Über neue Emissionsgrenzen für Milchkuhhalter, aktuelle Zertifizierungsprogramme für die Milch und Investitionschancen in der Ukraine diskutierten Erzeugerberater jetzt in Herrsching.
Die Europaabgeordnete Ulrike Müller hatte für die Milcherzeuger-Berater und damit letztlich für die Betriebe in Herrsching viel im Gepäck: Die Pflicht zur CO2- und zur Methan-Reduktion, die Pflicht zur deutlichen Senkung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes und zur Wiedervernässung von Mooren. „Da mittlerweile der weit überwiegende Teil des Geldes aus Brüssel in Umweltleistungen fließt und die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) immer weiter ausgedünnt wird, könnte die jetzt verabschiedete GAP...
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Die Europaabgeordnete Ulrike Müller hatte für die Milcherzeuger-Berater und damit letztlich für die Betriebe in Herrsching viel im Gepäck: Die Pflicht zur CO2- und zur Methan-Reduktion, die Pflicht zur deutlichen Senkung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes und zur Wiedervernässung von Mooren. „Da mittlerweile der weit überwiegende Teil des Geldes aus Brüssel in Umweltleistungen fließt und die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) immer weiter ausgedünnt wird, könnte die jetzt verabschiedete GAP vielleicht auch die letzte sein“, befürchtete Müller, die für die Freien Wähler im Europaparlament sitzt.
Da immer mehr Geld in Umweltleistungen fließt, könnte die neue GAP vielleicht auch die letzte sein.
Ulrike Müller, Mitglied des Europäischen Parlaments
Ulrike Müller
Mitglied des Europäischen Parlaments
In der fast endlosen Reihe der aufgezählten laufenden Gesetzgebungsverfahren in Brüssel ging allerdings fast unter, was für Milchbetriebe in Zukunft vermutlich eine noch viel größere Herausforderung werden könnte. Denn die EU will die Tierzahl-Schwelle für die Anwendung der Richtlinie über Industrieemissionen deutlich nach unten auf 150 Großvieheinheiten absenken und die Rinderhaltung miteinbeziehen. Diese Betriebe müssten mithilfe der Anwendung von Bestverfügbaren Techniken ihre Emissionen aus dem Gesamtbetrieb ggf. absenken und darüber einen Nachweis führen. „Die Beweislast soll beim Landwirt liegen und das geht aus unserer Sicht gar nicht“, protestierte Müller. Betroffen von der Richtlinie wären 13 % der Viehhaltung der EU, d.h. ca. 185000 Betriebe stellvertretend für 60 % der Ammoniakemissionen und 43 % der Methanemissionen.
Die Abgeordnete kritisierte scharf: „Die Kommission hat hier z.B. bei Rindern keinerlei Folgenabschätzung und keine Bewertung unternommen, ob diese Absenkung überhaupt Sinn macht. Sie zeigt sich beratungsresistent.“ Überhaupt mache ihr Sorgen, dass die überall wahrnehmbare Zeitenwende von der Kommission völlig ausgeblendet werde: „Die EU-Gesetzgebung macht weiter wie bisher und passt sich nicht dem Krisenmodus an. Beim Konsumenten dagegen ist die Zeitenwende längst angekommen.“
In der Ukraine investieren?
Auf die Hauptursache für diese „Zeitenwende“ ging Dr. Olga Trofimtseva ein, die aktuell als Sonderbeauftragte im ukrainischen Außenministerium arbeitet. Sie rief dazu auf, nach dem Krieg in die Milchproduktion des Landes zu investieren: „Die Zukunftsaussichten der Tierhaltung sind sowohl für Deutschland als auch für die Ukraine sehr vage. Vielleicht aber könnte die Ukraine für deutsche Milcherzeuger und Molkereien eine Erweiterungsmöglichkeit in der Zukunft anbieten.“ so Dr. Trofimtseva.
Olga Trofimtseva
Sonderbeauftragte des ukrainischen Außenministeriums
Bild von einem Milchkuhstall in der Ukraine. Zerstörung und Diebstähle sind in den Kampfgebieten an der Tagesordnung. Zum Wiederaufbau fehlt Kapital und Produktionsmittel.
(Bildquelle: Olga Trofimtseva)
Das Potenzial sei groß. Eine gute Verfügbarkeit von Flächen und Arbeitskräften sowie weniger Bürokratie könnte Ausländer locken, um beim Wiederaufbau des Landes zu helfen. Seit dem Kriegsbeginn im Februar habe sich der Milchkuhbestand um mindestens 10 % auf ca. 390 000 verringert, die Milcherzeugung sei um 15 % gesunken. Die Verluste des Sektors werden auf 136 Mio. US-Dollar geschätzt. Der Rohmilchpreis sei aktuell gegenüber der EU um 30 bis 40 % niedriger. Exporte seien aber durch die Abwertung der ukrainischen Währung profitabel.
Viel Fläche und weniger Bürokratie könnte Ausländer locken, um beim Wiederaufbau der Milcherzeugung in der Ukraine zu helfen.
Dr. Olga Trofimtseva, Sonderbeauftragte des ukrainischen Außenministeriums
Rund 200 Erzeugerberater aus Deutschland, Frankreich und Luxemburg informierten sich in Herrsching über Milchqualitäten und den Milchmarkt, Vorhaben der EU und Maßnahmen zum Klimaschutz.
(Bildquelle: Lehnert)
Der großflächige Start der Haltungsform-Kennzeichnung wird wohl erst in den nächsten Monaten erfolgen. Das Bild entstand im März 2022 als die ersten Produkte mit Stufe 3 und 4 ausgelobt wurden.
(Bildquelle: Lehnert)
Start der Haltungsform-Kennzeichnung verschoben
Die weltpolitischen Verwerfungen haben letztlich auch dem Start der Haltungsform-Stufen auf breiter Front im LEH einen Dämpfer verpasst. „Hinter vorgehaltener Hand äußert sich der LEH so, dass er den Start um ein Jahr verschoben hat“, sagt Marie Janson von der Milchzert GmbH, einer Tochter des Milchprüfring Bayern. Hier stehe zum Teil die Infrastruktur noch nicht, die Systemgeber seien noch in der Bringschuld.
Allerdings seien mittlerweile wieder zusätzlich zu QM-Milch, Dt. Tierschutzbund und DLG-Tierwohl, weitere Zertifizierungs-Programme für die Milch hinzugekommen. Zum Beispiel das Programm für Weidehaltung von der Hochland Group oder Naturplus von Attenberger Fleisch. „In einzelnen Kriterien sind die Programme leider schwer vergleichbar“, so Janson.
Die Bündlerpflichten können sich bei den anstehenden Antibiotika-Monitorings unter Umständen doppeln. Das heißt auch doppelte Kontrollen.
Marie Janson, Milchzert GmbH
Bei den in Kürze anstehenden Antibiotika-Monitorings, die sowohl vom Staat über HIT-Tier als auch von QM-Milch ab Januar 2023 kommen, gebe es noch zahlreiche offene Fragen. „Unglücklich ist hier besonders, dass sich Bündlerpflichten noch doppeln. So hat ein Landwirt, der bei QM-Milch +, QM ++ und zusätzlich QS mitmacht, mit drei verschiedenen Bündlern zu tun. Und das heißt letztlich auch mit drei Kontrollen“, so Janson. Hier gebe es noch Klärungsbedarf.
Hemmstoffabzüge zurück gegangen
Über einen deutlichen Rückgang der monatlichen Hemmstofffälle mit Preisabzug berichtete Christine Röhrl, neue Geschäftsbereichsleiterin Technik vom Milchprüfring Bayern e.V. Obwohl die Tankmilch seit der neuen Rohmilch-Güteverordnung 2021 mit dem sensibleren BRT hi-sense insgesamt auf acht antibiotische Wirkstoffe aus den Wirkstoffgruppen Penicilline und Cephalosporine und auf fünf zusätzlicher Wirkstoffe aus anderen Wirkstoffgruppen sowie mit dem BRT q-sense nach Chinolone untersucht werde, sei die Fallzahl zurück gegangen (siehe Übersicht). Bei Chinolone habe es bisher keine einzige positive Probe gegeben, so Röhrl.
Monatliche Hemmstoffabzüge in Bayern (Vergleich BRT – BRT hi-sense)
Trotz höherer Empfindlichkeit des neuen BRT hi-sense-Tests ist die Zahl der positiven Hemmstofffälle in den Betrieben des Milchprüfrings Bayern zurück gegangen.
Hinweis: Ein weiterer Themenblock der Tagung drehte sich um das Thema Klimaschutz und Klimalabel. Diesen Beitrag mit konkreten Maßnahmen fassen wir separat für Sie zusammen. Sie lesen ihn in Kürze auf Elite-online.
Zur diesjährigen Arbeitstagung der Milcherzeugerberater des Landesverbandes Bayerischer und Sächsischer Molkereifachleute und Milchwirtschaftler e.V. sind in diesem Jahr 200 Berater nach Herrsching gereist.
(Bildquelle: elite)
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