Dass die neuen sensibleren Tests in der Tankmilch auch mehr Antibiotika-Rückstände finden, haben die Milchlabore und Molkereien nach ihrer bundesweiten Einführung im Juli 2021 durchaus erwartet. Denn schließlich haben die Tests einerseits eine höhere Nachweisempfindlichkeit und können gleichzeitig deutlich mehr Substanzgruppen in der Rohmilch auffinden als frühere Tests.
„Es kommt häufiger zu positiven Ergebnissen in der Routineuntersuchung bei uns. Und auch bei den zur...
Dass die neuen sensibleren Tests in der Tankmilch auch mehr Antibiotika-Rückstände finden, haben die Milchlabore und Molkereien nach ihrer bundesweiten Einführung im Juli 2021 durchaus erwartet. Denn schließlich haben die Tests einerseits eine höhere Nachweisempfindlichkeit und können gleichzeitig deutlich mehr Substanzgruppen in der Rohmilch auffinden als frühere Tests.
„Es kommt häufiger zu positiven Ergebnissen in der Routineuntersuchung bei uns. Und auch bei den zur Nachuntersuchung eingehenden Milchsammelwagen-Touren, die bei der Eingangskontrolle in der Molkerei positive Ergebnisse aufwiesen, ist ein leichter Anstieg bei einigen Molkereien zu verzeichnen“, berichtet Mona Suchy, Laborleiterin beim HVL in Alsfeld. Die Gesamtzahl der positiven Fälle habe sich im letzten halben Jahr gegenüber früher verdoppelt.
Neue Rohmilch-Güteverordnung
Mit der neuen Rohmilch-Güteverordnung (RohmilchGütV) am 1. Juli 2021 wurden auch empfindlichere Hemmstofftests für die Tankmilch eingeführt, die dem EU-Lebensmittelhygienerecht entsprechen. Sie können einerseits mehr Substanzgruppen nachweisen und gleichzeitig erfassen sie schon geringe Mengen, d.h. sie unterschreiten die gesetzlich zulässigen Rückstandshöchstmengen (MRL) zum Teil deutlich. Solche neuen Testsysteme werden von mehreren Firmen angeboten. Es gibt z.B. BRT hi-sense, Delvotest T oder Milchtest MT Sensitiv.
Bei Einzeltierproben auf dem Hof reichen nach wie vor die gängigen mikrobiologischen Hof- bzw. Schnelltests. Man sollte jedoch bei seiner Molkerei nachfragen, ob sie einen Test empfehlen. Während mikrobiologische Tests die ganze Bandbreite an Wirkstoffen abdecken, testen Schnelltests sehr spezifisch auf das Vorhandensein nur bestimmter Antibiotika.
Gleichzeitig Probenanzahl verdoppelt
Von ähnlichen Steigerungsraten berichten auch andere Milchuntersuchungs-Labore im Bundesgebiet. Peter Höckels vom Landeskontrollverband NRW stellt ebenfalls mindestens eine Verdopplung fest. Jörg Buermeyer vom IfM in Verden (Niedersachsen) spricht gar von einer Verdrei- oder Vervierfachung: „Früher hatten wir bei unseren 2 200 Lieferanten circa vier Fälle im Monat, heute sind es 14 bis 16 Fälle!“
Allerdings kann davon nur ein Teil mit der höheren Empfindlichkeit der Tests erklärt werden. Denn gleichzeitig wurde bei einigen Laboren auch die Anzahl der monatlichen Untersuchungen pro Betrieb bei den Molkereien von zwei auf vier erhöht. „Nur etwa 10 % des Anstiegs der Fallzahlen ist auf die neuen Tests zurückzuführen. Das ergeben die Hemmstoffidentifizierungen, die wir bei allen positiven Proben vornehmen“, sagt Dr. Markus Albrecht vom Milchprüfring Baden-Württemberg e.V. in Kirchheim/Teck, wo schon seit Jahrzehnten von den meisten Molkereien pro Betrieb vier Proben im Monat getestet werden.
Insgesamt noch niedriges Niveau
Der Milchprüfring in Bayern, der bereits Mitte 2020 den neuen sensitiveren Test BRT hi-sense eingeführt hat und wo auch viermal pro Kalendermonat getestet wird, stellt ebenfalls keinen merklichen Anstieg fest. Wie die Zahlen des Milchprüfring Bayerns e.V. zeigen, kam es zwar zu einer Erhöhung der positiven Nachweise von Hemmstofffällen, das Niveau des Vorjahres wurde aber kaum übertroffen und im Vergleich zu den Jahren 2018 und früher wurden trotz sensiblerem Testsystem deutlich weniger positive Ergebnisse ermittelt.
Das Niveau der positiven Fallzahlen insgesamt bewege sich trotz der zum Teil gravierenden Steigerungsraten aber immer noch in einem sehr niedrigen Nachkommastellenbereich, bestätigen die Labore unisono. „Betrug die Rate der positiven Fälle bei uns im ersten Halbjahr 2021 0,037 %, stieg sie im zweiten Halbjahr auf 0,093 %“, berichtet Peter Höckels vom Landeskontrollverband NRW. Bayern liegt bei 0,02 %. Laut Milchprüfring Bayern zeige der langjährige Trend die erfolgreiche Arbeit der Milcherzeuger, nach notwendigen Behandlungen der Kühe Rückstände aus der Anlieferungsmilch fernzuhalten.
Welche Fehler werden noch gemacht?
Als häufige Ursachen für Hemmstoffe in der Milch nennen die Berater, Verwechslungen der Tiere und eine mangelhafte Kommunikation der Zuständigen im Stall. In Betrieben mit Melkroboter käme es zudem häufig zu Fehlern bei der Eintragung behandelter Kühe ins Herdenmanagementprogramm. Eine gute Kommunikation zwischen den Mitarbeitern im Betrieb, eine sorgfältige Dokumentation sowie der intensive Austausch mit dem Tierarzt sind daher wichtiger denn je.
Die Verwendung eines unpassenden Schnelltests, der nicht dem eingesetzten Antibiotikum entspricht sowie eine fehlerhafte Durchführung bzw. Umwelteinflüsse auf dem Hof gehören ebenfalls zu den Risikofaktoren für ein falsch negatives Ergebnis und in Folge einen positiven Fall: „Wichtig ist, dass der Hoftest auch wirklich die im Bestand angewandten Substanzen nachweisen kann“, rät Mona Suchy vom HVL. Wenn Zweifel bestehen, rät sie dazu eine Sonderprobe im Labor untersuchen zu lassen. Wichtig dabei: Auch das Labor sollte wissen, welches Antibiotikum verwendet wurde.
Die Experten nennen außerdem eine Fehlinterpretation der Ergebnisse sowie die nicht korrekte Durchführung der Tests als weitere Fehlerquellen: In manchen Fällen werde bei den mikrobiologischen Tests auch die Bebrütungszeit nicht immer genau eingehalten. „Wird zu lang bebrütet, schlägt ein positives Ergebnis wieder in ein negatives um“, warnt Peter Höckels, LKV NRW. „Auf eine Zeitschaltuhr würde ich mich bei diesem Thema nicht verlassen und dabei bleiben, bis man selbst den Farbwechsel sieht“, so der Experte.
Wer dabei ganz sicher gehen will, sollte eine negative Probe mitlaufen lassen. Der Handel bietet auch elektronische Hemmstofftester, die das Ergebnis der Probe zum Zeitpunkt höchster Empfindlichkeit auslesen. Entscheidend für die Qualität der Testung sei zudem, dass die Milchprobe aus dem Gesamtgemelk genommen werden müsse und nicht aus dem Anfangsgemelk.
Verschleppungen im Melkstand und Melkroboter vermeiden
Durch die hohe Sensibilität der neuen Tests muss es, neben der guten fachlichen Praxis (richtige Applikation, Einhaltung der Wartezeit…) beim Antibiotika-Einsatz, oberstes Ziel sein, Verschleppungen zu verhindern. Dabei stehen u. a. Verschleppungen mit Euterinjektoren im Fokus. Sie enthalten Kriechöle, die sich in den milchführenden Teilen festsetzen können und sich allein mit kaltem Wasser nicht entfernen lassen.
Im Melkstand sollten Melkzeuge deshalb nach einer Kannenkuh nicht zunächst mit kaltem Wasser, sondern zusätzlich mit sehr heißem Wasser nachgespült bzw. die Hemmstoffkühe am Ende der Melkzeit gemolken werden. Für Melkroboter geben die Hersteller folgende Lösungen vor:
- Für die Melkroboter von DeLaval gibt es die Richtlinie, dass nach jeder Behandlungskuh, insbesondere bei Kühen, die mit einer Eutertube behandelt wurden, nach dem Melkvorgang eine heiß chemische Anlagenreinigung durchgeführt werden muss.
- GEA hat für Hemmstoffkühe eine Heißwasser-Kurzreinigung (mit einer empfohlenen Temperatur von 80 °C) mit Reinigungsmittel vorgesehen, bei der die direkt betroffenen Bereiche, die mit der Milch in Berührung kommen, gereinigt werden. Hemmstoffkühe können so unabhängig von der Systemreinigung gemolken werden.
- Bei den Melkrobotern von Lely ist eine kurze, lokale Spülung nach Milch-Separationskühen vorgesehen. Der Landwirt entscheidet sich für eine Kaltwasserspülung mit normaler oder doppelter Wassermenge (A3, A4, A5), für eine kurze Heißwasserreinigung (A3 mit hotfill) oder eine kurze Heißwasserreinigung mit alkalischem Reinigungsmittel (A4, A5). Letztere Zwischenspülung bietet am meisten Sicherheit und ist insbesondere beim Einsatz von Euterinjektoren, welche häufig ölige Stoffe enthalten, zu empfehlen. Neben der Option alle lokalen Spülungen als Heißwasserreinigung durchzuführen, kann diese auch in der Lely Herdenmanagementsoftware Horizon (bzw. T4C) an den Einsatz bestimmter Medikamente gekoppelt werden.
Fehler beim Testen vermeiden
Aber ganz gleich welche Tests eingesetzt werden, nur wenn die Handhabung passt, kann man sich auf die Tests verlassen. Tipps zur korrekten Handhabung:
- Probenahme: Die Probe ist aus einem gut gemischten Gesamtgemelk eines Einzeltiers/Milchtanks (nicht aus Auslaufstutzen!) in ein sauberes Gefäß zu entnehmen.
- Qualität: Frische Probe verwenden. Bei Lagerung Kühlkette einhalten. Keine Wärme oder Sonneneinstrahlung.
- Durchführung: Gebrauchsanweisung beachten. Proben/Teströhrchen kennzeichnen, Thermoblock vorheizen. Ausreichend lange bebrüten (siehe Gebrauchsanweisung). Ablesen der Ergebnisse nach exakt vorgegebener Zeit.
Freitestung zu empfehlen
Zur wirksamen Vorbeugung von positiven Hemmstofffällen sollte man konsequent jedes behandelte Einzeltier nach der Wartezeit mit den verfügbaren Tests auf dem Hof „freitesten“. Denn es reiche nicht allein die Wartezeit einzuhalten, da Rückstände im Tier je nach Stoffwechsellage unterschiedlich schnell abgebaut werden. Sollte die Wartezeit längst überschritten sein und immer noch kein negatives Ergebnis erzielbar sein, liegt die Ursache meist nicht im Einsatz von Antibiotika, sondern das Tier hat dann meist andere Probleme, z.B. eine Stoffwechselerkrankung.
Weitere Informationen zu den neuen
Tests finden Sie hier: