft sehr trocken, spröde und rissig. In diese Mikroläsionen können dann – bei wieder etwas feuchterem Milieu – leicht Erreger eindringen, sich vermehren und schnell im Bestand ausbreiten. Häufig betroffen seien Jungrinder, die z.B. nach einer trockenen Weidesaison mit rissiger Haut in den Stall kommen und dort möglicherweise mit einem hohen Erregerdruck konfrontiert sind. „Könnte der nasse Herbst nach dem trockenen Sommer den Erregerdruck zum Explodieren gebracht haben?“ vermutet auch Berater Häßler.
- Zu späte Erkennung: Vielfach werden Infektionen im Zwischenklauenspalt auch zu spät erkannt. Vor allem wenn Betriebe auf eine regelmäßige Klauenpflege -insbesondere bei den Rindern – verzichten, meint Tierarzt Dr. Sebastian Dettmer aus Donaueschingen. „Häufig kommen die Tiere erst als Färse vor der Abkalbung zum ersten Mal in den Klauenstand.“ Wird das Problem aber zu spät erkannt, sind bei einem aggressiven Keim durchaus auch Abgänge möglich.
- Schlechte Laufgänge: Sein Berufskollege Tierarzt Falk Mühe von der Tierarztpraxis Ottersberg sieht als mögliche Ursachen auch schlecht gepflegte Laufgänge oder eine zu feste, kalkreiche Einstreu an. „Festgesetzte Einstreupartikel oder Technopathien können im Zwischenklauenspalt zu Verletzungen führen.“ In diese offenen Wunden könnten sich wiederum schnell Erreger setzen und vermehren.
- Azidotische Fütterung: Möglich sei nach Meinung der Tierärzte auch ein zu aggressiv eingestelltes Klauenbad oder eine etwas zu azidotische bzw. zu proteinreiche Fütterung: „Dadurch wird das gesamte Immunsystem der Kuh gestört, und damit auch das der Haut. Sie wird insgesamt anfälliger für Erkrankungen“, erklärt Mühe.
Zweistufige Therapie möglich
In akuten Fällen mit starker Schwellung empfiehlt Mühe den Ausschnitt der betroffenen Klauen, einen Verband und eine antibiotische Behandlung in Kombination mit einem Entzündungshemmer (Ketoprofen). In der Regel reiche laut Dr. Ganal hier ein normales Penicillin aus. „Ein normales Penicillin ist wirksam und günstig. Damit bekommt man das Problem meist gut in den Griff.“
Viele betroffene Milcherzeuger wünschen sich hierbei – wie in der Vergangenheit – den Einsatz eines Antibiotikums ohne Wartezeit (Excenel). Doch da diese Präparate als Reserve-Antibiotika gelten, ist ihr Einsatz nicht zugelassen.
Eine zu feste Einstreu oder schlecht gepflegte Laufgänge können Ursachen für Panaritium sein.
Dr. Falk Mühe, Tierarztpraxis Ottersberg
Im Frühstadium der Infektion könnten laut Dr. Ganal auch der Einsatz von phytotherapeutischen Präparaten, wie z.B. Spinnengift oder Enzympräparate, reichen. In sehr leichten Fällen kann nach Auskunft der Tierärzte unter Umständen auch nur ein Entzündungshemmer zur Heilung führen.
Wie vorbeugen?
Ein Auge und mehr Sensibilität für lahme Kühe ist denn auch eine der wichtigsten Vorbeugemaßnahmen gegen Panaritium. Da sind sich die befragten Tierärzte einig. Dr. Christoph Ganal: „Vor allem die Jungrinder sollte man im Auge haben und öfter durch den Stall gehen.“ Genauso ist eine regelmäßige funktionelle Klauenpflege vor allem auch bei den Rindern und Färsen zur Vorbeugung unverzichtbar. Dr. Dettmer: „Wir müssen bei der Klauenpflege komplett umdenken und die Tiere drei- bis viermal im Jahr schneiden. Und Rinder sollten ab 350 kg in den Klauenstand, spätestens aber beim 1. Weidegang.“
Eine wichtige vorbeugende Rolle spielen außerdem die Besatzdichte im Stall – also keine Überbelegung – sowie eine gute Hygiene. An der Stalleinrichtung sollten keinerlei Verletzungsgefahren wie Kanten bestehen. Der Lauf- und Liegekomfort ist zu optimieren. Außerdem brauchen auch die Jungtiere ausreichend Platz: „Wenn Jungkühe in einem beengten Stall aufwachsen, können sie sich hinterher im großen Kuhstall richtiggehend „wundlaufen“. Dann kommt es zur Reizung der Haut im Zwischenklauenspalt mit der Folge, dass Erreger eindringen können“, hat Hans-Joachim Häßler vom MR Tuttlingen-Stockach beobachtet. Nicht zuletzt sollten Betriebe, die vermehrte Panaritium-Fälle aufweisen, ihre Fütterung überprüfen.
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