Der LEH will nach eigenen Angaben bei der Auslobung der Haltungsformen 3 und 4 am Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes festhalten. Allerdings werden weitere Siegel hinzukommen.
QM-Milch, DLG-Standard, Tierschutzbund-Label: Für Verbraucher und Erzeuger wird es auch mit der Einführung der Haltungsformkennzeichnung nicht einfacher, den Überblick über die verschiedenen Tierwohllabel im Milchregal zu behalten. Denn neben den Haltungsformen 1 bis 4 werden auch die Siegel, nach welchem Standard die jeweilige Milch zertifiziert wurde, auf der Packung stehen müssen.
Das heißt für die Milch-Eigenmarken mit den Haltungsformen 3 und 4 zum Beispiel schon jetzt, das neben dem Label des Deutschen Tierschutzbundes „Für Mehr Tierschutz“ in der Einstiegs- und Premiumstufe auch Produkte mit den DLG-Logos Gold und Silber stehen können. Bei beiden Labels stehen unterschiedliche Kriterienkataloge und eine unterschiedliche Kontrollhäufigkeit dahinter. Bei den Haltungsformen 1 und 2 gibt es bisher nur den Standard QM und QM+, die DLG bereitet aber auch hier aktuell ein Basis- sowie ein Bronze-Siegel vor. Und QM will im Frühjahr auch für Haltungsform 3 gerüstet sein.
Verliert das Tierschutzbund-Label?
Weil der neue DLG-Standard aber mit vom Handel angeschoben wurde und die Zertifizierung auch für die Molkereien mit weniger Aufwand verbunden ist, gehen Brancheninsider aktuell davon aus, dass das Tierschutzbund-Label bei Handelsmarken mittelfristig an Bedeutung verliert oder zumindest keine neuen Molkereien hinzugewinnen wird. Dass erste Betriebe und auch Molkereien, die bisher nach Tierschutzlabel zertifiziert waren, unlängst auch die DLG-Zertifizierung durchlaufen haben, spricht dafür. „Der Handel entscheidet letztlich, was er haben will. Und das müssen wir liefern“, sagt ein Molkerist.
Bisher bieten die Molkereien Gropper, Bechtel und Hochland Milch an, die nach der Einstiegs- und Premiumstufe des Tierschutzbund-Labels zertifiziert ist. Für die Einhaltung der Kriterien der Einstiegsstufe gibt es für die Betriebe einen Zuschlag von 3 ct/kg, für die Premiumstufe 4 ct/kg. Sie unterliegen einem detaillierten und strengeren Kriterienkatalog als bei der DLG oder bei QM. Jährlich sind mindestens zwei unangekündigte Kontrollen vorgesehen. Risikobasiert können es auch bis zu vier sein.
„Das Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes wird – wie auch weitere Siegel – auch nach der Einführung der Haltungsform-Kennzeichnung für Aldi eine wichtige Rolle spielen“, teilt das Unternehmen auf Anfrage von Elite mit. Bisher ermöglicht das Tierschutzbund-Label dem Discounter, auch konventionelle Milch in Haltungsform 4 auszuloben ohne Bio-Qualität zu sein. „Wir werden auch nach der Einführung der Haltungsform Milchprodukte mit der Einstiegsstufe oder Premiumstufe des Tierschutzlabels „Für mehr Tierschutz“ ausloben“, sagt auch Lidl.
Wettlauf der Labels um mehr Tierschutz
Und auch der Tierschutzbund gibt sich optimistisch: „Natürlich wird es unser Label: „Für Mehr Tierschutz“ auch in Zukunft geben. Es ist das einzige originäre Tierschutzsiegel, das zudem die gesamte Kette – von der Zucht bis zur Schlachtung – abbildet und ein Angebot an alle Verbraucher*innen macht, die nicht auf tierische Produkte verzichten, aber sicherstellen wollen, dass jetzt und sofort erste, nachweisbare und messbare Verbesserungen für das einzelne Tier gegeben sind. Das ist eine Alleinstellung, die nicht aufgegeben wird“, teilt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutzbund mit. Auch wenn ein staatliches Tierwohllabel kommt, werde es das eigene Label weiter geben.
Das Label sei seit zwölf Jahren erfolgreich im Markt etabliert. Die danach zertifizierte Milchmenge und die Anzahl der Betriebe steige jedes Jahr. 2021 habe man 143 Mio. Liter vermarktet und 288 neue Milchkuhbetriebe seien hinzugekommen. „Auch für dieses Jahr erwarten wir, dass noch zahlreiche neue Betriebe hinzukommen“, so der Tierschutzbund.
Der Deutsche Tierschutzbund plädiert für ein staatliches Tierwohlsiegel, das mindestens Haltungsform 3 bzw. seinem eigenen Siegel der Einstiegsstufe gerecht werden müsse.
(Bildquelle: Deutscher Tierschutzbund )
Kritik an der Haltungsform-Kennzeichnung
Der Tierschutzbund begrüßt, dass mit der Ausweitung der Haltungsform auf den Bereich Milch die Haltungsbedingungen für den Verbraucher transparent gemacht werden. Die reine Einsortierung bestimmter tierischer Erzeugnisse nach einigen zugrunde liegenden Haltungsbedingungen sei aber aus Tierschutzsicht nicht ausreichend. Denn zum einen blieben Aspekte wie Transport und Schlachtung oder tierbezogene Indikatoren außen vor, außerdem bilde die Haltungsform nur den „Status-Quo“ ab, sei also nicht unbedingt mit einem Mehr an Tierschutz verbunden.
Ziel müsse eine verbindliche staatliche Tierschutzkennzeichnung für alle tierischen Produkte sein, die sämtliche Stufen der Erzeugung – von der Zucht bis zur Schlachtung – berücksichtige und die durch die Erfassung und Auswertung von tierbezogenen Kriterien überprüft werde. Nur solche Produkte, die erkennbar über das gesetzliche Niveau hinausgehen und mit mehr Tierschutz verbunden seien, dürften ausgezeichnet werden. „Das Mindestniveau einer solchen staatlichen Kennzeichnung kann nur ab der Einstiegsstufe des Labels „Für Mehr Tierschutz“ beginnen.“
Das Mindestniveau einer solchen staatlichen Kennzeichnung kann nur ab der Einstiegsstufe des Labels „Für Mehr Tierschutz“ beginnen.“
Deutscher Tierschutzbund
Das Ordnungsrecht müsse angehoben und Lücken geschlossen werden, denn ein sehr großer Teil der Erzeugung gehe in den Export, für den eine Tierschutzkennzeichnung keine bedeutende Rolle spielt und so einem Großteil der Tiere keine Verbesserung zuteil werde, so der Tierschutzbund auf eine Anfrage der Elite-Redaktion.
Mehr zum Thema Haltungsformen des Handels gibt es hier.
Der Lebensmitteleinzelhandel plant ab dem nächsten Jahr auch auf Milch die Haltungsform auszuflaggen. Welche Konsequenzen hat das für die Milchbranche?