Bei einer hohen Arbeitsbelastung stellt sich die Frage, wie es weiter geht: Mit der Investition in Technik oder der Organisation von mehreren Arbeitskräften?
Gute Arbeitskräfte sind Mangelware. Zusätzlich steigen die Ansprüche der Arbeitnehmer. Wochenenddienste, Arbeitsspitzen und die Arbeit bei unwirtlichen Wetterbedingungen machen den Beruf nicht unbedingt attraktiv. Das stellt die Landwirte als Unternehmer und Arbeitsgeber vor neue Herausforderungen. Wie können Milcherzeuger Mitarbeiter finden und halten? Und sollte man besser auf Menschen oder Technik setzen? Das war Thema auf der Masterrind Veranstaltung „Arbeitswelt im Wandel“.
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Gute Arbeitskräfte sind Mangelware. Zusätzlich steigen die Ansprüche der Arbeitnehmer. Wochenenddienste, Arbeitsspitzen und die Arbeit bei unwirtlichen Wetterbedingungen machen den Beruf nicht unbedingt attraktiv. Das stellt die Landwirte als Unternehmer und Arbeitsgeber vor neue Herausforderungen. Wie können Milcherzeuger Mitarbeiter finden und halten? Und sollte man besser auf Menschen oder Technik setzen? Das war Thema auf der Masterrind Veranstaltung „Arbeitswelt im Wandel“.
Zwei Praxisbetriebe stellten sich vor – mit unterschiedlicher Herangehensweise. Während auf der Milchhof Pape KG auf Mitarbeiter aus Fleisch und Blut und eine gute Mitarbeiterbindung gesetzt wird, bewältigen auf dem Betrieb von Sven Klingemann Roboter einen Großteil der Arbeit.
Organisation von mehr Arbeit mit mehr Personal
Für Annika Pape ist klar, wer Mitarbeiter führt, sollte empathisch sein und sich in die Lage der Arbeitnehmer versetzten können. 2010 hat ihr Mann den Familienbetrieb im niedersächsischen Landkreis Rotenburg-Wümme von seinem Vater übernommen. Damals waren lediglich zwei Minijobber und ein Azubi angestellt. Mittlerweile sind zehn Fremdarbeitskräfte auf dem Hof rund um die Versorgung der 280 Milchkühe beschäftigt sowie für die 470kw Biogasanlage und den Ackerbau zuständig. Für die Mitarbeiterbindung tun die Betriebsleiter viel. Das geht über die organisatorischen Selbstverständlichkeiten wie Arbeitsverträge hinaus bis zu Adventskalendern für das Betriebspersonal an Weihnachten.
Checkliste der Milchhof Pape KG
Entlohnung und Extras
- Arbeitsverträge und Lohn nach Tarif. Jede Arbeitsstunde wird bezahlt. An Wochenenden und Feiertagen gibt es Zuschläge.
- Mitglied im landwirtschaftlichen Arbeitgeberverband für Hilfestellung bei Verträgen, Abmahnungen oder ähnlichen Fragen
- Betriebliche Altersvorsorge
- 40-Stunden-Woche (Ausnahmen sind möglich, aber die sollten nicht die Regel sein!)
- 13. Monatsgehalt (wenn möglich)
- Anbieten von Fortbildungen – und die Stunden werden auch bezahlt!
- Tankgutscheine
- Jobrad: Ein E-Bike was über den Bruttolohn abgerechnet wird. Das lohnt sich finanziell und bindet die Mitarbeiter zusätzlich.
Organisation:
- aushängende Urlaub- und Dienstpläne
- ausgehängte Arbeitsanweisungen an den entsprechenden Orten im Stall
- „To-Do“-Liste zum Abhaken, auch für Routinearbeiten. Das erleichtert die Kommunikation untereinander und verhindert Missverständnisse
- WhatsApp Gruppe für alle Mitarbeiter sowie nach Arbeitsbereich unterteilt (Melkergruppe, Fütterergruppe, etc.)
- Newsletter jeden Monat mit der Lohnabrechnung: Neuigkeiten vom Betrieb und die aktuellen Milchpreise (Transparenz)
Teambildung und Identifikation mit der Arbeit:
- Arbeitskleidung: betriebseigene Regenjacken, Mützen, T-Shirts, Hoodies ... Das schafft ein einheitliches Auftreten auf dem Betrieb und schweißt das Team zusammen.
- Verpflegung in Arbeitsspitzen auf dem Feld oder Silo als Selbstverständlichkeit
- Getränke, Kekse und Kühlschrank mit Feierabendbier
- Veranstaltungen und Ausflüge: z.B. Kohltour
- Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke oder Adventskalender für alle
- Regelmäßige Mitarbeitergespräche: Zeit nehmen, Meinung hören
Das Team ist mehr als die Summe seiner Mitglieder
Annika Pape, Milchhof Pape KG
Die Mitarbeitenden sollen mit Herz und Hand dabei sein, mitdenken und nicht Dienst nach Vorschrift machen. „Das Team ist mehr als die Summe seiner Mitglieder“, erklärte Annika Pape. Der Aufwand zahlt sich aus, denn der gute Ruf als Arbeitgeber spricht sich rum. So ist es für den Betrieb nicht schwer, neue Arbeiter zu finden. Und dann packen beim Siloabdecken auch gerne Freunde und Familie der Mitarbeiter mit an.
Wer über ordentlich Man-Power verfügt, braucht keine Maschinen. 😅 💪🏻 💨
#zacksilozu #bestesteamderwelt #milchhofpapekg #feierabendbier
Roboter als Arbeitnehmer – was spricht dafür?
Bei Sven Klingemann lockt die moderne Technik und der hohe Technisierungsgrad jedes Jahr neue Auszubildende auf den Betrieb in der Nähe von Hannover. Insgesamt sind derzeit drei Azubis angestellt sowie eine Arbeitskraft auf 450 € Basis und ein fester Mitarbeiter. Vier Melkroboter, Spaltenroboter und eine vollautomatisierte Fütterung für die rund 300 Milchkühe inklusive Trockensteher erledigen den Rest der Arbeit. Für Sven Klingemann ist klar, wer auf Technik setzt, sollte Lust auf Technik haben. Für diejenigen, die den täglich engen Kontakt zu ihren Tieren brauchen, sei das sicherlich nicht der richtige Weg, ist seine Meinung.
Doch Klingemann hat sich ausgerechnet, wieviel Geld er mit der Automatisierung spart. Beim Melken und in der Fütterung sind das zum Beispiel die Energiekosten und Arbeitszeit. So reicht es beispielsweise, am 23.12. die Futterhalle aufzustocken und sich dann erst wieder am 27.12. um die Fütterung zu kümmern. Dank automatisierter Technik kein Problem. Neben der Einsparung der Arbeitszeit hat sich die Aufteilung der Zeit für die einzelnen Aufgaben verschoben.
Täglicher Arbeitszeitaufwand pro AKh in Stunden während der Etappen der Betriebsentwicklung
Nachteile der Technik – ständig auf Störung?
Das große Contra der Technik ist die ständige Erreichbarkeit. Nachts holen Sven Klingemann circa alle zehn Tage Alarme der Technik aus dem Schlaf. Manchmal sind es nur kleine Störungen, wie verdrehte Melkbecher, die innerhalb einer Minute behoben werden können. Das ist umso frustrierender, denn die Nachtruhe ist trotzdem unterbrochen. Ungefähr neun Mal im Jahr kommt es zu größeren Störungen, bei denen auch externe Hilfe benötigt wird.
Die Technik ist voll ausgelastet. Fehler sind zeitlich nicht drin. Punkte, die der Milcherzeuger noch als Contra der Technik einstuft, sind die Wartungskosten, die Abhängigkeit vom Hersteller und die eingeschränkte Erweiterbarkeit des Betriebes. Außerdem stellt das Einstreuen der Liegeflächen einen Mehrarbeitszeitaufwand dar, da im Melkroboterstall die Boxen ständig belegt sind. Ebenso erfordert das Trockenstellen der Tiere im AMS-Betrieb mehr Planungsaufwand.
Aber all die negativen Punkte werden für Sven Klingemann durch die vielen positiven Seiten wieder wettgemacht: Mehr Melkungen, eine ruhigere Herde und gleichmäßigeres Arbeiten. Die Verlässlichkeit der Technik, die fehlenden menschlichen Hürden und die deutlich geringeren Kosten durch Einsparung von Arbeitszeit und Energie stellen ihn ebenfalls zufrieden.
Nie wieder selber füttern
Blick in die Zukunft
Trotz unterschiedlicher Meinung zur Automatisierung im Kuhstall sind sich Annika Pape und Sven Klingemann bei zukünftigen Herausforderungen einig:
flexibel bleiben
Mut zur Veränderung haben
Bei Fragen nach links und rechts schauen
von Besseren lernen
Quelle: „Arbeitswelt im Wandel“, Masterrind Veranstaltung, November 2021