Elite: Mineraldünger ist so teuer wie nie zuvor und die Düngeverordnung setzt Grenzen zum Einsatz organischer Dünger. Da fragen sich viele Futterbauer, in wie fern sich Mineraldüngergaben noch durch Gülle „ersetzen“ lassen?
Dr. Sonja Dreymann: Grundsätzlich muss man sich bewusst darüber sein, dass sich Pflanzen in Gemeinschaft mit der Bodenbiologie ernähren. Die in der Gülle enthaltenen Nährstoffe können Mineraldünger anteilig...
Elite: Mineraldünger ist so teuer wie nie zuvor und die Düngeverordnung setzt Grenzen zum Einsatz organischer Dünger. Da fragen sich viele Futterbauer, in wie fern sich Mineraldüngergaben noch durch Gülle „ersetzen“ lassen?
Dr. Sonja Dreymann: Grundsätzlich muss man sich bewusst darüber sein, dass sich Pflanzen in Gemeinschaft mit der Bodenbiologie ernähren. Die in der Gülle enthaltenen Nährstoffe können Mineraldünger anteilig nur ersetzen, wenn die Bodenaktivität entsprechend hoch ist. Zudem sollten Kulturarten-spezifische Besonderheiten, wie z. B. der höhere S-Bedarf bei Raps, berücksichtigt werden, die sich nicht allein über Gülle decken lassen. Dann hängt die Wirksamkeit von Stickstoff, Phosphor und Schwefel aus der Gülle davon ab, wie stark Verluste durch Ausgasung in Folge von Fäulnisprozessen in der Gülle auftreten. In Bezug auf Stickstoff zeigen aktuelle Untersuchungen, dass die Hälfte der Ammoniak-Ausgasung durch die belebende Behandlung von Gülle reduziert werden kann. In wieweit die Nährstoffe zur Ernährung der Pflanzen beitragen, hängt auch von der Durchwurzelbarkeit des Bodens und dessen Fähigkeit zur Erwärmung ab.
Elite: Gülle zur Startgabe 2022 in Wintergetreide und Grünland – wie lässt sich das möglichst nährstoffeffizient und bodenschonend organisieren?
Dr. Sonja Dreymann: Neben den Sperrfristen und der Befahrbarkeit sollte bei der Ausbringung möglichst auch die Temperatur des Bodens berücksichtigt werden. Gemessen wird diese in Bearbeitungstiefe bzw. dem durchwurzelten Raum. Erst bei einer Bodentemperatur ab 8 °C arbeitet die Mikrobiologie im Boden zusammen mit den wachsenden Pflanzenwurzeln und die ausgebrachten Nährstoffe können direkt eingebunden werden. Dagegen ist in kälterem und nassem Boden mit weiteren Abbauprozessen zu Nitrat bis hin zur Stickstoff-Ausgasung durch Denitrifikation zu rechnen. Zu bedenken ist, dass die einseitige Pflanzenernährung durch Nitrat Pflanzenkrankheiten fördert und die Winterfestigkeit mindert. Wie es um den Nitratgehalt der Pflanze steht, lässt sich vor einer Düngemaßnahme mit Schnelltest-Methoden über den Pflanzensaft (z. B. Nitrachek, Nitrat-Teststäbchen) überprüfen.
Gülle gehört in grüne, wachsende Bestände“
Dr. Sonja Dreymann
Elite: Die Güllegabe in wachsende, grüne Bestände ist am effizientesten – wie kann das zu Mais gelingen?
Dr. Sonja Dreymann: Aus Sicht der Bodenfruchtbarkeit ist es sinnvoll zu Mais eine wintergrüne, nicht absterbende Zwischenfrucht-Mischung anzubauen, die im Frühjahr mit einer ersten Güllegabe angedüngt wird. Denn organische Dünger sind meistens reich an Stickstoff und arm an Kohlenstoff und durch die wachsende Pflanze wird Kohlenstoff (C) zur Einbindung des Stickstoffs zur Verfügung gestellt. Eine Düngung in den unbewachsenen Boden geht je nach Milieu-Faktoren mehr oder weniger zu Lasten von Humus – er wird als C-Quelle genutzt. Der grüne Zwischenfrucht-Bestand sollte dann idealerweise nach zwei bis drei Wochen flach eingearbeitet und damit in die Rotte gebracht werden. Erst danach wird der Mais gelegt. Häufig ist dadurch der Saatzeitpunkt von Mais etwas später. Insgesamt zeigt sich aber, dass dieses Anbausystem robuster gegenüber einem frühen Saattermin nach klassischer Bodenvorbereitung ist und Ertragsvorteile bringen kann. Die Ausbringung der ersten Güllegabe muss jedoch auf die Vorgaben der Fachbehörde abgestimmt sein.
Elite: Gülle ist ein Mehrnährstoffdünger – was sollte diesbezüglich bedacht werden, damit es nicht zur Fehlernährung kommt?
Dr. Sonja Dreymann: Für eine ausgewogene Pflanzenernährung ist die Kenntnis der eingesetzten Nährstoffe in der Gülle unbedingt notwendig. Hierfür sollte eine Gülleanalyse vorliegen, die neben den Hauptnährstoffen N, P, K auch Ca, Mg und S sowie die Mikronährstoffe ausweist. Ohne Berücksichtigung dieser und eine Fokussierung auf die N und P-Düngung, kann man sich schnell Nährstoffüberhänge einfangen, die wiederum die Pflanzenverfügbarkeit anderer Nährstoffe und Spurenelemente blockieren können! Das grenzt die möglichen Einsatzmengen ein. Bei Rindergülle betrifft das insbesondere Kalium, ein Zuviel davon hemmt die Pflanzenverfügbarkeit von Calcium und Magnesium. Die Folge wäre eine Schieflage im Nährstoffgleichgewicht der wachsenden Kultur, die eine höhere Krankheits- und Stressanfälligkeit nach sich zieht.
Elite: Sie erwähnen die Vorteile der Güllebehandlung – wie kann man diese initial und zeitnah in der Praxis umsetzen?
Dr. Sonja Dreymann: Mit der Belebung der Gülle sollte man so früh wie möglich ansetzen, also bereits in der Fütterung, aber spätestens in der Lagerung. Es stehen verschiedene Verfahren zur Auswahl, aus denen sich Betriebe die für sie passende Strategie wählen können. Güllebelebung im Stall kann etwa durch den Einsatz von selbst hergestellten, kostengünstigen Präparaten wie Heutee oder durch Zukauf von Pflanzenkohle und Effektiven Mikroorganismen (EM) erfolgen. Wir stellen verschiedene Produkte & Strategien in unserem Bodenkurs vor – siehe
www.dreymann-agrar.de/. Hinsichtlich der Wirkung ist zu beachten, dass biologische Prozesse mindestens sechs Wochen im Güllelager benötigen und von Wärme profitieren. Das betrifft etwa den Einsatz von EM. Ein Behandlungsbeginn im Winter im Außenbehälter kann hier bis zur Ausbringung der Startgaben noch nicht die volle Wirkung bringen. Für Betriebe, die spontan ihre Gülle beleben möchten, gibt es allerdings auch Präparate für den „ad hoc“-Einsatz direkt zur Ausbringung.
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