Herdenmanagement

Achtung, Zwillinge!

Zwillingsträchtigkeiten treten bei hohen Leistungen tendenziell häufiger auf und können viele Probleme verursachen. Wie kann man Kuh und Kälber unterstützen?

Dr. Stefan Borchardt

FU Berlin

Geburtsschwierigkeiten, entsprechende Folgekrankheiten oder Fruchtbarkeitsstörungen sowie lebensschwache oder unfruchtbare (Kuh-)Kälber sind nur einige Probleme, die mit Zwillingsgeburten einhergehen können. Deshalb sind sie bei Milcherzeugern eher „unbeliebt“. Deshalb die Frage:
Wie oft treten Zwillingsträchtigkeiten bei Holsteins tatsächlich auf und wie lassen sich mögliche Folgeprobleme reduzieren?

Mehr Milch, mehr Zwillinge

Heute gibt es mehr Zwillinge als früher (fast 5 % aller Trächtigkeiten bei Holsteinkühen). Der steigende Anteil von Zwillingsträchtigkeiten lässt sich mit der ebenso angestiegenen Milchleistung erklären: Hochleistende Kühe nehmen viel Futter auf, was zu einer intensiven Durchblutung der Leber führt. In der Leber werden auch die Sexualhormone wie z. B. Progesteron verstoffwechselt. Durch die starke Durchblutung werden die Hormone schneller abgebaut. Als Folge ist das Niveau im Blut niedriger. Bei einem geringen Progesterongehalt im Blut kommt es wiederum vermehrt vor, dass mehrere Follikel zeitgleich ovulieren.
Schließlich können diese Doppelovulationen (d. h. dass zur Brust mehrere Eisprünge gleichzeitig stattfinden) in Zwillingsträchtigkeiten resultieren. Dieser Prozess erklärt auch, warum Zwillingsgeburten bei Färsen seltener auftreten als bei Mehrkalbskühen: Färsen fressen weniger und geben vor der ersten Kalbung noch keine Milch. Deshalb ist ihre Durchblutung und entsprechend die Verstoffwechselung der Hormone insgesamt weniger „intensiv“ als bei älteren Kühen.
Abbildung: Bei Kühen kommt es mit steigenden Milchleistungen vermehrt zu Doppelovulationen, aus denen zu 95 % Zwillingsträchtigkeiten entstehen.

Eine intensive Geburtsüberwachung und gegebenenfalls Geburtshilfe helfen der Kuh und den Kälbern, vor allem, wenn die Kalbung aufgrund von Zwillingen länger dauert und unter Umständen schwieriger verläuft. (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Exakte TU und Dokumentation

Damit Zwillinge bei der Trächtigkeitsuntersuchung (TU) erkannt werden, sollte die TU mittels Ultraschall und mit ausreichend Zeit durchgeführt werden. Aufgrund häufiger Fruchtverluste ist eine Kontroll-TU in jedem Fall empfehlenswert. Besonders unilaterale Zwillinge (d. h. in einem Gebärmutterhorn) führen häufig zu Aborten und Schwergeburten.
Um Zwillingen vorzubeugen, gibt es nur eingeschränkte Maßnahmen. Wer weiter auf hochleistende Kühe züchten möchte, wird das Risiko für Zwillingsträchtigkeiten in Kauf nehmen müssen. Zum Teil können bestimmte Hormonprogramme (z. B. Double-Ovsynch, Einsatz von Progesteron) das Risiko für Zwillinge mindern. In einer Studie aus 2019 (Carvalho et al.) betrug die Häufigkeit von Zwillingen 29 % bei Kühen, die bewusst ein Ovsynch- Protokoll mit einer geringen Progesteronkonzentration zu Beginn durchlaufen haben (ohne Gelbkörper). Der Einsatz von Progesteron bei Tieren ohne Gelbkörper kann dementsprechend helfen, die Häufigkeit von Zwillingen zu reduzieren. Die Option, einen Zwilling manuell entfernen zu lassen, ist kritisch. Tierärzte warnen bei dieser Methode vor einem erhöhten Risiko für vollständige Aborte und möglichen Folgeproblemen bei der Kuh.

Aufgrund häufiger Fruchtverluste ist eine Kontroll-TU bei Zwillingsträchtigkeiten in jedem Fall empfehlenswert (Bildquelle: Weerda)

Abbildung 2: Trächtigkeitsdauer bei Kühen mit einer Zwillingsträchtigkeit.

Energiemangel vorprogrammiert

Letztlich bleiben vor allem das frühzeitige Erkennen und das Management von Kühen mit Zwillingsträchtigkeiten entscheidend. Eine Untersuchung mit 35.000 Holsteinkühe, davon 973 Kühe mit Zwillingen, hat folgende Ergebnisse geliefert:
| Die Trächtigkeitsdauer ist bei Zwillingen rund fünf Tage kürzer als bei Einlingsträchtigkeiten und weist eine große Streuung auf.
| Außerdem hatten Kühe mit Zwillingen
  • ein fünffach höheres Risiko für eine Totgeburt,
  • ein höheres Risiko für Erkrankungen (vor allem Ketose und Metritis),
  • im Durchschnitt 430 kg weniger Milch,
  • eine schlechtere Fruchtbarkeit in der Folgelaktation (+ 42 Tage ZKZ),
  • ein zweifach erhöhtes Risiko, in den ersten 60 Laktationstagen abzugehen.
Das zeigt: Der erhöhte Energiebedarf sowie die stark variierende Trächtigkeitsdauer bereiten in der Praxis häufig Probleme. Deshalb verlangt die betroffene tragende Kuh von Beginn an besondere Aufmerksamkeit.

Um Zwillingen vorzubeugen, gibt es nur eingeschränkte Maßnahmen. Wer weiter auf hochleistende Kühe züchten möchte, wird das Risiko für Zwillingsträchtigkeiten in Kauf nehmen müssen. (Bildquelle: Stöcker-Gamigliano)

Die folgenden Aspekte helfen, Kuh und Kälber bestmöglich zu unterstützen und Folgeprobleme zu reduzieren:
  • Zwillings-TU im Herdenmanagentprogramm vermerken,
  • Körperkondition (BCS) regelmäßig kontrollieren,
  • je nach BCS ein bis drei Wochen früher trockenstellen,
  • maximaler Kuhkomfort in der Trockenstehphase,
  • zwei bis drei Wochen früher anfüttern,
  • regelmäßige Ketosetests (schon während der Anfütterung),
  • Stoffwechsel prophylaktisch unterstützen (z. B. Einsatz von Kexxtone ca. drei Wochen vor der Kalbung sowie die Eingabe von Propylenglykol),
  • Kalzium-Bolus zur Geburt (ab der dritten Laktation),
  • intensive Geburtsüberwachung und gegebenenfalls Geburtshilfe.

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