Ab der Geschlechtsreife muss die Fütterungsintensität von intensiv aufgezogenen Kälbern gebremst werden, damit sie als Rinder nicht zu früh besamungsreif im Stall stehen.
Anke...
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Ab der Geschlechtsreife muss die Fütterungsintensität von intensiv aufgezogenen Kälbern gebremst werden, damit sie als Rinder nicht zu früh besamungsreif im Stall stehen.
Anke Schuldt
Hochschule Neubrandenburg
Regina Dinse
Hochschule Neubrandenburg
Christian Koch
Hofgut Neumühle
Intensiv getränkte Kälber zeigen langfristig eine sehr gute Futterverwertung
Kälber, die in der Tränkephase den aktuellen Empfehlungen entsprechend intensiv gefüttert werden, zeigen nicht nur höhere Zunahmen, sondern auch ihre Organe werden besser bzw. „physiologisch normaler“ ausgebildet als bei Kälbern mit restriktiver Milchtränke.
Intensiv in der Tränkephase versorgte Kälber verwerten Nährstoffe auch im späteren Leben effizienter.“
Dr. Christian Koch
Diese Vorteile in der Organentwicklung sorgen offenbar dafür, dass die intensiv aufgezogenen Kälber auch im späteren Leben Nährstoffe effizienter verwerten können.
Hohe Wachstumsraten aus einer intensiven Fütterung sind bis zum Erreichen der Geschlechtsreife mit dem 5. bis 6. Lebensmonat von Vorteil und damit erwünscht, danach nicht mehr.
Ab der Geschlechtsreife müssen Rinder verhaltener gefüttert werden, damit sie nicht zu früh zuchtreif werden.“
Dr. Anke Schuldt
Denn ab der Geschlechtsreife beginnen die Tiere neben Muskelmasse vermehrt Fett anzusetzen, erklärt Dr. Christian Koch. Ab dann gilt es die Jungrinder mit einer niedrigeren Fütterungsintensität zu managen.
So sieht eine intensive Tränkephase aus
Die Haltung und Tränketechnik muss sicherstellen, dass Kälber bis zum 7. Lebenstag mindestens 10 l Milch und ab dem 8. Lebenstag mindestens 12 l Milch pro Tier und Tag aufnehmen können.
(Bildquelle: Landwirtschaftsverlag GmbH)
| Nach der Aufnahme des Erstkolostrums (erste Gabe mind. 4 Liter) bis zum siebten Lebenstag mindestens 10 l Mischkolostrum/Transitmilch oder Vollmilch.
| Wasser und Beifuttermittel (Heu sowie Kälbermüsli, pelletiertes Kälberaufzuchtfutter oder eine Kälber-Trocken-TMR) von Beginn an ad libitum, also zur unbegrenzten Aufnahme.
| ab dem 8. Lebenstag 12 l Vollmilch oder Milchaustauscher
| Einzelhaltung oder Haltung in Kleingruppen (paarweise bzw. bis fünf Tiere) bis mindestens zum 21. Lebenstag, wenn ab dem 8. Lebenstag mindestens 12 l Milchtränke je Tier und Tag angeboten werden können
Gruppenhaltung:
| Anlernenan die freie Tränkeaufnahme an der Tränkestation (oder Milchbar) über etwa fünf Tage (bis jedes einzelne Kalb sicher trinkt)
| bis zum 49. Lebenstag ein Anrecht von mindestens 12 l besser 14 l Vollmilch oder Milchaustauscher (MAT). Keine Beschränkung hinsichtlich Portionsgröße und Häufigkeit der Aufnahme.
Zum Milchaustauscher: Mindestens 1,8 bis 2,0 kg besser 2,1 bis 2,3 kg Milchaustauscher/Tier/Tag. In einer Konzentration von 150 bis 165 g in 1 l Wasser. MAT mit mindestens ca. 50 % Magermilchanteil.
| Abtränken frühestens ab dem 50. Lebenstag. Mit einer Geschwindigkeit von ca. 0,3 l Reduzierung der Tränkemenge pro Tag. In dieser Zeit ersetzt die TMR, die nach dem Absetzen der Milch gefüttert wird, allmählich das Beifutter der jüngeren Kälber. Absetzen nicht vor dem 90. Lebenstag.
| Die vollständige Umstellung von Beifutter auf die Rinderration sollte nach dem Abtränken langsam über drei bis vier Wochen erfolgen.
Bloß kein kompensatorisches Wachstum!
Es darf hier keinesfalls der Gedanke entstehen, dass eine intensive Tränkephase nachteilig ist. Im Gegenteil, erklären Dr. Regina Dinse und Prof. Dr. Anke Schuldt:
Geringe Tränkemengen, also eine restriktive Tränke, führen entgegen der weit verbreiteten Annahme nicht zu einer höheren Beifutteraufnahme, die die geringe Tränkemenge kompensiert, sondern zu einem verminderten Wachstum und einer schlechteren Entwicklung während der Tränkephase und auch nach dem Absetzen. Eine verhaltene Fütterung bis zur Geschlechtsreife ist daher eindeutig nicht zu empfehlen.
Auch die Annahme, dass restriktiv getränkte Kälber durch eine intensivere Fütterung nach dem Absetzen ihr anfangs schlechteres Wachstum kompensieren können, ist nicht richtig. Im Gegenteil, erklärt Dr. Christian Koch:
Ein kompensatorisches Wachstum sollte in jedem Fall über die gesamte Aufzucht vermiedenwerden, denn weibliche Jungrinder, die kompensatorisch gewachsen sind, weisen höhere Fettgehalte im Körper auf. Diese höheren Körperfettanteile können zu geringeren Trächtigkeitsraten aus der Erstbesamung sowie einem veränderten Fettstoffwechsel um die Kalbung führen.
Ab der Geschlechtsreife auf eine niedrigere Fütterungsintensität umstellen
Dr. Anke Schuldt und Dr. Regina Dinse empfehlen, basierend auf ihren Untersuchungen an der Hochschule Neubrandenburg, folgende Rationsgestaltung für Holsteinrinder im Anschluss an eine intensive Tränkephase:
Absetzen bis Geschlechtsreife: Die Futteraufnahme der intensiv getränkten Kälber ist, wie die Wachstumsrate, insgesamt höher als die von restriktiv aufgezogenen Kälbern. Um die gewünschte Wachstumsintensität nach dem Absetzen zu erreichen, genügt daher eine Ration mit 10,5 bis 11,0 MJ ME und 145 bis 160 g Rohprotein je kg Trockenmasse (TM). Dies entspricht etwa einer Milchkuh-TMR, die für Erhaltung und 20 bis 25 kg Milchleistung ausgelegt ist. Diese TMR sollen die Kälber während des Abtränkens kennenlernen und nach dem Absetzen soll sie dann ad libitum angeboten werden und das Beifutter aus der Tränkephase ersetzen.
Ab der Geschlechtsreife sollte die Energiekonzentration auf 9,2 bis 9,7 MJ ME und der Rohproteingehalt auf 125 bis 130 g je kg TM gesenkt werden. Dies entspricht etwa einer Ration für Frühtrockensteher. Grobfutter und Mineralfutter reichen dafür in der Regel aus.
Weide: Es spricht nichts gegen Weidehaltung von Jungrindern sowie auch tragender Tiere. Je nach Fläche und Aufwuchs ist ggf. eine Beifütterung erforderlich. Die Rinder müssen weiter wachsen, dürfen aber nicht verfetten. Zur Abkalbung sollte der BCS zwischen 3,5 und 3,75 liegen.
Intensiv aufgezogene, sechs Monate alte Jungrinder. Sie erreichen einen BCS 3,25 und sind ab sofort „magerer“ zu füttern.
(Bildquelle: Schiewer, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Die Umstellung auf die niedrigere Fütterungsintensität muss in Abhängigkeit von der Kondition erfolgen – ab einem BCS 3,25 bzw. einem erreichten Lebendgewicht von 220 kg wird gewechselt. Tiere, die früher als der Durchschnitt der Gruppe geschlechtsreif werden, und BCS 3,25 erreichen, sollten möglichst einzeln vorab umgestellt werden. Nur eine regelmäßige BCS- und Gewichtskontrolle erlaubt hier ein genaues Arbeiten.
Ab BCS 3,25 oder einem Lebendgewicht von 220 kg wird auf die niedrigere Fütterungsintensität umgestellt.“
Dr. Anke Schuldt
Ausgehend von dieser Fütterung erreichen Holstein-Jungrinder die zur Erstbesamung angestrebten Kennzahlen: BCS 3,1 bis 3,4 bzw. ein Lebendgewicht von 420 kg im Alter von 15 bis 17 Lebensmonaten.
Eine zu späte Umstellung auf eine geringere Fütterungsintensität führt zu einer Verfettung der Rinder, die später nicht mehr korrigiert werden kann. Zudem erreichen durchgängig intensiv aufgezogene Rinder eben sehr früh Konditionsnoten und Gewichte, die sie als besamungsreif einstufen, im Extrem schon mit zehn Monaten.
Liegt das Problem von zu früh reifen Rinder bereits vor, sollten diese Tiere dennoch frühestens mit 13 Monaten besamt bzw., wenn sie deutlich zu fett sind (BCS >3,6) als Schlachtrind verkauft werden. Denn eine zu hohe Kondition zur Besamung hat deutliche, negative Einflüsse auf die Leistungen und damit Wirtschaftlichkeit der Rinder.
Geringe Erstkalbealter bergen Nachteile
Untersuchungen an der Hochschule Neubrandenburg zeigten, dass Rinder mit einer hohen Kondition zur Zuchtreife (BCS ≥3,6) gegenüber solchen mit mittlerer Kondition (BCS ≥3,1 bis <3,5) früher zuchtreif sind sowie früher kalben und dass dies Nachteile birgt.
Die aufzuchtbedingt frühreifen Tiere zeigen bereits in der ersten Laktation mehr Schwergeburten, eine schlechtere Fruchtbarkeit, höhere Erkrankungs- und Abgangsraten sowie eine niedrigere Milchleistung und Nutzungsdauer.
Durchgängig, also auch nach der Geschlechtsreife, intensiv aufgezogene Rinder haben eine geringere Lebensleistung.“
Dr. Anke Schuldt
Ergebnisse im Detail – immer BCS ≥3,6 vs. BCS ≥3,1 bis <3,5: Trächtigkeitsrate aus Erstbesamung der Färsen 51 % vs. 65 %; Totgeburtenrate 16 % vs. 9 %; Anteil leichter Kalbungen 37 % vs. 63 %; Zwischenkalbezeit über alle Kalbungen (bei einzelnen Tieren bis 7. Kalbung) 434 Tage vs. 411 Tage; Rastzeit 84 Tage vs. 75 Tage; Verzögerungszeiten ab der 1. Kalbung 69 Tage vs. 58 Tage; Lebensleistung 26.530 kg Milch vs. 28.083 kg Milch.
Die Kennzahlen der Effektivität der Milchleistung liegen bei den zu hoch konditionierten Rindern zur Erstbesamung signifikant unter denen von passend konditionierten: Nutzungseffektivität 23,9 kg vs. 25,7 kg Milch/Nutzungstag; Laktationseffektivität 27,3 kg vs. 29,4 kg Milch/Melktag. Nutzungsdauer 2,5 vs. 2,7 Jahre, Abgänge in der ersten Laktation 27 % vs. 21 % und Erkrankungen bis zur 4. Laktation pro Tier 3,5 vs. 3,1.
Fazit: Ziel muss es sein, es gar nicht so weit kommen zu lassen, dass Jungrinder zu früh zuchtreif werden, indem die Fütterungsstrategie der Rinder entsprechend den hier genannten Empfehlungen angepasst werden.
Eine Trocken-TMR für Kälber kann ohne großen Aufwand selbst gemischt und auf Vorrat gelagert werden. Wichtige Tipps und ein Beispiel-Rezept aus der Praxis.
Jungrinder sollten die fruchtbarsten Tiere im Bestand sein. Trotzdem zeigen einige keine oder unregelmäßige Brunsten oder nehmen nicht auf. Woran scheitert es?