Immer mehr Melkroboter, immer weniger MLP-Betriebe? Wir haben nachgefragt, was für und gegen die Milchkontrolle spricht und welche Lösungen denkbar sind.
Immer mehr Milcherzeuger setzen auf Melkroboter. Diese liefern täglich eine Menge Daten, weshalb die Diskussionen um den Mehrwert einer Milchleistungsprüfung...
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Immer mehr Milcherzeuger setzen auf Melkroboter. Diese liefern täglich eine Menge Daten, weshalb die Diskussionen um den Mehrwert einer Milchleistungsprüfung (MLP) lauter werden. Fehlt der Mehrwert oder ist der Aufwand zu groß, besteht ein zunehmendes Risiko für die Landeskontrollverbände, Mitgliedsbetriebe zu verlieren. Eine Diskussion, mit der sich die Kontroll- als auch Zuchtverbände beschäftigen müssen!
Was würde passieren, wenn immer mehr Milcherzeuger aus der MLP aussteigen? Verlässliche Leistungsdaten sind die Grundvoraussetzung für zuverlässige Zuchtwerte (konventionell und genomisch). Die MLP-Daten sind also essenziell für Zuchtwertschätzungen. Zudem verliert mit dem Ausstieg aus der MLP auch das Herdbuch Kühe. Denn: Die Teilnahme an einer ICAR-anerkannten Milchleistungsprüfung ist Voraussetzung für die Herdbuchanerkennung. Diese tierzuchtrechtliche Bestimmung ist über die Dachverbände (auch international) vorgegeben.
In der Regel werden alle Gemelke innerhalb des Prüftages (24 Stunden) beprobt.
(Bildquelle: Stöcker-Gamigliano)
Was spricht für die MLP?
Herdbuch: Die Herdbuch-Zugehörigkeit ist an die MLP-Teilnahme gebunden. Wird die Milchleistungskontrolle aufgegeben, verlieren die Betriebe nach einer festgelegten Frist die Herdbuchanerkennung für alle Tiere. Das betrifft vor allem den Verkauf von Zuchttieren, die sich in der Regel mit vollständigem Pedigree und sicheren Leistungsdaten immer besser vermarkten lassen. Und: In einem Versicherungsfall, zum Beispiel wenn eine Kuh durch einen Unfall verendet, kann der ermittelte Ertragsschaden durchaus höher ausfallen, wenn die Tiere im Herdbuch sind.
Tierseuchen-Monitoring: Die Kontrollverbände übernehmen über die MLP auch das Tierseuchen-Monitoring wie zum Beispiel BHV1, ParaTB, Brucellose und Leukose. Dieses Controlling passiert eher im Hintergrund, ist für die Rinderbestände aber von großer Bedeutung.
Benchmark: Die MLP-Daten machen es möglich Benchmark-Reports zu erstellen. „Wir haben verschiedene Melkroboter-Fabrikate im Arbeitskreis und stehen erst am Anfang mit den Auswertungen. Die MLP-Daten helfen uns dabei, denn sie sind immer nach dem gleichen Standard berechnet. Bei den Melkroboterdaten ist es für uns schwieriger, einen gemeinsamen Nenner zwischen den Fabrikaten zu finden“, sagt Anja Hinrichs, LWK Niedersachsen.
Tierwohl messen: Über das Projekt „Q-Check“ wird das Tierwohl für jeden Betrieb anhand der Milchkontroll- und HI-Tierdaten dokumentiert und bewertet und dient damit der gesetzlich vorgeschriebenen Eigenkontrolle. Damit dient die MLP also der neutralen Dokumentation des Tierwohls. „Ein sehr bedeutendes Argument für die Milchkontrolle sehe ich in der neutralen Dokumentation des Tierwohls. Diese Milchkontrolldaten liegen bundesweit vor, hier ist dann keine gesonderte Erfassung mehr notwendig“, so Dr. Ernst Bohlsen, LKV Niedersachsen.
Zusatzleistungen: Neben den klassischen Leistungsdaten sind Zusatzleistungen wie zum Beispiel Trächtigkeitsuntersuchungen über die Milch (PAG-Test) oder die (zukünftige) Zellzahldifferenzierung über den LKV abrufbar (Achtung: Unterschiedliche Angebote je nach LKV).
Melkroboter liefern viele Daten. Kombiniert man diese mit den Harnstoffwerten aus der Tankmilch, lässt sich eine Herde ohne MLP managen. Neben der Datenfülle spricht auch der Zeit- bzw. Arbeitsaufwand gegen eine MLP:
Je nach Shuttlegröße (Anzahl Probenröhrchen) müssen auch nachts die Shuttle neu bestückt werden.
Mit der Milchkontrolle müssen auch die Roboter-Daten an den LKV übermittelt werden (ADIS-Daten). Dies muss teilweise noch händisch angestoßen werden.
Das technische Abfüllen der Milchproben dauert unterschiedlich lange (pumpen oder freier Fall), sodass es zu Zeitverlusten bei den einzelnen Melkungen kommt.
Die Milchkontrolle am Prüftag dauert i. d. R. 24 Stunden. In dieser Zeit gehen einige Kühe ein- bis zweimal, andere bis zu sechsmal zum AMS. So entsteht bei den sehr aktiven Tieren eine nicht notwendige Anzahl an Beprobungen.
In Betrieben, in denen nur wenig „freie Zeit“ am Melkroboter (≤ 10 %) zur Verfügung steht, kann eine Milchkontrolle die Laufbereitschaft der Kühe stören. Milcherzeuger berichteten von 0,2 Melkungen weniger am Tag.
Auch die Kosten sind ein großer Kritikpunkt. Denn Melkroboter-Betriebe müssen nicht nur für die Milchkontrolle an sich bezahlen, sondern in der Regel auch für die Kosten der Probenahme-Shuttle aufkommen.
Ebenfalls kritisierten einige Milcherzeuger, dass sie, obwohl sie die Kontrollen selbst durchführen und Daten liefern, häufig vergleichbare Gebühren (LKV-abhängig) bezahlen müssen wie konventionell melkende Betriebe. Die LKV halten dagegen, dass der EDV-Aufwand durch die hohe Probenanzahl höher sei, als in Melkstandbetrieben.
Welche Lösungen sind denkbar?
Eine mögliche Lösung, um die Milchkontrolle attraktiver zu gestalten, wäre die Anerkennung aller gemessenen Melkroboter-Daten für die Milchleistungsprüfung.
Bisher gibt es jedoch keine ICAR-Zulassung für ein Messgerät zur Ermittlung der Inhaltsstoffe, so Dr. Norbert Wirtz, Bundesverband Rind und Schwein. Die mit dem Roboter ermittelten Angaben zu Inhaltsstoffen können je nach Rasse etc. von den im Labor gemessenen Werten deutlich abweichen.
Daten werden zwischen den Melkroboter-Herstellern unterschiedlich erfasst bzw. definiert. Ein Beispiel hierfür ist die Melkdauer. Es ergeben sich z. B. unterschiedliche Werte für das durchschnittliche Minutengemelk.
Um die Milchkuhbetriebe zeitlich entlasten zu können, denken einige LKV über eine „betreute“ Milchkontrolle nach. Dabei soll der Milchprüfer so gut wie alle Arbeiten rund um die Kontrolle am Melkroboter übernehmen. In der Regel werden pro Prüftag bei allen Gemelken eine Probe gezogen. Alternativ könnte man nur zwei Proben pro Kontrolltag ziehen und würde damit, so Dr. Ernst Bohlsen, nah am tatsächlichen Tagesmittelwert liegen. Eine einmalige Beprobung, das hätten Untersuchungen gezeigt, würde keine ausreichende Genauigkeit bringen. Neben der begrenzten Beprobung ist eine reduzierte Anzahl an Milchkontrollen auf sechs Mal pro Jahr ein möglicher Ansatz (anerkanntes Kontrollverfahren BE8R, LKV-abhängig).
Melkroboter
(Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)
Shuttle leihen oder teilen
Neben dem Zeitaufwand stehen die Kosten in der Kritik. Außer der Reduzierung der Kontrolltermine und geringeren Gebühren, ließe sich an den Shuttle-Kosten schrauben. So gibt es LKV die Shuttles kostenlos anbieten oder Leih-Shuttles im Angebot haben. Eine weitere Lösung könnte sein, ein Shuttle mit anderen Milcherzeugern zu teilen. Dies ist auch möglich, wenn mit unterschiedlichen Fabrikaten gemolken wird. Es gibt universelle Shuttle wie den Ori-Collector (bis zu 132 Proberöhrchen) oder den CombiSampler (140 Röhrchen).
Gemeinsame Schnittstelle
Einen Lichtblick bei der Datenverwaltung bieten der LKV Bayern zusammen mit der Firma Lely über eine kostenfreie Schnittstelle. Hierbei werden die Daten des Managementsystems Lely Horizon und des LKV-Herdenmanagers zusammengeführt. Milcherzeuger müssen dadurch Daten nur einmal eingeben, die dann automatisch im jeweils anderen System verfügbar sind. Ebenso funktioniert die Übertragung bei der Milchkontrolle automatisch. Auch die Tiereingabe bei der AMS-Neueinrichtung entfällt, da der Bestand automatisch über die LKV-Lely-Cloud eingespielt wird. Diese Funktionalität ist auch mit anderen Melkroboter-Herstellern in Entwicklung. Neben dem LKV Bayern werden in Zukunft auch die LKVs in Baden-Württemberg, NRW, Schleswig-Holstein und Österreich (RDV) in dieses Projekt einsteigen.
Eine Euterkontrolle erfolgt bei AMS-Kühen gewöhnlich erst dann, wenn sie durch z. B. erhöhte Zellzahlen auffallen. Routinekontrollen können helfen, langfristige Gewebeschäden zu verhindern.
Sind die Melkroboter bestellt, sollte man frühzeitig mit der Planung rund um das Einmelken, die Fütterung und Arbeitsroutinen beginnen. Hier finden Sie Tipps!