Die Klauen tragen die Milch. In der Praxis ist auf vielen Betrieben bei der Klauenpflege aber noch Luft nach oben. Warum? Und wie kann es sich bessern? Das wurde bei der Podiumsdiskussion „Boxenstopp Klauenpflege – das Fundament für lebenslange Leistung?“ des Landwirtschaftlichen Bildungszentrum Echem diskutiert. Vier wesentliche Punkte haben sich als erfolgsbringend für eine optimale Klauenpflege herauskristallisiert.
1. Intervall- statt Herdenschnitt
Teil der Diskussionsrunde war...
Die Klauen tragen die Milch. In der Praxis ist auf vielen Betrieben bei der Klauenpflege aber noch Luft nach oben. Warum? Und wie kann es sich bessern? Das wurde bei der Podiumsdiskussion „Boxenstopp Klauenpflege – das Fundament für lebenslange Leistung?“ des Landwirtschaftlichen Bildungszentrum Echem diskutiert. Vier wesentliche Punkte haben sich als erfolgsbringend für eine optimale Klauenpflege herauskristallisiert.
1. Intervall- statt Herdenschnitt
Teil der Diskussionsrunde war Frank Cordes. Er ist Betriebsleiter des
Milchhof Reeßum mit rund 760 Milchkühen. Sein Motto: „Jede Kuh muss gehen können.“ Dafür wird auf dem Hof viel getan. Dreimal pro Laktation werden den Kühen die Klauen geschnitten. Tierarzt und gelernter Klauenpfleger Christoph Meis lobt das Konzept. „Bei einem Intervallschnitt sieht man Veränderungen im Jahresverlauf besser, kann sie zuordnen und Tiergruppen vergleichen.“ In der Praxis hat er die Erfahrung gemacht, dass die tierindividuelle Klauenpflege nach Laktationsstadium der Schlüssel zum Erfolg ist.
Der Weg vom Herden- zum Intervallschnitt ist der Schlüssel zum Erfolg.
Christoph Meis
Das sagt die Wissenschaft:
Auch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass ein angepasster Herdenschnitt zu bestimmten Zeitpunkten in der Laktation besser für die Klauengesundheit ist. Beispielsweise ist die Gefahr, dass Kühe in der nächsten Laktation ein Sohlengeschwür bekommen um 20 % reduziert, wenn sie zum Trockenstellen die Klauen geschnitten bekommen. Das ist das Ergebnis einer Studie von dänischen Wissenschaftlern aus dem Jahr 2019. Der Klauenschnitt bei tragenden Kühen sollte allerdings besonders ruhig durchgeführt werden. Stress und Schmerz erhöhen das Abortrisiko. Je näher die Kalbung rückt, desto höher ist die Gefahr einer Fehlgeburt.
Intervallschnitt in kleinen Herden organisieren?
Das ein Intervallschnitt nicht auf allen Betrieben umsetzbar ist, weiß Klauenpflegerin Katharina Hoffelner. Sie betreibt gemeinsam mit ihrem Vater die Klauenpflegepraxis „Klauenpflege mit Herz“ in Österreich und betreut vorwiegend kleine Herden. Dort werden noch Herdenschnitte in abgesprochenen Abständen durchgeführt – ganz egal in welchem Laktationsstadium die Kuh gerade ist. „Für die Kuh wäre es aber optimal an die Laktation angepasst“, sagt sie.
„Eine Möglichkeit ist es, Schnitttage mit Nachbarbetrieben abzusprechen, damit sich die Anfahrt lohnt.“ Wie eine Umstellung auf kuhindividuelle Klauenpflege gelingt, kann gemeinsam mit Tierarzt, Landwirt und Klauenpfleger erarbeitet werden. Wenn alle an einem Strang ziehen, lässt sich für jeden Betrieb ein passendes Konzept finden.
Hier finden Sie detaillierte Infos für den Umstieg:
Eine am Bedarf der Einzelkuh ausgerichtete Klauenpflege kann Lahmheiten besser vorbeugen als ein Herdenschnitt alle fünf Monate. So kann der Umstieg gelingen.
2. Nulltoleranz bei Lahmheiten
„Klauenpflege ist kein Hexenwerk“, betont Christoph Meis. Ein konsequentes System für die Pflege und wesentliche Punkte beherzigen, ist das Erfolgsrezept. Dazu gehört für ihn eine Nulltoleranz bei Lahmheiten. Keine Kuh darf lahm sein. Klar können akute Fälle auftreten, aber die müssen sofort behandelt werden.
„Wenn man die Landwirte fragt, hat ja niemand lahme Kühe“, erzählt Frank Cordes. Das sei ein Stück weit die eigene Betriebsblindheit. „Wann zählt man die Kuh als auffällig? Wenn sie nur noch auf drei Beinen läuft oder wenn sie einen leicht krummen Rücken hat?“ Gerade der
erste Lahmheitsscore fällt oftmals nicht auf, wenn es schon zur Gewohnheit geworden ist. Da stimmt Ulrich Böckmann, der bei der Masterrind tätig ist, zu. Das liege auch daran, dass die Sensibilitäten unterschiedlich sind. „Nicht jeder Mensch ist gleich talentiert dafür lahme Kühe zu erkennen“, erzählt er. Dafür gebe es heutzutage aber
technische Möglichkeiten, um Lahmheiten zu detektieren.
Prävention statt Härtefälle
Bei Frank Cordes auf dem Betrieb hat der Tierarzt lange Zeit im Zuge eines Projektes den Locomotion Score wöchentlich bewertet. 98 % seiner Kühe sind völlig unauffällig. Das gute Ergebnis kommt auch daher, dass lahme Kühe für ihn ein zu großes Risiko für Folgeerkrankungen tragen „Lahme Kühe werden bei uns sofort behandelt – auch am Sonntag.“
Wir haben die Tiere in unserer Obhut und damit die Verantwortung, dass es ihnen gut geht. Das leben wir jeden Tag.
Frank Cordes
Katharina Hoffelner wünscht sich ebenfalls mehr präventive Klauenpflege auf den Milchkuhbetrieben. „Das man nicht immer hintendran ist und mit Härtefällen kämpft“, argumentiert sie. Das nehme die Lust an der Pflege. „Hat man die Klauen durch vorbeugende Maßnahmen im Griff, kann die routinemäßige Klauenpflege viel Spaß machen.“
Beim Melken lahme Kühe notieren
Gerade im Melkstand hat man einen super Blick auf die Klauen: wenn sie zum Melken gehen, wenn sie den Melkstand verlassen und das zwei bis dreimal am Tag. Bei Frank Cordes notieren die Melkenden daher lahme Kühe, die ihnen auffallen und geben die Liste an die Herdenmanager weiter.
3. Arbeitsplatz verbessern und Spaß an der Klauenpflege
Für mehr Spaß bei der Arbeit sorgt auch ein guter Arbeitsplatz. Bei Frank Cordes kümmern sich drei eigene Mitarbeiter um die Klauenpflege. Um ihnen die Arbeit so angenehm wie möglich zu gestalten, hat er folgende Maßnahmen vorgenommen:
- Hydraulischer, fest installierter Klauenstand für eine körperliche Entlastung
- Digitale Dokumentation: Einfache Eingabe der Daten durch einen Touchscreen
- Radio sorgt für Unterhaltung
Wenn sich der Erfolg bei der Klauenpflege einstellt, dann macht die Arbeit Spaß.
Frank Cordes
Tipp: Auszubildene beim Tierarzt mitfahren lassen
Frank Cordes lässt seine Auszubildenen neben der Klauenpflegeschulung in Echem ein paar Tage bei seinem Tierarzt mitfahren. Sie schauen ihm bei der Arbeit über die Schulter, sehen andere Betriebe und lernen die Probleme aus einem anderen Blickwinkel kennen.
4. Alles dokumentieren
„Es geht keine Klauenpflege ohne Dokumentation.“ Für Christoph Meis müssen Daten erfasst und auswertbar sein. Nur so können Problemstellen gefunden und behoben werden. Dazu gehört es auch kleine Befunde, wie zum Beispiel Weiße -Linie-Defekte, die geringgradig sind und nicht zu einer Lahmheit führen, zu dokumentieren. „Viele Landwirte brauchen es einfach schwarz auf weiß, um den Zustand in der Herde objektiv beurteilen zu können“, fügt Katharina Hoffelner hinzu.
Bei der Datenauswertung ist ein ganzheitlicher Blick wichtig. Dazu gehört die Fütterung, die Haltung und die Leistungskennzahlen. „Insbesondere die Trockensteher stehen da immer wieder im Fokus“, berichtet Christoph Meis aus seiner Praxiserfahrung.
Eine gute Ernährung sorgt dafür, dass eine gesunde Klaue gebildet wird.
Ulrich Böckmann
Auch der
Body Condition Score der Kühe spielt eine entscheidende Rolle. Ulrich Böckmann berichtet von Praxiserfahrungen, wo auf Betrieben gehäuft Mortellaro oder Sohlengeschwüre auftraten, wenn der BCS der Herde zu niedrig lag, „Eine gute Ernährung sorgt dafür, dass eine gesunde Klaue gebildet wird.“ Das zeigt sich gerade um den 90. Tag in Milch. Lag eine Unterversorgung zu Beginn der Laktation vor, zeigen sich dann die Auswirkungen auf die Klaue. Eine noch so gute Klauenpflege kommt nicht gegen Haltungs- oder Fütterungsbedingungen an.
Klauendaten bringen wichtige Entscheidungshilfen für das Management. Dr. Andrea Fiedler erklärt, wie man mit den Diagnoseschlüsseln in der Praxis arbeitet.
Die richtige Fütterung von Milchkühen ist wichtig, um Lahmheiten zu verhindern. Mehr zum Einfluss einzelner Komponenten im Futter auf die Klauengesundheit.