Viele Milchkuhbetriebe sind auf Mitarbeitende angewiesen. Wer keine deutschsprachigen Bewerberinnen und Bewerber findet, greift des Öfteren auf Mitarbeitende aus dem entfernteren Ausland zurück. Auch geflüchtete Menschen, die bereits in Deutschland sind, könnten eine Alternative darstellen. Doch wie lassen sich Menschen am besten einarbeiten und anleiten, wenn man nicht die gleiche Sprache spricht?
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Viele Milchkuhbetriebe sind auf Mitarbeitende angewiesen. Wer keine deutschsprachigen Bewerberinnen und Bewerber findet, greift des Öfteren auf Mitarbeitende aus dem entfernteren Ausland zurück. Auch geflüchtete Menschen, die bereits in Deutschland sind, könnten eine Alternative darstellen. Doch wie lassen sich Menschen am besten einarbeiten und anleiten, wenn man nicht die gleiche Sprache spricht?
Wann wir sprechen
In der täglichen Arbeit gibt es verschiedene Situationen, in denen es hilfreich ist, wenn wir uns verstehen:
Einarbeitung
Tägliche Aufgabenverteilung, Arbeitsanweisungen
Korrekturen/Feedback
allgemeine Gespräche
Aufgaben werden nur dann zur Zufriedenheit aller erledigt, wenn klar ist, auf was es dem Chef bzw. der Chefin in diesem Moment ankommt. Deswegen ist eine konkrete und für den Mitarbeitenden verständliche Kommunikation so wichtig.
Die Einarbeitung setzt den Standard
„Der erste Tag ist wahnsinnig entscheidend!“ Davon ist Lydia Vaske, Agraringenieurin und Willkommenslotsin an der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen, überzeugt. Nehmen Sie sich Zeit, um den Mitarbeiter herumzuführen und ihn allen wichtigen Personen vorzustellen. Dann können Sie auch direkt relevante Handynummern austauschen und Ansprechpartner nennen. In manchen Kulturen ist es unüblich, häufig nachzufragen. Rückversichern Sie sich daher immer wieder, ob Ihr Gegenüber Sie verstanden hat. Lassen Sie sich in eigenen Worten erklären, was er bzw. sie meint, verstanden zu haben.
Nehmen Sie sich am ersten Tag richtig viel Zeit zum Rumführen und Erklären.
Lydia Vaske, LWK Niedersachsen
Tipp: Auch, wenn es für Sie selbstverständlich erscheint – erklären Sie alles! Selbst ein Arbeitsvertrag ist in manchen Ländern unüblich. Gehen Sie ihn mit Ihrem Mitarbeitenden durch und erklären Sie kurz Sinn und Zweck sowie den Inhalt. Dabei können Sie erläutern, was in Deutschland als höflich oder respektvoll gilt, denn hier sind kulturelle Unterschiede möglich.
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Arbeit erklären – aber wie?
Auch in der täglichen Arbeit sind Erklärungen wichtig. Wie wird das Melkzeug angesetzt? Wie häufig und wie sollte der Melker den Standplatz der Kuh reinigen? Wo mischt man frisches Dippmittel an? Genauer betrachtet, sind selbst „einfache“ Aufgaben wie das Melken ziemlich komplex. Da hilft es nur, den Prozess in kleine Teilschritte herunterzubrechen und sie einzeln und wiederholt zu zeigen.
Stefan Neumann, Unternehmensberater bei Koesling Anderson, rät: „Nachdem Sie eine Tätigkeit erklärt haben, erstellen Sie gemeinsam mit Ihrem Herdenmanager ein Video. Dort zeigen Sie noch einmal, wie es richtig geht. Und dieses Video versenden Sie per WhatsApp an Ihr neues Team.“
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heißt es – ein Video macht es noch deutlicher!
(Bildquelle: Stöcker-Gamigliano, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Videos seien das einfachste und effektivste Hilfsmittel, um Prozesse zu vermitteln. Denn diese werden auch von Menschen mit wenig Schulbildung verstanden, denen Texte oder selbst Anleitungen mit Bildern Probleme bereiten würden.
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Feedback geben: Einmal im Jahr Dolmetscher hinzuziehen
Menschen sollten nur die Tätigkeiten ausführen, für die sie angelernt worden sind. Ein Wechsel der Aufgaben, z. B. Füttern oder Klauenpflegen statt zu Melken, bietet sich erst nach einer gewissen Zeit und nach einer weiteren Einarbeitung an. Dann kann das aber auch als „Weiterbildung“ die Motivation der Mitarbeitenden verbessern oder als Grundlage für eine Gehaltserhöhung dienen.
Tipp: Regelmäßig nachschulen! Wenigstens einmal im Jahr sollten Sie bei einem gemeinsamen Termin überprüfen, ob das Gelernte noch „sitzt“ und ob die Aufgaben so ausgeführt werden, wie sie ursprünglich angedacht worden sind.
Beispiel einfacher Arbeitsanweisungen
Dr. Janna Mügge, Tierarztpraxis Ottersberg, rät, an diesem Termin einen Dolmetscher hinzuzuziehen: „So stellen Sie nicht nur sicher, dass ankommt, was Sie sagen wollen. Sie bieten den Mitarbeitenden auch die Möglichkeit, Missverständnisse auszuräumen oder Probleme anzusprechen.“
Wem professionelle Übersetzer zu teuer sind, kann erfahrene Mitarbeiter (ggfs. von anderen Betrieben) oder Bekannte bitten oder wenigstens die Unterlagen übersetzen lassen (deutlich günstiger). SOPs bzw. Arbeitsanweisungen sollten aber generell in allen auf dem Betrieb gesprochenen Sprachen vorliegen, rät Janna Mügge. Im Notfall helfen sicherlich auch Übersetzungs-Apps, wobei diese mit Fachsprache allerdings meist Schwierigkeiten haben.
Sind die Sprachhemmnisse zu groß, überlegen Sie, ob ein Sprachkurs in einer nahe gelegenen Volkhochschule oder bei einem anderen Bildungsträger sinnvoll sein könnte.
Tipp: Nicht wenige Herdenmanagement-Programme bieten in den Einstellungen mehrere Sprachen an – Dokumentation fällt deutlich leichter, wenn die Eingabemaske z.B. auf ukrainisch ist!
Klare Strukturen schaffen
Die Einarbeitung ist umso einfacher und auch der tägliche Arbeitseinsatz umso besser planbar, wenn der Milchkuhbetrieb an sich klar strukturiert ist: Welche Aufgaben können auch von Ungelernten übernommen werden? Wer ist für sie zuständig? Wann beginnt und endet die Arbeit und wann (wie lange) sind Heimaturlaube möglich? Aber auch: Welches Betriebsklima und welcher Umgangston sind akzeptabel, welches Verhalten (z. B. Alkohol, Respektlosigkeit, insbesondere gegenüber Frauen) wird nicht toleriert?
Die Betriebsstruktur muss klar sein – nur so lassen sich Aufgaben eindeutig beschreiben.
Stefan Neumann, KoeslingAnderson
Klarheit darüber hilft nicht nur beim Umgang mit (ausländischen) Mitarbeitern, sondern verbessert insgesamt die Effizienz. Wie schwer die Sprachbarriere wiegt, hängt daher in erster Linie von der Organisation des Betriebes ab.
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Wo Tätigkeiten klar abgegrenzt und Zuständigkeiten geregelt sind, lässt sich bei Unsicherheit rasch nachfragen. Darüber hinaus hilft Empathie oft weiter. Versuchen Sie, sich in Ihre Mitarbeitenden hineinzuversetzen: Ganz oft liegt es nicht am Willen, sondern an einem Missverständnis oder daran, dass etwas schlicht nie angesprochen worden ist!
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Geflüchtete Menschen einstellen
Eine gute Nachricht vorab: Mehr als die Hälfte der 2015 Geflüchteten war sechs Jahre nach ihrer Ankunft in Deutschland erwerbstätig, davon zwei Drittel in Vollzeit. Es ist also möglich, diese Menschen auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren.
Gleichzeitig ist deren Hintergrund divers: von Beinahe-Analphabeten bis zu Promovierten, von „schon einmal eine Ziege gemolken“ bis „Anlage mit mehreren Tausend Tieren geleitet“ ist alles dabei. Den meisten fehlt der Einblick und der Durchblick über die Struktur von Arbeit oder Ausbildung in Deutschland.
Dafür benötigen sie Unterstützung: Wichtig ist das Erlernen der deutschen Sprache und der Zugang zu entsprechenden Kursen sowie, nach Möglichkeit, Hilfe beim Umgang mit den Behörden. Die Vermittlung unterstützen z. B. die Willkommenslotsinnen bei den Landwirtschaftskammern Niedersachsen und NRW oder der Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur bzw. des Jobcenters vor Ort.
| In einer Broschüre (Link) gibt es auch die wichtigsten Vokabeln aus der Milchkuhhaltung in häufigen Sprachen geflüchteter Menschen (z. B. arabisch, ukrainisch).
| Bei der Einstellung Kopie des Ausweises mit Aufenthaltsstatus kopieren und Mitarbeiter ggfs. an die Verlängerung der Arbeitserlaubnis erinnern.
| Stelle mit dem Arbeitgeberservice von Arbeitsagentur und/oder Jobcenter ausschreiben – das ermöglicht viele Förderungen, z. B. bezahltes Probearbeiten, Eingliederungszuschüsse oder die Übernahme eines Führerscheins.
In Zusammenarbeit mit Lydia Vaske, Willkommenslotsin LWK Niedersachsen, Dr. Janna Mügge, Tierarztpraxis Ottersberg und Stefan Neumann, KoeslingAnderson
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