Alte Kuhställe sind oft Kompromisse für das Tierwohl. Zu wenig Liegezeit und zu wenig Futteraufnahme, – das sind häufig die Probleme in Altgebäuden. Berufschullehrer und Berater Fabian Dettwiler vom Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft im Kanton Basel-Land (Schweiz) hilft Betrieben dabei, ihre Ställe so umzubauen, dass für die Kühe dabei mehr Komfort entsteht.
„Wir müssen...
Alte Kuhställe sind oft Kompromisse für das Tierwohl. Zu wenig Liegezeit und zu wenig Futteraufnahme, – das sind häufig die Probleme in Altgebäuden. Berufschullehrer und Berater Fabian Dettwiler vom Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft im Kanton Basel-Land (Schweiz) hilft Betrieben dabei, ihre Ställe so umzubauen, dass für die Kühe dabei mehr Komfort entsteht.
„Wir müssen bestmögliche Bedingungen für die Kühe schaffen, sodass sie ihr Potential voll ausschöpfen können“, erklärt Fabian Dettwiler. „Dafür ist es wichtig, zu optimieren statt maximieren. Nur bleiben sie gesund, leistungsfähig und bereiten Freude.“ Als Berater wird er meist bei Problemen mit der Tiergesundheit gerufen. Anhand eines Stallchecks, der auf den „
Sechs Freiheiten der Weide“ (Christian Manser) basiert, begibt er sich dann auf einen Stallrundgang. Dabei beobachtet er besonders die Kühe, erklärt er.
Der Stall muss optimal zur Kuh passen, damit sie ihr volles Potenzial ausschöpfen kann.
Fabian Dettwiler, berät Milchkuhbetriebe in der Schweiz in Sachen Stallumbau
In den vergangenen Jahren hat er einigen Milcherzeugern dabei geholfen, ihre Kuhställe für mehr Kuhkomfort und Tierwohl zu optimieren. Obwohl jeder Betrieb andere Voraussetzungen mitbringt, gibt es fünf zentrale Baustellen im Altgebäude, an denen man meist noch etwas mehr für das Tierwohl tun kann. Das sind die wichtigsten (häufigsten) Baustellen:
1. Zentrale Abkalbebox
Wo beginnt man, wenn man mehr Tierwohl in den alten Kuhstall bringen möchte? Fabian Dettwiler rät dazu, die Abkalbebox als erstes ins Visier zu nehmen. Die Abkalbebox kann man idealerweise so zentral planen, dass man im Arbeitsalltag immer wieder daran vorbeiläuft. Das vereinfacht die Tierkontrolle. Damit man sich im Zuge eines Umbaus nicht den optimalen Platz für diese zentrale Abkalbebox „verbaut“, kann es sinnvoll sein, diese zuerst umzusetzen.
Der Vorteil des Abkalbestalls gegenüber der Abkalbung in der Anbindung: Es is stressfreier, sowohl für die Kuh und das Kalb als auch für den Menschen. Weitere Pluspunkte: „90% problemlose Geburten, stoffwechselstabilere Kühe und somit einfachere Starts in die Laktation. Gerade die uneingeschränkte Bewegungsmöglichkeit der Kuh während der Geburt vereinfacht das Abkalben enorm“, weiß Faban Dettwiler.
2. Maße von Liegebox und Futtertisch
Milchkühe sind in den vergangenen Jahrzehnten tendenziell immer größer geworden. Dadurch sind viele Liegeboxen in Altgebäuden zu eng und zu kurz geworden. Für die Kühe bedeutet es Stress, wenn sie sich in die Liegebox „hineinquetschen“ müssen.
Kühe müssen ruhen können“
Fabian Dettwiler
Ob die Liegeboxenmaße noch zu den Kühen passen, kann man direkt an den Kühen ablesen und dann gezielt die Stalleinrichtung optimieren:
- Liegen die meiste Kühe gerade in den Liegeboxen und viele käuen wieder? Gut! Das bedeutet, dass die Liegeboxen bequem sind und sie genügend Platz haben, sich entspannt abzulegen und aufzustehen.
- Stehen viele Kühe in den Boxen? Achtung! Das kann bedeuten, dass die Liegeboxen zu eng, zu kurz oder zu unbequem sind. Hier besteht Handlungsbedarf!
- Sind die Sprunggelenke einiger Kühe kahl? Kontrollieren Sie, ob genügend Einstreu in den Liegeboxen ist, die die Kuh beim Aufstehen und Ablegen stützt!
Andersherum kann man auch an der Stalleinrichtung ablesen, ob die Liegebox zur Kuh passt. Sehen Sie blanke, glänzende Stellen an den Boxenbügeln? Das ist ein Hinweis darauf, dass die Boxen zu eng sind und die Kühe sich an den Boxenbügeln scheuern. Kühe haben dann oft an den letzten zwei Rippenbögen kleine „Schutzpolster“ ausgebildet. Hier besteht Handlungsbedarf!
Damit Kühe problemlos aufstehen können, benötigen sie zudem ausreichend Platz im Kopfbereich. Denn: Über den Kopfschwung holen sie sich die Kraft zum Aufstehen. Nach vorne reichen rund 120cm Platz, damit Kühe entspannt aufstehen können.
Achtung bei Anbindehaltung: Auch eine Abtrennung zwischen Liegebereich und Futtertisch darf die Kühe nicht beim Aufstehen oder Fressen behindern. Die Abtrennung soll flexibel sein. So dass beim Aufstehen und Abliegen die Kühe nicht beeinträchtigt werden.
3. Ausreichend Tränken
Wasser muss Kühen immer in guter Qualität zur Verfügung stehen. Jede Kuh muss zu jeder Zeit Wasser saufen können. „Im Durchschnitt saufen Kühe acht bis zehnmal pro Tag, jeweils für etwa 30 Sekunden. Ist der Wasserbedarf 100 Liter pro Tag so muss der Nachlauf mindestens 20 Liter pro Minute sein“, erklärt der Berater. Nach dem Melken und der Futteraufnahme ist der Wasserbedarf der Kühe am größten.
„Wenn die man nicht mindestens 20 Liter Nachschub pro Minute hat, säuft die Kuh zu wenig, weil sie die Dauer des Saufvorganges nicht entsprechend verlängert“, erklärt Fabian Dettwiler. „Dann schafft sie ihre 120 Liter pro Tag nicht.“ Und das macht sich sofort in der Milchleistung bemerkbar. „Dann kann das Liegebett noch so gut sein, Wassermangel führt zu Problemen.“ Tipp:
Kontrollieren Sie den Durchfluss in den Wassertränken und optimieren Sie diesen bei Bedarf!
Wie das geht, lesen Sie hier.
Dann kann das Liegebett noch so gut sein, Wassermangel führt zu Problemen.“
Berater Fabian Dettwiler über die Wasserversorgung im Kuhstall
Sind die Kühe in Gruppen untergebracht, müssen mindestens zwei Tränken pro Gruppe installiert sein. Wassertröge müssen dabei so beschaffen sein, dass auch mehrere Kühe miteinander am Trog saufen können. Gerade an Tagen mit hohen Temperaturen verweilen Kühe länger an den Wassertrögen. Dann muss gesichert sein, dass der Trog so breit ist, dass auch rangniedere Kühe genügend Platz und Zeit zum Saufen haben. Fabian Dettwiler empfiehlt etwa 10 bis 15 cm Troglänge pro Kuh.
4. Mehr Licht und Luft hineinlassen
Ob genügend Frischluft in den Stall fließt, kann man testen, indem man sich einmal in eine Liegebox hineinlegt. Spürt man im Kopfbereich einen Luftzug und riecht „Frischluft“? Super. Falls nicht, bekommen auch die Kühe und Kälber nicht ausreichend Luft. Abhilfe schaffen zusätzliche Ventilatoren. Steh-Ventilatoren können dabei im Stalltor stehen und Frischluft von außen in den Stall bringen. Ventilatoren, die schräg über den Kopfenden der Liegeboxen angebracht sind, bringen Frischluft zu liegenden Kühen.
Ebenfalls wichtig: Ausreichend Licht im Stall. „Wenn ich vormittags um 10 oder 11 Uhr in einen Kuhstall komme und der ist dunkel, kann man zum Beispiel das Licht im Stall brennen lassen“, erklärt Dettwiler. Noch besser sind Fenster und Stallöffnungen, die Tageslicht und Frischluft hereinlassen.
5. Wellness-Bereich für Trockensteher
Nicht nur die laktierenden Kühe benötigen so viel Komfort wie möglich, damit sie gesund und leistungsstark bleiben. Auch die trockenstehenden Kühe sollten bestmögliche Stallbedingungen haben. Dafür benötigen sie saubere und bequeme Liegebereiche. Gut geeignet sind dafür eingestreute Strohbereiche. Dafür eignen sich zum Beispiel anliegende Maschinenhallen, die umfunktioniert werden können. Daneben muss der Trockenstehbereich genauso hell luftig sein wie der Laktierendenstall.
Wo fange ich an?
Wer mehrere Baustellen im Kuhstall hat, sollte sich eine Prioritätenliste schreiben, rät Fabian Dettwiler. Das hilft, damit man die Veränderungen trotz vieler Arbeit auch umsetzt und nicht vergisst. Daei hilft es, verschiedene Aufgaben zu priorisieren. Welche Veränderungen kann ich kurzfristig, welche mittelfristig im nächsten halben Jahr umsetzen?
Ein Beispiel dafür, wie ein Milcherzeuger seinen alten Anbindestall erfolgreich und kostengünstig umgebaut hat, um seien Kühen mehr Kuhkomfort zu bieten, lesen Sie hier:
Stallumbau: Upcycling im Kuhstall
Der Kuhkomfort muss entsprechend der Milchleistung „mitwachsen“! Eine stetige Optimierung der Haltungsbedingungen ist ein Muss!
Die Nackenrohre in den Liegeboxen vieler Milchkuhbetriebe müssen in der Höhe angepasst werden. Welche Erhöhung passt und wie am besten umgebaut werden kann.
Schale, Trogtränke oder Kipptränke? Die Auswahl verschiedener Tränkesysteme ist groß. Die Unterschiede liegen im Wassernachlauf, bei der Ventilart und der Reinigungsmöglichkeit.