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Ein Trainee im Herdenmanagement

Es gibt zwei Trainee-Programme in Deutschland, um jungen Leuten einen intensiven Einstieg in die Herdenbetreuung zu ermöglichen. Wie laufen die Programme ab?

Eigentlich ist das Herdenmanagement ein richtig cooler Job: Nah an der Kuh und inklusive Denkarbeit, um die Herde gut aufzustellen und langfristig zu verbessern. Dazu kommt auf vielen Betrieben auch die Verantwortung für Mitarbeiter. Berufseinsteiger beginnen meist damit, Teilgebiete wie z.B. die Fruchtbarkeit eigenverantwortlich zu betreuen.
Leider finden viele Betriebe keine geeigneten Menschen für diese Schlüsselposition. Zum einen fehlen Fachkräfte, weil es nach dem Studium an Praxiserfahrung mangelt bzw. die landwirtschaftliche Lehre eher in die Breite ausbildet. Zum anderen ist vielen Absolventen gar nicht bewusst, dass sie an dieser Stelle eine Tätigkeit vorfinden, die Praxis, Fachwissen und erste Führungsverantwortung gut kombinieren kann.
Um junge Menschen an das Berufsbild heranzuführen und Vorurteile abzubauen, haben sich findige Milcherzeuger darum ein interessantes Konzept ausgedacht: ein Trainee-Programm für den Einstieg ins Herdenmanagement. Unabhängig voneinander sind in Schleswig-Holstein bzw. in Niedersachsen zwei Programme entstanden, in denen junge Menschen das Berufsbild des Herdsman bzw. der Herdenmanagerin erlernen können. Wir stellen beide Programme hier kurz vor.

In der Betreuung großer Milchkuhherden entstehen neue Berufe. Was Herdsmen von Herdenmanagern unterscheidet und wie sich findige Landwirte bei der Suche nach guten Mitarbeitern selber helfen! 

DairyQ – zweijährige Fortbildung im Herdenmanagement

DairyQ (Bildquelle: DairyQ)

Das Programm „DairyQ“ ist eine zweijährige Fortbildung zum Herdenmanager und richtet sich in erster Linie an Nachwuchskräfte, die bereits ein landwirtschaftliches Studium abgeschlossen haben oder über einen Fachschulabschluss mit Berufserfahrung verfügen. Die Trainees verbringen zwei Jahre auf einem von sieben großen, zukunftsfähigen Milchkuhbetrieben in Schleswig-Holstein. In dieser Zeit arbeiten sie aktiv im Stall mit und erlernen bzw. übernehmen diverse Management- und Leitungsaufgaben. Ziel ist es, exklusive Einblicke in alle relevanten Bereiche eines Milchkuhbetriebes zu bekommen, Verantwortung zu übernehmen und nach zwei Jahren die eigenen Erfolge zu sehen.
DairyQ bietet die Möglichkeit, sich direkt auf die Milchkuhhaltung zu spezialisieren und sich auf dem Betrieb weiterzuentwickeln. So nehmen die Trainees viel mit, um später eine Leitungsposition zu übernehmen, sei es als Herdenmanager auf einem großen Milchkuhbetrieb oder als Hofnachfolger auf dem elterlichen Betrieb“, erklärt Betriebsleiter und Ausbilder Helge Lange. Während der Ausbildungsjahre erhalten alle Trainees ein vollständiges Gehalt sowie regelmäßige Fortbildungen mit externen Experten.
„Wir freuen uns über junge, engagierte Leute, die Bock auf Kühe haben! Durch die intensive Ausbildung hoffen wir, genau diese Leute auf unseren Betrieben bzw. generell in der Milchkuhbranche halten zu können und immer wieder neue Leute dazuzugewinnen“, sagen Helge Lange und Kim Saß-Hauschildt, ebenfalls Betriebsleiter und Ausbilder.
DairyQ – die wichtigsten Infos:
  • Start ab Anfang August (ggf. flexibel)
  • zwei Jahre auf einem festen Betrieb
  • keine Verpflichtung nach den zwei Jahren
  • Auswahl aus sieben Milchkuhbetrieben in Schleswig-Holstein
  • volles Gehalt von Beginn an; Abrechnung nach Stunden
  • zahlreiche Fortbildungen inklusive, die als Arbeitszeit zählen und deren Kosten die Betriebe vollständig übernehmen
  • Verpflegung, Unterkunft und Fahrtkosten tragen die Trainees; die Unterkunft kann zum Teil auf dem Betrieb erfolgen, andernfalls Unterstützung der Betriebe bei der Wohnungssuche
  • intensives Netzwerk mit allen teilnehmenden Trainees und Betrieben
Die zwei Jahre sind hilfreich, um sich auf dem Betrieb weiterzuentwickeln und in seiner Position zu wachsen.
Helge Lange, Betriebsleiter Schleswig-Holstein

Janika Waller: Eine extrem wertvolle Zeit!

Teilnehmerin Janika Waller (Bildquelle: DairyQ)

Janika Waller stammt von einem Milchkuhbetrieb in Niedersachsen und hat nach dem Abitur zuerst eine Ausbildung in einem landwirtschaftlichen Steuerbüro absolviert. Danach folgte die landwirtschaftliche Lehre und das Studium der Agrarwissenschaften. Weil sie sich schon länger sicher war, gerne im praktischen Herdenmanagement arbeiten zu wollen, hat sie im November 2021 als Trainee auf dem Betrieb Westerkamp Holsteins begonnen.
„Die Zeit hier ist extrem wertvoll! Neben den praktischen Aufgaben im Stall und zahlreichen Fortbildungen habe ich vor allem gelernt, Daten-basiert mit Kennzahlen zu arbeiten. Dazu gehört, Probleme zu erkennen, Ziele aufzustellen, Management-Entscheidungen zu treffen und wiederum die Folgen zu messen.“ Auch Personal-Verantwortung gehört zu den Aufgaben eines Trainees. So ist Janika zum Beispiel dafür zuständig, die Arbeitspläne der Melker zu erstellen und die gesamten Melkabläufe zu kontrollieren.
Janika wohnt zehn Minuten vom Betrieb entfernt in einer WG und ist im engen Austausch mit den anderen Trainees. Ab Oktober 2023, wenn die DairyQ-Jahre um sind, wird sie zu ihrem Freund ziehen und möchte sich dort einen Job im praktischen Herdenmanagement oder ggf. im vor- oder nachgelagerten Bereich suchen. „Die Erfahrungen und Kenntnisse aus den zwei Jahren helfen mir ganz sicher in allen Bereichen.“
Aktuell können Bewerbungen für den Jahrgang 2022/23 und für den im August startenden Jahrgang 2023/24 eingereicht werden. Weitere Informationen gibt es hier:

Kuhtrainee – einjähriges Traineeprogramm auf vier Betrieben

KuhTrainee (Bildquelle: KuhTrainee)

„Kuhtrainee“ ist ein einjähriges Traineeprogramm in der Herdenbetreuung auf modernen Milchkuhbetrieben. Sechs bis acht Trainees pro Jahr beginnen am 1. August und wechseln alle drei Monate auf einen anderen Praxisbetrieb. So lernen die Trainees im Laufe des Jahres insgesamt vier verschiedene Milchkuhbetriebe kennen. Jeder Drei-Monats-Zeitraum steht unter einem bestimmten Thema, zu dem die Trainees in den Betrieben geschult werden und gemeinsame Fortbildungen erhalten:
  1. Umgang mit Problemkühen, Versorgung von Kuh und Kalb rund um die Geburt; Melken/Eutergesundheit; Low Stress Stockmanship
  2. Kontrolle der Fütterung; Herdenmanagementsysteme, Datenerfassung und EDV, Controlling
  3. Fruchtbarkeit (inkl. Besamungskurs), Klauenpflege
  4. Kälberaufzucht, Mitarbeiterführung/Kommunikation
Die Trainees erhalten 1.000 Euro/Monat plus Kost und Logis. Fängt ein Trainee am Ende des Jahres auf einem der Betriebe an, übernimmt dieser die Programmgebühren in Höhe von 3.000 Euro. „Kuhtrainee eignet sich für Fach- und Hochschulabsolventen, aber auch motivierte Quereinsteiger oder Land- und Tierwirte im Gesellenjahr sehen wir gern – Hauptsache, sie haben richtig Lust auf Kühe“, sagt Feneke Bremer, eine der Ausbilderinnen des Programms. Ziel ist, die Trainees schwerpunktmäßig in dem Bereich einzusetzen, der in diesem Block gerade Thema ist, um das, was die Trainees in den Seminaren lernen, auch direkt im Stall umsetzen zu können. Im Anschluss können die Trainees einen Job auf einem der Betriebe annehmen oder ihre eigenen Wege gehen.
Gegründet hat Kuhtrainee eine Gruppe junger Hofnachfolger, die selber gerne Zeit im Stall verbringen, gleichzeitig aber auch auf gute Mitarbeiter angewiesen sind: „Mir macht es Spaß, mein Wissen über Kühe weiterzugeben“, erklärt Jan Brokering, ebenfalls Ausbilder, „die Arbeit mit jungen Menschen auf Augenhöhe fordert einen selbst immer wieder neu heraus. Und wenn wir am Ende vielleicht noch ein, zwei Menschen davon überzeugen, einen Arbeitsplatz im Kuhstall anzutreten, ist das eine Win-Win-Situation für alle.“ Bewerber erhalten ein Vorstellungsgespräch mit zweien der Ausbilder. Entscheiden sie sich für das Jahr, werden je vier Betriebe zusammengestellt, die sich gut ergänzen (z.B. größer/kleiner, automatisches oder konventionelles Melken, …) und die Trainees dann jeweils einem „Vierer-Päckchen“ zugewiesen. Derzeit läuft bei Kuhtrainee der vierte Jahrgang, der fünfte ist in Planung.
Kuhtrainee – die wichtigsten Infos:
  • ein Jahr
  • Beginn: 1.8.
  • Vier thematische Blöcke und vier verschiedene Betriebe, auf denen die Trainees jeweils drei Monate verbringen
  • in Niedersachsen
  • gemeinsame Fortbildungen in jedem Block (im Trainee inklusive)
  • 1.000 Euro Gehalt plus Kost und Logis
  • Programmkosten: 3.000 Euro, die aber übernommen werden, falls der Trainee auf einem der Betriebe anfängt (aber keine Pflicht)
Herdenmanagement ist heute eine abwechslungsreiche, spannende Tätigkeit mit regelmäßigen Arbeitszeiten – dafür möchten wir begeistern!“
Jan Brokering, Brokering Milch KG, Niedersachsen (Ausbilder bei Kuhtrainee)

Deeke Galts: „Kuhtrainee hat das Herdenmanagement bei uns zu Hause weitergebracht!“

Deeke Galts ist nach dem Traineeprogramm wieder zurück im eigenen Betrieb. (Bildquelle: privat)

Deeke Galts hat nach dem Abi und einem Auslandsjahr Agrarwissenschaften in Kiel studiert. Ihm war wichtig, in relativ kurzer Zeit mehrere gut funktionierende Milchkuhbetriebe kennenzulernen. Heute ist er zurück im elterlichen Betrieb mit 120 Kühen. Er sagt: „Kuhtrainee war total hilfreich, einfach weil man vier verschiedene Betriebe genau kennengelernt hat; man nimmt von jedem etwas mit.“
Im Trainee mochte er den Wechsel zwischen Routine-Arbeiten, z.B. der Frischmelkerkontrolle, und neuen Herausforderungen bzw. zunehmend mehr Verantwortung im Laufe des Jahres: „Cool war, als ich das erste Mal ein ganzes Wochenende lang alleine die Verantwortung fürs Herdenmanagement getragen habe. Und im zweiten Halbjahr durfte ich auf einem Betrieb die Fruchtbarkeit eigenverantwortlich managen. Diese Erfahrungen haben auch das Herdenmanagement bei uns zu Hause weitergebracht.“
Derzeit läuft die Bewerbungsphase für den Kuhtrainee-Jahrgang 23/24. Weitere Informationen gibt es hier:

Fazit: Für jeden was dabei

Wettbewerb macht‘s möglich: Dadurch, dass sich unabhängig voneinander zwei verschiedene Programme mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen entwickelt haben, können sich junge Menschen mit Interesse am Herdenmanagement intensiv aus- und fortbilden lassen, auch ohne eigenen Betrieb. Wer ein bis zwei Jahre investieren möchte und örtlich flexibel ist, kann neben Fachinfos auch eine Menge Praxiserfahrung sammeln.
Hinweis: In diesem Beitrag beziehen wir uns auf Traineeprogramme, in denen mehrere junge Menschen gleichzeitig eine Ausbildung durchlaufen. Milcherzeuger Sönke Holling aus Osterstedt (Schleswig-Holstein) hat ebenfalls ein eigenes, für seinen Betrieb zugeschnittenes Traineeprogramm entwickelt. Er bietet einen Platz pro Jahr an (weitere Informationen hier – Hof Holling).

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