In der Betreuung großer Milchkuhherden entstehen neue Berufe. Was Herdsmen von Herdenmanagern unterscheidet und wie sich findige Landwirte bei der Suche nach guten Mitarbeitern selber helfen!
In Familienbetrieben sind die Familienmitglieder häufig „eierlegende Wollmilchsäue“: Morgens früh melken und füttern, vormittags Büro, nachmittags Termin mit dem Steuerberater. Sie erledigen nicht nur die alltägliche praktische Arbeit, sondern übernehmen als Betriebsleiter auch das „übergeordnete“ Management und die Weiterentwicklung des Unternehmens.
Spezialisierte Tätigkeiten in großen Milchkuhherden
Je größer der Betrieb, desto weniger kann eine einzelne Person all das gleichzeitig abdecken. Immer mehr Kühe benötigen mehr Zeit in der alltäglichen Versorgung und in der Datenpflege. Und spätestens in einem Betrieb mit mehreren hundert Kühen teilt sich die Arbeit im Stall in einen „ausführenden“ (z.B. Frischmelker nach Plan kontrollieren) und einen „planenden“ (z.B. Kennzahlen prüfen und Behandlungsplan gemeinsam mit dem Tierarzt anpassen) Teil auf. Planung, Kontrolle, Übersicht und Optimierung übernimmt der Herdenmanager. Herdsmen oder Herdswomen führen die praktische Arbeit nach Anweisung eigenständig durch. Diese Spezialisierung hat sich in den großen US-amerikanischen Milchkuhherden entwickelt und bewährt sich auch in Deutschland.
Beispiel: Aufbau eines größeren Betriebs
Herdsmen verantworten die tägliche Versorgung der Kühe
Ein Herdsman bzw. eine Herdswoman ist also für die tägliche Versorgung und das Management der Kühe zuständig, meist mit einem Schwerpunkt auf Tiergesundheit und Melken. Aber auch Klauenpflege, Impfungen, die Überwachung der Kalbungen oder das Besamen gehören zum Berufsbild. Einige Herdsmen haben zudem Personalverantwortung für Angestellte im Melkstand oder bei den Kälbern und sind erste Ansprechpartner, wenn im Stall etwas kaputt geht. Sie bilden somit eine Art „mittlere Führungsebene“ auf größeren Milchkuhbetrieben.
Eine offizielle Ausbildung gibt es nicht. Die meisten Herdsman/Herdswoman beginnen nach einer landwirtschaftlichen Ausbildung auf einem Milchkuhbetrieb und arbeiten sich entsprechend ein. Das Problem ist, dass Themen wie Controlling und Datenanalyse im Stall oder erste Führungsfähigkeiten in der Ausbildung nicht vermittelt werden. Statt die potenziellen Führungskräfte mühsam und einzeln nachzuschulen, haben sich verschiedene Landwirte daher etwas eigenes überlegt: ein Traineeprogramm für Herdsmen/-women.
Mittlerweile drei verschiedene Traineeprogramme
Genauer gesagt, gibt es mittlerweile bereits drei verschiedene Traineeprogramme für die Ausbildung zum Herdsman bzw. zur Herdswoman. Fortbildungen zum Herdenmanager (u.a. von Elite) sind meist mehr darauf ausgerichtet, Probleme zu erkennen und strategische Entscheidungen zu treffen. Sie finden berufsbegleitend statt und dauern zwischen einigen Wochen und mehreren Monaten. Die Traineeprogramme hingegen sind als Vollzeitstellen über ein bis zwei Jahre ausgelegt und demnach besonders für Berufseinsteiger oder örtlich flexible Menschen geeignet. Die Trainees sollen vor allem praktische Fähigkeiten im Herdenmanagement erlernen.
Drei verschiedene Gruppen von Milchkuhhaltern haben unabhängig voneinander Traineeprogramme für Herdsmen entwickelt.
(Bildquelle: Elite)
Aus der Not heraus ein Programm erfunden
Entstanden sind die Traineeprogramme, weil Milchkuhhalter sich dem Problem gegenübersahen, diese eigentlich recht attraktiven Stellen (Verantwortung und erste Personalführung, aber trotzdem noch nah an der Kuh) nicht besetzen zu können. „Viele Menschen wissen gar nicht, dass wir heute diesen spannenden und vielfältigen Arbeitsplatz bieten können, ohne dass man ständig Überstunden schieben muss. Wir wollen junge Leute fürs Herdenmanagement begeistern“, sagt zum Beispiel Jan Brokering von Kuhtrainee.
So sind bis heute durch Eigeninitiative drei verschiedene Traineeprogramme entstanden:
Kuhtrainee: Eine Gruppe junger Hofnachfolger aus Niedersachsen bietet ein einjähriges Traineeprogramm an. Die Trainees verbringen je drei Monate auf einem der Betriebe, insgesamt sehen sie also vier verschiedene Milchkuhbetriebe. Jeder Drei-Monats-Zeitraum steht unter einem gewissen Thema (z.B. Block 1: Umgang mit Problemkühen, Geburtshilfe, Datenerfassung und Controlling; Block 2: Melken/Eutergesundheit und Fütterung, …), in dem die Trainees schwerpunktmäßig eingesetzt und außerdem rund drei Tage pro Block gemeinsam extern geschult werden. Das Traineeprogramm kostet 3.000 Euro, was die Trainees nicht bezahlen müssen, wenn sie nach dem Programm auf einem der Betriebe anfangen. Vergütet werden die Trainees mit 1.000 Euro brutto plus Kost und Logis. Das Traineeprogramm beginnt zum 1.8. eines Jahres. Bewerben können sich neben fertig ausgebildeten Landwirten oder Studierenden auch motivierte Quereinsteiger mit ein wenig Kuh-Erfahrung.
Dairy Management-Trainee: Ein zweijähriges Traineeprogramm haben sechs Betriebe aus Schleswig-Holstein entwickelt. Die Teilnehmer verbringen zwei Jahre auf einem Betrieb und werden in einem festen Bereich (Tiergesundheit und Jungvieh) intensiv eingearbeitet. Parallel dazu finden gemeinsame Seminare statt, welche die nötigen Grundlagen vermitteln. Das erste Jahr ist stark auf die Ausbildung am Tier fokussiert, auch werden die Aufgabenbereiche zunehmend breiter (Fruchtbarkeit, Klauenpflege). Im zweiten Jahr liegt der Schwerpunkt in der Betriebsführung (z.B. Controlling, BZA) sowie in Arbeitsorganisation und Mitarbeiterführung. Ziel ist, nach zwei Jahren Traineeausbildung für den Job als Herdenmanager gewappnet zu sein oder den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Die Trainees erhalten ein Gehalt von 2.500 Euro. Die Bewerbungsphase beginnt am 1.8., das Programm startet im Oktober/November. Das Traineeprogramm richtet sich an Studien- oder Fachschulabsolventen.
Dairy Herdsman-Ausbildung bei Sönke Holling: Weil er einen leitenden Angestellten an seiner Seite brauchte, die herkömmliche Ausbildung dies aber nicht bieten konnte, entwickelte Betriebsleiter Sönke Holling aus Schleswig-Holstein vor sechs Jahren ein Traineeprogramm für seinen individuellen Betrieb. Ein junger Land- oder Tierwirt kann ab August ein Jahr lang auf seinem Betrieb Verantwortung übernehmen und erste Führungserfahrung sammeln. Der Herdsman organisiert die tägliche Betreuung der Kühe und verantwortet die Arbeit der drei Azubis. Als Fortbildung nimmt der Trainee an der Weiterbildung „Dairy Herdsman“ der Tierarztpraxis Agroprax teil. Einen anschließenden Arbeitsplatz bietet Holling nicht an. Er stellt lieber jedes Jahr einen Traineeplatz zur Verfügung. „Ich bilde sehr gerne aus und sehe das Traineeprogramm als Ergänzung zur klassischen Ausbildung“, erklärt Holling. Mehr zu diesem Konzept finden Sie in der umfassenden Reportage aus Elite 1/19.
Win-Win-Situation: hochwertige Ausbildung und potenzielle Mitarbeiter
Entstanden sind drei Weiterbildungen, welche die Lücke zwischen Grundlagen (landwirtschaftliche Ausbildung) und spezifischer, auf den Betrieb zugeschnittener Problemlösefähigkeit (Fortbildung zum Herdenmanager) füllen. Zwar gibt es keinen „offiziellen“ Abschluss. Dennoch sind die Programme ein gutes Beispiel dafür, wie Milchkuhbetriebe ein Problem (Mangel an gut ausgebildeten jungen Leuten) kreativ angehen und gemeinsam Lösungen finden.