Viele Kälber und Jungrinder werden zunächst auf Tiefstreu gehalten. Eine zeitige Umstellung auf Liegeboxen ist aber sinnvoll, da Liegeboxenlaufställe in der Regel mehr Komfort als Vollspaltenställe und weniger Arbeit sowie mehr Hygiene als Tiefstreuställe bieten.
Ein großer Vorteil besteht zudem darin, dass die Tiere frühzeitig bzw. mindestens vor der Kalbung die Nutzung von Liegeboxen kennenlernen. Auch das Gewöhnen an eine große Gruppe sowie an eine gewisse Konkurrenz um Wasser, Futter und Liegeplätzen, ist wichtig.
Aber: Die Umstallung in einen Liegeboxenlaufstall erfolgt nicht immer stressfrei. Je nach Alter, Tiergruppe, Stallplatz oder Liegeboxengestaltung dauert es eine gewisse Zeit, bis die Jungrinder verstanden haben, wie sie sich korrekt ablegen.
Größere Probleme oder schlechte Angewohnheiten machen sich oft nach der Abkalbung noch bemerkbar, zum Beispiel in dauerhaftem „Spaltenliegen“. Das kann negative Folgen für die Beinqualität, die Eutergesundheit, die Sauberkeit und das allgemeine Wohlbefinden der Tiere haben.
Deshalb ist es von großem Vorteil, wenn sich Jungrinder möglichst schnell und stressfrei daran gewöhnen, Liegeboxen korrekt zu nutzen. Wie gelingt das?
Liegeboxen-Gestaltung für Jungrinder
Im Idealfall sollten Kälber frühestens ab einem Gewicht von 180 kg auf Liegeboxen gestallt werden. Damit die Liegeboxen für die jeweiligen Tiergruppen passen und entsprechend von den Tieren genutzt werden, müssen sie in der Länge und in der Breite „mitwachsen“.
Zu große Liegeboxen erlauben es den Jungrindern, schräg in der Box zu liegen oder sich in der Box zu drehen. Zu kleine Boxen werden gemieden. Die Liegeboxen-Maße während der Aufzucht reichen von 1,60 x 0,80 m ab einem Alter von sechs Monaten bis zu 2,30 x 1,50 m für Rinder im Alter zwischen 15 und 24 Monaten.
Vor allem, wenn beispielsweise alte Kuhställe umgenutzt oder die Gruppierung der Aufzuchttiere verändert werden, gilt es, die Maße zu kontrollieren und ggf. anzupassen. Für einen guten Liegekomfort sind Tiefboxen oder Hochboxen mit weichen Belägen notwendig. Wichtig ist vor allem eine trockene und für junge Tiere eine warme Liegefläche.
Versuch: Vorbild oder Kratzbürste für schnelleres Lernen?
Forscher der University of British Columbia und der University of Wisconsin haben zwei Strategien getestet, die die Gewöhnung an Liegeboxen erleichtern sollen:
- Älteres Tier als Vorbild: Eine Gruppe von Jungrindern wurde gemeinsam mit einer älteren „Pilot“-Färse eingestallt, die die Nutzung von Liegeboxen bereits kannte.
- Anbringung von Kratzbürsten als Lockmittel: Bei einer Gruppe wurden Kratzbürsten in bzw. in direkter Nähe der Liegeboxen angebracht, um die Tiere anzulocken.
Beide Versuche (mit jeweiliger Kontrollgruppe) wurden mit Jungrindern im Alter zwischen vier und fünf Monaten durchgeführt, die neu in einen Liegeboxenlaufstall (Sand als Einstreu) umgestallt wurden.
Die Jungrinder wurden alle fünf Minuten auf ihr Liegeverhalten zwei Tage vor dem Betreten der Laufställe (Tag –2), am Tag der Umstallung (Tag 0) und vier Tage nach dem Umstallen (Tag 4) und an Tag 4 beobachtet.
Gemessen wurde die Zeit im Stehen, die Zeit im „Hocken“ (mit Vorderbeinen in den Boxen), die Liegedauer und die Zeit, bis sich die Tiere zum ersten Mal abgelegt haben. Außerdem wurde unterschieden, ob sich die Jungrinder in Liegeboxen oder auf dem Spaltenboden abgelegt haben.
Die Ergebnisse:
Insgesamt konnten die Forscher in beiden Versuchen keinen signifikanten Unterschied im Liegeverhalten ausmachen. Das einzige signifikante Ergebnis war, dass sich die Jungrinder im ersten Versuch (Vorbild) anfangs fast zehnmal schneller ablegten als die Jungrinder im zweiten Versuch (Lockmittel). Im Durchschnitt legten sich die Tiere in Versuch 1 nach 3,8 Stunden und in Versuch 2 nach 31,4 Stunden zum ersten Mal ab.
Der einzig entscheidende Faktor war die Zeit. An Tag 4 nach der Umstallung kehrten sowohl das Liegen als auch das Stehen in allen vier Versuchsgruppen zu dem Niveau von Tag – 2 (im vorherigen Stall) zurück. Auch die Anzahl korrekt liegender Tiere erhöhte sich mit der Zeit. Bei einigen Tieren blieb das Spaltenliegen oder Rückwärtsliegen in der Box auch am Ende der Studie bestehen.
Fazit:
Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass die Umstallung in den Liegeboxenlaufstall möglicherweise zu viele neuartige Ablenkungen geboten hat (Stall, Liegefläche, Einstreu, Futter) und die Jungrinder dadurch überfordert waren und deshalb weniger auf ein korrektes Ablegen konzentriert bzw. auf ein Lockmittel reagiert haben.
Beide Strategien scheinen keine alleinige Lösung darzustellen, um die Umstellung auf Liegeboxen zu beschleunigen.
Tipps zur Eingewöhnung:
Auch wenn es keine alleinige Lösung gibt, um das Umstallen auf Liegeboxen zu vereinfachen, können die folgenden Tipps weiterhelfen:
- Komfort: Je attraktiver und komfortabler die Liegebox, desto besser wird sie genutzt. Das beeinflusst sowohl die Liegedauer, als auch die Häufigkeit des Ablegens und Aufstehens, die Fresszeiten sowie das Allgemeinbefinden.
- Liegeboxenmaße: Die Liegeboxenmaße sollten unbedingt an die Größe der Jungrinder angepasst werden. Zu große Liegeboxen werden verunreinigt, zu kleine Boxen gemieden.
- Einstreu: Die Liegeflächen sollten trocken, weich und warm sein. Tiefboxen oder Hochboxen mit weichen Gummimatten erhöhen die Liegekomfort. Je attraktiver und komfortabler die Liegebox, desto besser wird sie genutzt.
- Einmalig einstreuen: Werden die Liegeboxen nicht eingestreut bzw. unterscheidet sich die Einstreu stark vom Stroh, bietet es sich an, einige Liegeboxen für ein paar Tage dünn mit Stroh einzustreuen. Die Kälber assoziieren Stroh als Liegefläche und suchen die Liegeboxen dadurch möglicherweise schneller auf.
- Platz: Viel Platz und ein Tier-Liegeboxverhältnis von mindestens 1:1 reduziert Stress und Konkurrenz und kann dazu beitragen, dass sich Jungrinder schneller und öfter in die Liegeboxen legen.
- Vorbilder: Die gemeinsame Einstallung mit älteren Tieren, die die Liegeboxen bereits nutzen, kann dazu dienen, dass sich die Tiere die Liegeboxen-Nutzung „abgucken“.
- Wenig Veränderung: Viele Veränderungen auf einmal lenken Jungrinder ab und können Stress auslösen. Je mehr unbekannt ist, desto weniger Konzentration und Ruhe besteht, sich (im Idealfall in die Liegeboxen) abzulegen. Kennen die Tiere den Stallbereich, das Futter oder ihre Stallgefährten bereits, kann das die Liegeboxennutzung beschleunigen.
- Lockmittel: Attraktive Lockmittel wie Kratzbürsten oder Futter in der Nähe kann zumindest den Effekt erzielen, dass sich die Jungrinder für die Liegeboxen interessieren und sie betreten.
- Fixieren: Zuletzt kann auch ein einmaliges oder mehrmaliges Fixieren der Tiere, zum Beispiel per Bügel oder Halfter, dazu verhelfen, dass sich die Tiere nach einer gewissen Zeit ablegen und die Liegebox später auch selbstständig aufsuchen (Achtung: Arbeitssicherheit, Arbeitsaufwand und Tierwohl beachten!).
Praxistipp: Tiefstreu oder Liegeboxen zur Auswahl
Auf dem Karlshof von Familie Dörr (bei Darmstadt) sind die Kälber während der Tränkephase zuerst in Einzeliglus und ansprechend in kleinen Gruppen auf Tiefstreu mit Tränkeautomat untergebracht. In diesem Stall sind dauerhaft in derselben Gruppe und verbleiben dort, bis alle Tiere abgetränkt und entsprechend entwickelt sind.
Anschließend wechseln sie in ein anderes Gebäude, wo alle Jungrinder mindestens bis zur Trächtigkeit verbleiben. Der gesamte Stall ist mit Liegeboxen und Spaltenboden ausgestattet. Den abgetränkten Kälbern, die vom Tiefstreustall in den Liegeboxenlaufstall umgestallt werden, wird eine Übergangszeit geboten: Sie kommen in einen Stallbereich, der sowohl Liegeboxen als auch Tierstreu bietet. Hier haben die Kälber also die freie Wahl zwischen Liegebox und Tiefstreu: Direkt hinter dem Fressgitter befinden sich die mit Sägemehl eingestreuten Liegeboxen und über einen schmalen Gang erreichen sie einen großen Tiefstreubereich.
Anschließend werden sie in einen reinen Liegeboxenstall umgestallt. Der Vorteil: Das nächste Stallabteil befindet sich in demselben Gebäude mit ähnlichen Liegeboxen. Die einzige Veränderung für die Kälber besteht darin, dass sie keinen Tiefstreubereich mehr nutzen können. Der gesamte Stallbereich und vor allem die Liegemöglichkeit in den Boxen ist ihnen bereits bekannt.
Quellen: u.a. Dairy Herd Management, Innovationsteam Milch Hessen, Karlshof
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