In den Niederlanden sind in der vergangenen Woche die Bauernproteste eskaliert. Hunderte Landwirte hatten die Autobahnen und Zufahrten zu den Supermärkten blockiert. Für Entsetzen sorgten Bilder von brennenden Autos und mutmaßlicher Polizeigewalt.
Der Grund der Proteste: Die niederländische Regierung plant, die Emissionsregelungen massiv zu verschärfen. In einzelnen Regionen sollen zukünftig bis zu 70 % weniger Stickstoff aufgebracht werden dürfen. Für etwa 30 % der Tierhalter...
In den Niederlanden sind in der vergangenen Woche die Bauernproteste eskaliert. Hunderte Landwirte hatten die Autobahnen und Zufahrten zu den Supermärkten blockiert. Für Entsetzen sorgten Bilder von brennenden Autos und mutmaßlicher Polizeigewalt.
Der Grund der Proteste: Die niederländische Regierung plant, die Emissionsregelungen massiv zu verschärfen. In einzelnen Regionen sollen zukünftig bis zu 70 % weniger Stickstoff aufgebracht werden dürfen. Für etwa 30 % der Tierhalter in den Niederlanden würde das das Aus bedeuten, schätzt die Regierung.
Wilbert Beerling, Redakteur beim Elite Magazin in den Niederlanden, erklärt das Dilemma der Landwirte im Nachbarland und die Stimmung unter den Milcherzeugern.
Letzte Woche gingen Bilder der niederländischen Bauernproteste durch die Medien. Wie ist die aktuelle Lage?
Die Landwirte demonstrieren immer noch fast täglich. Die Aggressionen der letzten Woche sind mittlerweile etwas abgeschwächt. Aber es gibt immer noch Demonstrationen mit verschiedenen Strategien. Was man mittlerweile oft sieht, ist eine umgedrehte Flagge der Niederlande an den Geländern der Autobahnbrücken. Die Proteste organisieren sich meist über WhatsApp-Gruppen mit teilweise sehr großen Mitgliederzahlen.
Wer geht da auf die Straßen, um zu demonstrieren?
Es sind nicht nur Nutztierhalter, die demonstrieren gehen. Auch Ackerbauern, Lohnunternehmer, Angestellte auf landwirtschaftlichen Betrieben oder bei Lohnunternehmern sind dabei. Auch Menschen, die dörflich wohnen und mit einzelnen Landwirten verbunden sind, gehen mittlerweile auf die Straßen. Aber: Es gibt auch viele Landwirte, die nicht demonstrieren, weil sie entweder keine Zeit haben oder die Aggression der Demonstranten ablehnen.
Es gibt auch viele Landwirte, die nicht zu den Demonstrationen fahren, weil sie die aggressiven Proteste nicht unterstützen.
Wilbert Beerling, Redakteur Elite NL
Was war der Auslöser der Protestwelle?
Die Landwirtschaftsministerin der Niederlande hat der Niederländischen Regierung einen Plan vorgestellt, mit dem die Stickstoff-Emissionen reduziert werden sollen. Um das zu erreichen, muss der niederländische Viehbestand um ein Drittel reduziert werden. Auf dem Veluwe, einem großen Waldgebiet in Gelderland, soll der Tierbestand zum Beispiel um 95% reduziert werden. In der Region gibt es viele Schweine-, Geflügel- und Kälbermäster. Die Optionen für die Landwirte sind, entweder aufzuhören oder enteignet zu werden. Für die betroffenen Landwirte gibt es derzeit keine Perspektiven. Zudem befürchten einige Landwirte, dass die Betriebsaufgaben Maßnahmen sind, um mehr Gebiete für Wohnraum und Industrie zu schaffen.
Die derzeitigen Optionen für die Landwirte sind, entweder aufzuhören oder enteignet zu werden.
Wilbert Beerling
Werden bereits durchgeführte Maßnahmen der Landwirte zum Emissionsschutz in den Plänen beachtet?
Nicht wirklich. Viele der technischen Lösungen, die es bereits in der Landwirtschaft gibt, werden von der Regierung nicht anerkannt, z. B. der Bau emissionsarmer Ställe, das Nachrüsten von Luftwäschern oder die Aufbereitung der Gülle. Diese Techniken werden nicht anerkannt, da oft die Ergebnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen nicht mit den Zahlen im Praxisbetrieb übereinstimmen, wie zum Beispiel bei emissionsarmen Böden. Dann heißt es: Diese Maßnahme funktioniert nicht.
Leider ist es häufiger vorgekommen ist, dass einige Schweinehalter in ihren Ställen die Luftwäscher ausschalten, um Energie zu sparen. Deswegen sieht die Regierung Technik nicht als Lösung des Problems. Dazu kommt, dass wissenschaftliche Berechnungen von Stickstoff- oder Ammoniak-Emissionen nie das gleiche Ergebnis ergibt wie die Modellrechnung. Da ist es einfacher zu sagen: „30% müssen aufhören“.
Wie ist die Stimmung unter den niederländischen Milcherzeugern?
Die Sorge ist sehr groß, besonders, wenn der Betrieb in einem Gebiet liegt, in dem z.B. 70% des Tierbestands reduziert werden soll. Die Milcherzeuger wissen nicht, wie es weitergeht. Jeden Morgen, wenn sie aufstehen und zum Melken gehen, wissen sie nicht, was auf sie zukommt. Sie fragen sich: Dürfen wir weitermelken? Wie sieht unsere Zukunft aus? Können wir noch Ställe bauen oder nicht? Bei vielen ist ungewiss, ob sie in drei oder vier Jahren noch melken können.
Viele Milcherzeuger wissen nicht, ob sie in drei, vier Jahren noch melken können
Wilbert Beerling
Wie schätzt Du die Entwicklungen ein? Wird es bald Einigungen irgendeiner Art geben?
Ich glaube, dass einige Technologien durchaus dazu geeignet sind, Emissionen einzusparen. Bei einigen Maßnahmen habe ich Zweifel, etwa bei emissionsarmen Stallböden. Aber die Aufbereitung der Gülle oder der Einbau von Luftwäschern sind Maßnahmen, die funktionieren.
Die niederländische Regierung ist aktuell noch in der Sommerpause. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis sich politisch etwas tut und die Pläne eventuell noch einmal überdacht werden. Vor September rechne ich nicht mit Fortschritten.
Massive Düngeeinschränkungen bald auch in Deutschland?
Einige deutsche Landwirte haben sich in den vergangenen Tagen aus Solidarität den Bauernprotesten in den Niederlanden angeschlossen. Doch auch hier müssen sie sich zukünftig auf mehr Gebiete mit reduzierter Düngung einstellen. Denn die Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten ist nach Zustimmung des Bundesrates am vergangenen Freitag (08.07.) beschlossene Sache.
Das bedeutet, dass noch in diesem Jahr die Roten Gebiete in Deutschland deutlich wachsen werden. Die Länder gehen davon aus, dass sich durch die Neuausweisung die nitratbelasteten Gebiete von 2 Millionen Hektar auf 2,9 Millionen Hektar ausweiten. Das entspricht einem Zuwachs von 45 %.
Ab Januar 2021 werden die Düngeregeln für rote Gebiete rechtskräftig. Am 3.12. haben alle Länder zugesagt, die wichtige Neuausweisung rechtzeitig abzuschließen.
Die hohen Preise von Mineraldüngern machen die Nährstoffe aus den betriebseigenen Düngern umso wertvoller. Tipps zum möglichst verlustarmen Einsatz von Gülle.