Viel Milcherzeuger tränken ihre Kälber noch restriktiv. Verschiedene Studien der letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass es vorteilhafter für die Entwicklung der Kälber sein kann, wenn man ihnen Vollmilch oder Milchaustauschertränke unbegrenzt und zur freien Verfügung anbietet. So liegen zum Beispiel die Absetzgewichte höher, die Tiere sind gesünder und können früher besamt werden.
Die Sorge, dass Kälber dabei zu viel Milch saufen und davon Durchfall bekommen, ist unbegründet. Kälber können zwar bei der ad libitum-Tränke eine dünnere Kotkonsistenz aufweisen. Das ist allerdings normal, da die Kälber mehr Flüssigkeit und Festfutter aufnehmen und dadurch auch mehr Kot absetzen. Dieser darf nicht mit infektiösem Durchfall verwechselt werden!
Tipps, wie Sie verhindern, dass Kälber bei ad libitum-Tränke an Durchfall erkranken, gibt Tierärztin und Herdenmanagement-Beraterin Rebecca Rehage.
Rebecca Rehage
Tierärztin und Herdenmanagementberaterin (VOST)
Ohne Durchfall durch die Tränkephase
1. Bei neugeborenen Kälbern beginnen: Wer neu mit der ad libitum-Tränke beginnen möchte, sollte damit nur bei neugeborenen Kälbern beginnen. Stellt man das Tränkeverfahren bei bereits restriktiv gefütterten Kälbern um, neigen diese Kälber eher dazu, soviel zu trinken, wie sie können und bekommen schneller Durchfall. Besser ist es, in der Zeit der Umstellung zweigleisig zu fahren und bereits restriktiv getränkte Kälber nicht auf ad libitum umzustellen.
2. Kolostrum-Versorgung sicherstellen: Voraussetzung für gute Erfolge mit Ad-Libitum-Tränke ist eine gute Kolostrum-Versorgung der neugeborenen Kälber. Sie sollten genug Abwehrstoffe aufgenommen haben, um ein starkes Immunsystem aufzubauen. Dazu sollten sie drei bis vier Liter Kolostrum innerhalb der ersten Lebensstunde aufnehmen. Wichtig: Das Kolostrum muss sauber ermolken und abgefüllt sein und eine gute Qualität aufweisen (IgG-Gehalt über 50 g/l oder > 22 % brix).
3. Tränke immer gleich anrühren: Egal, ob Milchaustauschertränke, aufgewertete oder angesäuerte Vollmilch: Das Anmischprotokoll sollte immer gleich und sehr genau erfolgen. Schon kleine Abweichungen können Kälbermägen durcheinander bringen. Dazu gehört die richtige Dosierung des Milchaustauschers bzw. der Ansäuerung ebenso wie Reihenfolge, Temperatur der Flüssigkeit sowie Dauer des Verrührens (Herstellerangaben beachten!). Tipp: Nutzen Sie in der Kälberküche immer dieselbe (und eindeutige) Dosiereinheit und halten Sie Thermometer sowie eine Uhr mit Sekundenanzeige oder Stoppuhr bereit.
4. Eimer täglich spülen: Eimer sollten regelmäßig, am besten einmal täglich gespült und wöchentlich gereinigt und desinfiziert werden. Das senkt den Infektionsdruck im Kälberstall! Bevor der Eimer an das nächste Kalb geht, sollte dieser einmal sehr gründlich und ähnlich einer Melkanlage gesäubert werden: Den Eimer zuerst mit lauwarmem Wasser vorspülen und einweichen lassen. Dann mit einem alkalischen Reiniger und einer Bürste säubern und kalt ausspülen. Anschließend mit einer Mischung aus Wasser, saurem Reiniger und Chlordioxid-Mischung ausspülen. Gut trocknen lassen und bis zum nächsten Gebrauch trocken lagern. Vor dem erneuten Einsatz desinfizieren und trocknen lassen.
Die Tränkeeimer sollten regelmäßig, am besten täglich, gründlich gereinigt werden.
(Bildquelle: Stöcker.Gamigliano)
5. Jedes Kalb hat eigenen Eimer und Nuckel: Jedes Kalb behält denselben Eimer und Nuckel über die gesamte Tränkeperiode. So verhindert man, dass sich ansteckende Krankheiten schnell im Kälberstall ausbreiten können. Tipp: Eimer und Iglus mit denselben Zahlen kennzeichnen.
6. Eimer abdecken: Stroh, Fliegen oder anderer Schmutz hat in der Kälbertränke nichts verloren. Besonders im Sommer können Fliegen Bakterien in die Tränkeeimer eintragen und diese sich dort vermehren. Neben einer regelmäßigen Reinigung sollte man die Tränkeeimer deswegen abdecken. Dafür eignen sich Deckel oder Haarnetze.
7. Zweimal täglich kontrollieren: Während der Ad-libitum-Tränke brauchen Kälber eine intensive Beobachtung. Die Kälber sind weniger hungrig und stehen deswegen auch nicht immer direkt auf, wenn der Tränkeeimer gefüllt wird. Beim Kontrollgang darauf achten, wie viel Milch eingefüllt (oder weggeschüttet) wurde. So fällt eher auf, wenn das Kalb weniger trinkt als gewöhnlich.
8. Nicht zu früh abtränken: Die Ad-libitum-Tränke sollte mindestens drei Wochen andauern. Solange dauert es mindestens, bis Kälber genügend Festfutter aufnehmen können. Man kann die Tränkemenge entweder ab der vierten Woche um 10 bis 50 % reduzieren (Voraussetzung: Wasser und Festfutter sind vorhanden). Alternativ kann man über die gesamte Tränkephase ad libitum füttern und die Tränkemenge erst gegen Ende der Tränkephase reduzieren, wenn die Kälber mindestens 2 kg Festfutter pro Tag aufnehmen. Wichtig: Von Beginn an Wasser und Festfutter im Eimer zur freien Verfügung anbieten.
9. Umstellungsstress vermeiden: Werden Kälber aus Einzeliglus in Gruppen umgestallt, auf homogene Gruppen achten. Am besten Kälber nicht einzeln umstallen, sondern zu zweit oder als ganze Gruppe. Dann kann man sie später in den einzelnen Abteilungen als Gruppe umstallen und reduziert so Sozialstress.
Um stressbedingten Duchfall zu vermeiden, hilft es, Kälber nicht alleine, sondern mindestens immer zu zweit umzustallen.
(Bildquelle: Stöcker-Gamigliano)
10. Hygiene: Man kann noch so gut und viel tränken: Wenn die Hygiene nicht passt, sind Probleme vorprogrammiert. Kritische Kontrollpunkte dafür sind Nuckel und Tränkeeimer. Diese müssen regelmäßig gereinigt und desinfiziert werden, damit sich kein schmieriger Biofilm darauf bildet, in dem sich Keime vermehren. Aber auch die Iglus müssen stets sauber und gut eingestreut sein.
Was tun, wenn er doch kommt ?
Kommt der Durchfall doch, ist es besonders wichtig, die Tränkemenge auf keinen Fall zu reduzieren. Durchfallkranke Kälber brauchen zusätzliche Milch, um die Verluste durch den Durchfall auszugleichen. Kälber können bei Durchfall schnell 5 % ihres Körpergewichts verlieren, bei starkem Auftreten sogar 8 bis 10 %. Deswegen brauchen sie bei Durchfall zusätzlich eine dem Verlust entsprechende Menge. Weitere Tipps:
Körpertemperatur messen. Temperaturen über 39,5° C können Hinweis auf eine Infektion sein.
Auf Symptome wie Niedergeschlagenheit, eingesunkene Augen und eine nur langsam verstreichende Hautfalte achten (Dehydration).
Flüssigkeitsverlust sofort mit oraler Rehydrationstränke (ORT) ausgleichen. Dafür zusätzlich zu den Mahlzeiten 4 l Elektrolyte-Tränke im Eimer zur Verfügung stellen oder in akuten Fällen zweimal tägl. 2 l drenchen. Nach Herstellerangaben anmischen und sichergehen, dass Puffer enthalten sind und das Kalb genug trinkt.
Wenn das Kalb nach spätestens vier Tagen nicht zum normalen Saufen zurückgekehrt ist, ist eine umfassende Diagnostik vom Tierarzt notwendig.
Kälber, die nicht selbstständig stehen können, dürfen nicht zwangsernährt werden, sondern sind ein tierärztlicher Notfall!
Um Leistungseinbußen zu verhindern, sollte Durchfall bei Kälbern die Ausnahme sein. Tritt er häufig auf, das Tränkeregime mit Beratern oder Tierarzt kritisch auf die oben genannten Punkte überprüfen!
Erste Hilfe, Kolostrum, Wärme, Eisen und Hygiene: Die Versorgung von Kälbern in ihren ersten Lebensstunden entscheidet mit über ihre Lebensleistung. Tipps dazu.
In den ersten Wochen ist die Milchtränke die Hauptnährstoffquelle für Kälber. Wird Milchaustauscher gefüttert, muss dieser Vollmilch so gut wie möglich ersetzen. Tipps, wie das gelingt.
Gerade bei Hitze und schwülen Temperaturen vermehren sich Bakterien rasend schnell. Praxistipps, wie Kälber im Sommer gesund bleiben – trotz Schwüle und Fliegen!
Eine intensive Reinigung von Tränkeeimern der Kälber kann den Infektionsdruck im Kälberstall senken. So säubern Sie Nuckel und Eimer richtig, ohne dass ein Biofilm bleibt.
Bei bis zu 60 Prozent der Kälber, die in den ersten zwei Lebensmonaten sterben, ist Durchfall die Todesursache. Daher ist es wichtig bei ersten Anzeichen schnell zu reagieren. Hier einige Tipps!