Elite Dairy Tour 2021

„Wir sind nicht bange vor der Zukunft“

Milchhof Diera KG: 1.550 Kühe, darunter 80 Jerseys, fast 13.000 kg Milch, ein neuer Transitstall und positiv in die Zukunft der Milchproduktion blickend.

Betriebsspiegel 

1.550 Kühe 
12.900 kg Milch 
ca. 750 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche (Futterbau) 
32 Ak (Milchproduktion) 
Endlich in Sachsen, endlich in Diera-Zehren, endlich auf dem Milchhof Diera! Die Milchfarm steht schon lang auf unserer Liste. Nach einigen Umbaumaßnahmen und dem Neubau eines Transitstalls war es nun möglich, einen Blick auf die vielköpfige Herde zu werfen, nach den Erfolgsfaktoren zu fragen und uns von der positiven Einstellung gegenüber der Milchproduktion beeindrucken zu lassen.

Torsten Schlunke (link) ist für Herde und Mitarbeiter verantwortlich, Marko Schlunke für die kaufmännische Leitung.  (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Optimieren statt wachsen

Die landwirtschaftliche KG am Standort in Diera-Zehren, rund 30 km entfernt von Dresden, besteht seit 1991. Drei Familien haben damals den Betrieb als klassische Wiedereinrichter gemeinsam aufgebaut und von Beginn an auf die Spezialproduktion Milch gesetzt. 1994 wurde der erste Kuhstall für 480 Kühe mit Melkkarussell erbaut. Von da an ist die Herde stetig gewachsen. Der letzte große Schritt erfolgte 2012/2013 mit dem Sprung von 800 auf 1.550 Kühe plus Nachzucht. Seitdem werden jährlich rund 18 Mio. kg Milch produziert. 
„Wir haben in den letzten Jahren viel Geld in die Hand genommen. Mit dem Wachstum konnten wir aber immer eine Entwicklung generieren, ohne dass es einen konkreten Masterplan gab“, erzählt Marko Schlunke. Weiter wachsen werde man jetzt aber nicht mehr. Der Standort ist ausgereizt (u.a. aufgrund der Nähe zur Elbe), das Futter war in den vergangenen trockenen Jahren extrem knapp und auch die politischen Rahmenbedingungen lassen eine Erweiterung kaum mehr zu. Jetzt stehen Optimierungsmaßnahmen auf dem Plan!
Heute wird die Milchhof Diera KG gemeinsam von den Familien Schlunke und Rühle bewirtschaftet. Marko Schlunke ist für die kaufmännische Leitung verantwortlich, sein Bruder Torsten Schlunke für die Kuhherde und die Mitarbeiter. Ihr Vater Dieter Schlunke war und ist leidenschaftlicher Züchter und hat die Kühe auch heute noch im Blick. Auch Familie Rühle ist in der Milchproduktion tätig und kümmert sich vorrangig um das „Tagesgeschäft“, Fütterung und Futtereinkauf. Eine vierte Gesellschafterin ist für die Direktvermarktung und Dokumentation verantwortlich.

Seit Februar 2021 werden alle Transitkühe im neuen Stall gehalten.  (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

2. Standort für Futter und Jungvieh

An einem zweiten Standort, der ebenfalls zur KG gehört, werden zusätzliches Futter produziert und Aufzuchtrinder (vorrangig Tragende) gehalten. „Eine Färse wird der Kuh futtertechnisch zur Konkurrenz, deshalb lagern wir sie vom Hauptstandort aus“, erklärt Marko Schlunke. In den letzten Jahren war das Futter knapp, sodass sie sogar Futter zukaufen mussten. In diesem Jahr sieht es zum Glück wieder besser aus.
Den Futterbau organisieren sie in Kooperation mit benachbarten Unternehmen, die vorrangig Markfrüchte anbauen (typische Ackerbauregion). Die Außenwirtschaft übernimmt ein Lohnunternehmen, mit dem sie intensiv zusammenarbeiten. „Wir könnten die Spezialtechnik selbst nicht zu 100 % auslasten und die Mitarbeiter dazu auch nicht“, ist sich Schlunke sicher. Neben Dauergrünland und 800 Hektar Mais werden rund 200 Hektar Luzerne (statt Feldgras) und ein bisschen Getreide angebaut.
Logistisch gesehen ist der Milchhof zwischen den Großstädten Dresden und Meißen gut gelegen, das gilt vor allem für Mitarbeiter, denn großen Personalprobleme hatten sie bisher nicht. In der Milchproduktion gehören derzeit 32 Mitarbeiter zum Team, die im Zwei-Schicht-System arbeiten. Neben Torsten Schlunke haben drei Herdsmen das Sagen im Herdenmanagement. Zudem werden Land- und Tierwirte in Diera ausgebildet.

Zuchtviehvermarktung als 2. Standbein 

Ein zweites Standbein vom Milchhof Diera ist die Vermarktung abgekalbter Färsen. Seit rund zehn Jahren werden jährlich bis zu 100 Färsen ins Ausland verkauft, vorrangig nach England. „In der Regel gehen alle Tiere zu drei bis vier Stammkunden, alles englische Großbetriebe“, sagt Torsten Schlunke, der sich um die Auswahl und Vermarktung kümmert. Die gesamte Abwicklung läuft über ihren Zuchtverband, der Masterrind GmbH. „Die ausländischen Käufer schätzen die Leistung und Tiergesundheit deutscher Färsen und auch, dass unsere Tiere die Abläufe in einem Großbetrieb kennen“, erklärt Torsten Schlunke weiter.
Bei einer Remontierungsrate von 28 bis 30 %, die Schlunkes anstreben, bleibt viel weibliche Nachzucht übrig. Auf die Strategie „Beef on Dairy“ setzen sie bei 30 bis 40 % der Kühe. Das möchten sie nicht ausweiten, weil sie eben auch weibliche Holsteins gut vermarkten können.  

Elite-Chefredakteur Gregor Veauthier und Betriebsleiter Torsten Schlunke beim Hofrundgang. Ein Besuch bei Milchhof Diera ist jedem Milcherzeuger und Kuh-Fan absolut zu empfehlen. (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Viele Kühe, viele Stellschrauben 

Viele Kühe und viele unterschiedliche Gruppen und Ställe erfordern ein professionelles Herdenmanagement, an dem das Team in Diera stetig feilt. „Wir sehen vor allem in den Abläufen noch Verbesserungspotenzial, um künftig neben mehr Tiergesundheit und Leistung vor allem mit weniger Mitarbeitern bei gleichzeitig besseren Arbeitsbedingungen auszukommen“, sagt Herden-Chef Torsten Schlunke.
Wichtige Aspekte im Herdenmanagement:
  • Für kürzere Wege hat bereits der neue Transitstall gesorgt, in den sie im Februar dieses Jahres eingezogen sind. Die Kühe sind hier in Kleingruppen (sechs bis sieben Kühe) aufgestallt. Jeder Kuh werden hier 11 bis 12 m2 zugestanden. Mehr Kuhkomfort als in diesem Stall geht nicht, sind sich die Schlunke-Brüder einig.
  • Nach der Abkalbung im Transitstall auf Stroh gehen die Kühe zuerst in einen Zweireiher (80 Plätze). Junge Kühe verbleiben separat im Zweireiher, mehrkalbige Kühe gehen nach 30 bis 40 Tagen in Milch in einen Dreireiher. Tragende Kühe wechseln in den Altstall. Derzeit werden sechs verschiedene Rationen gemischt (Trockensteher, Vorbereiter, Frischmelker, Hochleistende, Niederleistende, Altmelker). Gefüttert wird morgens zwischen 4 Uhr und 12 Uhr.
  • Außer Altmelker und Jerseys werden alle Kühe dreimal täglich im 50er-Außenkarussell gemolken. Von 23 Uhr bis 4 Uhr ist niemand im Betrieb, über die restlichen Stunden wird durchweg gemolken (abgesehen von Reinigung und Spülung).
  • Alle Kühe werden ab dem 80. bis 85. Laktationstag wieder besamt, unabhängig von deren Milchleistung. Die durchschnittliche ZKZ liegt bei 417 Tagen, das Erstkalbealter bei 24,8 Monaten.
  • Eine Person ist für alle Besamungen zuständig und wird ggf. von externen Besamunsgtechnikern vertreten. Die Brunsterkennung erfolgt über ein Pedometer bei den Kühen und visuell bei den Jungrindern.
  • Alle weiblichen Tiere werden genomisch typisiert. Die Anpaarung erfolgt über ein Bullenanpaarungsprogramm mit folgenden Kriterien: + 500 kg Milch, keine negativen Inhaltsstoffe, RZS und RZR nicht unter 105, gutes Exterieur und keine Extreme. Zudem setzen sie zunehmend homozygot hornlose Bullen (PP) und zum Teil Frischsperma ein.
  • Die Klauengesundheit sehen Schlunkes als verbesserungswürdig. Zweimal im Jahr übernehmen externe Klauenpfleger den Herdenschnitt, der rund zwei Wochen dauert. Zudem laufen die Kühe regelmäßig durch ein Klauenbad.

GH Lotos – die älteste Dame im Stall. Mit einer beeindruckenden Lebensleistung hat sie 2020 auch an der Schau der Besten in Verden teilgenommen.  (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Sind 13.000 kg Milch wirklich das Ziel? 

Die durchschnittliche Leistung über alle Kühe hinweg liegt derzeit bei 12.900 kg Milch mit 4,07 % Fett und 3,40 % Eiweiß, die Lebensleistung bei ca. 40.000 kg Milch. „Natürlich ist eine Leistungssteigerung immer das Ziel, aber der Balance-Akt wird immer enger. Wollen wir wirklich die 13.000 kg knacken? Mir wären 45.000 kg Lebensleistung wichtiger“, sagt Marko Schlunke kritisch. Man müsse kritisch hinterfragen, wann das System kippt. Ab welcher Leistung leidet die Tiergesundheit? Und vor allem: An welchem Punkt ist es wirtschaftlich am interessantesten?
Am wichtigsten ist uns eine Kuh, die einfach ist!
Torsten Schlunke. 
Bei guter Genetik und entsprechendem Management kommt die Milch in seinen Augen von alleine. Am wichtigsten ist eine Kuh, die einfach ist. D.h. bei der man als Herdenbetreuer nicht viel falsch machen kann. „Wenn wir keine Baustellen im Management hätten, müssten wir doch locker 18.000 kg Milch melken“, meint er und lächelt. Um vor allem den wirtschaftlichen Aspekt im Auge zu behalten, berechnen sie regelmäßig den IOFC.

Die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren: 

1. Genetik (seit 30 Jahren von Dieter Schlunke aufgebaut) 
2. Kuhkomfort (bauliche Bedingungen und Optimierung in den Kuhställen) 
3. Fütterung (Grundfutter und Wechsel in der Fütterungsberatung) 
Die Kombination aus allem macht letztlich den Erfolg aus.
Marko Schlunke 
Bildergalerie 1: 

80 Jerseys für die Zukunft? 

„Wir haben einige Jerseys mehr oder weniger durch Zufall aus Dänemark zugekauft“, so die Erklärung von Torsten Schlunke für die 80 Jerseys, die abgesehen vom Transitbereich als kleine Herde separat gehalten werden und 6.700 kg Milch im Durchschnitt produzieren. Von 50 zugekauften Färsen haben es 50 in die zweite Laktation geschafft - Das hat den Herdenmanager überzeugt, denn das hätten Holsteins in seinen Augen nicht geschafft. Die heute 80 Jerseys belegen einen Stalltrakt, der für die großrahmigen Holsteins sowieso ungeeignet wäre. Da die kleinen Kühe grundlegend gut funktionieren, eine geringe Remontierungsrate aufweisen und wenig Tierarztkosten verursachen, glauben Schlunkes, dass sie „vielleicht mal wichtig werden könnten.“ 
Denn: 100% der Flächen vom Milchhof Diera sind Rotes Gebiet (DüngeVO). Jerseys scheiden weniger aus, benötigen weniger Futter und geben verhältnismäßig viel (dicke) Milch. Eigene Auswertungen zeigen, dass die Jerseys nur 63 % des Futters gegenüber Holsteins benötigen, aber 75 % der Leistung erreichen. „Zum jetzigen Stand rechnen sich Holsteins für uns natürlich besser und das soll auch so bleiben. Bei weniger leistungsstarken Holsteins, weniger Milchgeld oder erneuten Umweltauflagen könnte sich das aber ändern“, meint Marko Schlunke.
Bildergalerie 2:

Direktvermarktung und sächsische Molkerei 

Rund 15 Jahre hat Milchhof Diera seine Milch an die Molkerei Müller geliefert. Heute werden täglich zwei volle LKWs Milch von der sächsischen Molkerei Heinrichsthaler abgeholt und verarbeitet, die nur 40 km entfernt liegt. „Wir sind Sachsen, wir produzieren Milch in Sachsen und möchten auch zu einer Molkerei in Sachsen liefern“, erklärt Schlunke. In seinen Augen müssen Milcherzeuger und Molkerei gegenseitig stolz auf ihr Produkt und ihren Partner sein, um die Milchprodukte auch entsprechend nach außen zu vermarkten.
Wir sind Sachsen, wir produzieren Milch in Sachsen und wir möchten an eine sächsische Molkerei liefern. 
Marko Schlunke
Ein kleiner Teil der Milch wird am Hof über eine Milchtankstelle direkt vermarktet. Das dient aber hauptsächlich der Öffentlichkeitsarbeit, zumal sie auch viele Besichtigungen für Kindergärten und Schulklassen anbieten.
Bildergalerie 3: 

Offen für die Zukunft 

Feststeht: Das Team vom Milchhof Diera KG „kann Kühe“ und möchte auf jeden Fall an der Milchproduktion festhalten. Eine große Herausforderung sehen Schlunkes darin, gute Mitarbeiter zu halten, weil eben nicht alles technologisch lösbar ist, und in der öffentlichen Wahrnehmung. „Wir produzieren in Deutschland ein Produkt mit höchsten Qualitätsstandards. Dieses Bild müssen wir auch nach außen verkaufen und nicht durch den LEH schädigen lassen“, meint Marko Schlunke.
Wir möchten auf keinen Fall aus der Milchproduktion aussteigen, darum ist für uns in Sachen Tierwohl und Umwelt alles denkbar.  
Torsten und Marko Schlunke 
Weiteren Forderungen im Bereich Tierwohl oder Umwelt sehen sie sich gewappnet: „Für uns ist alles denkbar, auch wenn unsere Kühe auf die Weide müssen. Wir spielen alles mit, aber es muss dem finanziellen Rahmen entsprechen.“ Motivation für Kühe, ein moderner Standort und keine Angst vor der Zukunft – so sollte es hoffentlich noch lange weitergehen in Diera.

Das hat uns besonders beeindruckt: 

Die Sponsoren der Elite Dairy Tour 2021. (Bildquelle: Elite )


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