Familie Wimmer aus Oberbayern scheut keine Mühen, um wüchsige, fitte Kälber heranziehen zu können. Der Lohn dafür sind auch überdurchschnittliche Verkaufserlöse am Markt.
Ende April können auf dem Hof von Familie Wimmer in Feldkirchen-Westerham bei München endlich die ersten Trockensteher und das Jungvieh auf die Weide. Auch die Kälber ab einem halben Jahr dürfen in Kürze in die so genannte Anlernweide.
„Wenn man die Tiere früh an die Weide gewöhnt, fressen sie da auch ordentlich und es kommt später in der Transitphase weniger zu Einbrüchen, weil sie das Gras schon gewohnt sind“, sagt Hofnachfolger Lukas Wimmer. Der junge Landwirt mit...
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Ende April können auf dem Hof von Familie Wimmer in Feldkirchen-Westerham bei München endlich die ersten Trockensteher und das Jungvieh auf die Weide. Auch die Kälber ab einem halben Jahr dürfen in Kürze in die so genannte Anlernweide.
„Wenn man die Tiere früh an die Weide gewöhnt, fressen sie da auch ordentlich und es kommt später in der Transitphase weniger zu Einbrüchen, weil sie das Gras schon gewohnt sind“, sagt Hofnachfolger Lukas Wimmer. Der junge Landwirt mit Bachelorabschluss, der aktuell in Vollzeit als Fachberater für Rinderzucht beim Zuchtverband Miesbach arbeitet, will den Hof einmal übernehmen und stellt dafür gerade die Weichen.
Manche Bullenkälber im Bestand erreichen nach 28 Tagen bereits 100 kg und darüber.
(Bildquelle: Lehnert, Silvia)
Zuchtviehvermarktung als Standbein
Vor allem die Kälberaufzucht steht im Fokus des Fleckviehbetriebes, schließlich ist die Kälber- und Jungkuhvermarktung ein wichtiges Standbein. Pro Jahr verkauft er neben den Bullenkälbern noch ca. 20 Jungkühe über den Zuchtviehmarkt in Miesbach. „Für den eigenen Bestand behalten wir die Kuh, deren Gesamtpaket passt. Sie muss stabil sein und gute Inhaltsstoffe sowie Milch mitbringen“, sagt der Junglandwirt.
Mit einer guten Fitness kommt die Milchleistung von selbst.
Lukas Wimmer, Milcherzeuger
Die gezielte Anpaarung nimmt der Eigenbestandsbesamer sehr ernst. Fast alle Kühe sind genotypisiert. Für Lukas Wimmer zählen vor allem die genomischen Zuchtwerte. „Mit den Zuchtwerten kann ich die Milchleistung der Jungkühe bis auf 2 kg genau vorhersagen“, sagt er. Gefragt ist vor allem jüngste hornlose Genetik, die den Doppelnutzungscharakter der Rasse Fleckvieh betont.
Im Vordergrund stehen die Merkmale Fruchtbarkeit, Fundament, Euterqualität, Inhaltsstoffe, aber auch die Zucht auf Exterieur: „Die Milchleistung kommt dann über gute Fitness von selbst“, so seine Erfahrung. Auf den maternalen Kalbeverlauf schaut er auch, er will aber keine übertriebene Leichtkalbigkeit: „Damit Kälber von Anfang an stabiler sind, ist es von Vorteil, wenn sie bei der Geburt eine gewisse Mindestgröße haben“.
Der junge Landwirt notiert seine Beobachtungen an den Einzelkühen sehr genau und wertet sie später für die nächste Anpaarung aus. Für die Anpaarungsentscheidung werden immer die größten Schwächen bei den Zuchtwerten der Kuh gesucht und gezielt ausgeglichen. Ziel sei es, ein Kalb zu erzeugen, das bei der Geburt geschätzt in allen Zuchtwerten positive Eigenschaften vererbt. Im Milchwert solle das Kalb +500 kg bis +800 kg bei ausgeglichenen Inhaltsstoffen aufweisen. Bei fehlerfreien Tieren werde nach Gesamtzuchtwert optimiert.
Betriebsspiegel
45 Fleckvieh-Kühe mit Nachzucht
Ca. 10 422 kg Herdenschnitt pro Kuh und Jahr mit 4,06 % Fett und 3,56 % Eiweiß
38 ha LN, davon 12 ha Acker und 26 ha Grünland, plus 35 ha Forst
1,6 AK
Höchste Tageszunahmen bei den Kälbern
In seiner Bachelor-Arbeit beim Zuchtverband Miesbach hat Wimmer festgestellt, dass zwischen dem Fleischwert des Kalbes und dem Verkaufserlös am Markt ein direkter Zusammenhang besteht (siehe Übersicht). Das nutzt der junge Mann für den eigenen Betrieb: „Zu schwere Kälber zahlt der Markt nicht, daher achten wir darauf, dass sie unter 95 kg in den Verkauf gehen.“
Durch die 28-Tage-Regel sei das nicht immer ganz einfach einzuhalten, einzelne Kälber kämen in dieser Zeit auf über 100 kg. Kein Wunder, denn der Betrieb erreicht bei den Bullenkälbern 1.800 g bis 2.000 g tägliche Zunahmen, 1.400 g bei den Kuhkälbern (Zwittern) in den ersten drei Monaten.
Konsequentes Tränkeregime
In solche „properen“ Kälber investiert vor allem Betriebsleiterin Sabine Wimmer viel Zeit und Fürsorge. Nach der Abkalbung auf der Weide oder in der Einzelbox bleibt das Kalb noch ca. eine Stunde bei der Mutter und erhält hier auch die Biestmilch von ca. 3 bis 5 Litern.
Zwillingskälber halten sie so lange wie möglich zusammen im Iglu. Erst wenn sie sich besaugen, werden sie getrennt. Diesen Kälbern geben sie in der Regel auch pauschal ein Vitamin E-Selen-Präparat ins Maul, anderen nur von Fall zu Fall, wenn ihr Saugreflex schwach ausgeprägt ist.
In den ersten 14 Tagen erhalten sie dreimal täglich eine Milchmahlzeit bis maximal 16 bis 17 Liter am Tag. Ab der 3. Lebenswoche kommt Vollmilchergänzer hinzu. „Bei der Milchtränke achten wir penibel auf eine Mindest-Tränketemperatur von 32 °C, damit der Schlundrinnenreflex auch ausgelöst wird“, berichtet Lukas Wimmer. Die ad libitum-Tränke hat er ausprobiert, der Erfolg war mäßig. „Das Bullenkalb hat die erkaltete Milch nicht mehr getrunken.“ Bei Problemen mit Kälberdurchfall säuern sie die Milch an. Diese Tiere erhalten zudem einen Bicarbonat-Bolus.
Familie Wimmer legt ihren Kälbern bei jeder Mahlzeit auch eine Handvoll Stroh extra vor. „Daran knabbern sie nicht nur gern, sondern fressen es sogar“, sagt Martin Wimmer.
(Bildquelle: Lehnert, Silvia)
Martin Wimmer hebt die Strohqualität für eine gesunde Aufzucht hervor: „Wir sparen nicht am Stroh und kaufen 70 Ballen pro Jahr beste Qualitäten zu.“ Das Stroh dient nicht nur als Einstreu, sondern der Betriebsleiter legt den Kälbern auch bei jeder Mahlzeit zusätzlich eine Handvoll vor: „Daran knabbern sie nicht nur gern, sondern fressen es sogar“, hat er beobachtet. In jedem Iglu hängen außerdem Eimer mit Heu, Kraftfutter und Wasser.
Mit den Milchmengen runter auf bis zu 1,5 Liter Flüssigkeit pro Mahlzeit geht es ab der 10. bis zur 12./13. Woche. Im Gruppeniglu bekommen die Kuhkälber grundsätzlich einen Liter Wasser in ihre Milch bis es zum Schluss nur noch Wasser ist.
Fließende Futterübergänge
In der Gruppenphase im Großraumiglu, ab ca. der 4. bis 6. Lebenswoche, erhalten die Kälber in Kleingruppen jeden Tag bereits die Kuhration in kleinen Mengen. „Damit sorgen wir für fließende Übergänge bei der Fütterung. So lernen die Kleinen das Fressen schneller von den Großen“, sagt der Betriebsleiter.
Nach dem Abtränken kommen die Kälber in der Winterperiode in eine Bucht, in der sie zwischen Tiefstreu und Boxen wählen können. Fressen können sie hier die Kuhration plus Grascobs und Kälberkorn. Danach geht es auf Vollspalten. Das will Lukas Wimmer auf Dauer aber ändern: „Hier verlieren wir viel Milch und wichtige Zunahmen“, ist er sich sicher. Besamt werden sie zum ersten Mal mit durchschnittlich 18 Monaten. Auch das will der motivierte Junglandwirt noch optimieren.
Die Ration
- Sandwich-Silage aus Mais- und Grassilage im Verhältnis 1:3
- 18/4-Milchleistungsfutter mit geschütztem Rapsschrot
- Grascobs
- Von April bis Oktober Kurzrasenweide
Intensive Prophylaxe
Die Einführung mehrerer Prophylaxemaßnahmen bei den Kühen und Kälbern geht auf das Konto des Hofnachfolgers: „Damit können wir vielen Problemen zuvorkommen.“ Festliegende Kühe oder Nachgeburtsverhalten seien inzwischen sehr selten.
Wenn Trockensteher einen Selen-Bolus erhalten, haben ihre Kälber später einen besseren Saugreflex.
Lukas Wimmer, Milcherzeuger
Allen Kühen ab dem 2. Kalb gibt der Hofnachfolger einen Calcium-Bolus ein: „Das ist ein enormer Vorteil, die Kühe werden nach der Kalbung schneller wieder sauber. Jede Kuh hat seiner Meinung nach dem Kalben einen Calciummangel. Diesem gilt es entgegen zu wirken“ Wenn sie schlapp wirken, kommt ein Energiebolus oder ein- bis zweimal eine Propylenglykol-Gabe hinzu. Müde wirkende Trockensteher erhalten 2,5 bis 3 Wochen vor der Kalbung einen Selen-Bolus: „Ich habe festgestellt, dass ihre Kälber danach tendenziell einen besseren Saugreflex haben.“
Wenn die Betriebsleiter ein Tier sehen, das am Beton leckt, legen sie ihm eine Handvoll Sand in die Box. Das deckt offenbar seinen Kieselsäure-Bedarf.
(Bildquelle: Lehnert, Silvia)
Zur Gesundheitsprophylaxe im Betrieb gehört für ihn auch die Mistübertragung von den Kälberiglus in den Trockensteherstall, damit die Kühe schon gegen die Keime im Kälberstall Antikörper bilden und diese über die Biestmilch weitergeben können. Und wenn die Betriebsleiter ein Tier sehen, das am Betonboden leckt, geben sie ihm eine Handvoll Sand in die Box. „Das deckt ihren Bedarf nach Kieselsäure“, berichtet Betriebsleiter und Vater Martin Wimmer, der nebenbei noch als Baumpfleger arbeitet.
Das Herdenniveau im Betrieb ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Das letzte Probegemelk lag im Schnitt bei 37,4 Liter. Die Jungkühe setzen mit im Schnitt 8 900 kg ein, einzelne kommen auf 11.000 kg. Im Schnitt liegt die Lebensleistung bei 24.683 kg Milch. Einzelne erreichen bis zu 80 000 kg.
Die hohe Leistung ist auch der Grund, warum sich die Betriebsleiter noch nicht trauen, auf Antibiotika beim Trockenstellen zu verzichten. „Wir stellen sie mit 30 Liter trocken. Hier sind Fehler unverzeihlich.“ Die niedrige Zellzahl von 60 000 sei ein weiterer Grund dafür, dass man nichts riskieren wolle.
Der gleitende Herdenschnitt der Milchkühe liegt aktuell bei 10.422 kg Milch mit 4,06 % Fett und 3,56 % Eiweiß.
(Bildquelle: Lehnert, Silvia)
Mit dem aktuellen Durchschnittsalter der Herde ist Familie Wimmer noch nicht zufrieden. Die letzten Jahre war die Remontierungsrate im Stall noch relativ hoch. Als eine Maßnahme um sie zu senken, wollen die Betriebsleiter künftig bei älteren hochleistenden Kühen die Zwischenkalbezeit verlängern. Im Schnitt liegt sie bei 385 Tagen.
Wie geht es weiter?
Aktuell wirtschaftet Familie Wimmer noch in einem Anbindestall mit Mittellangstand. Ein neuer Laufstall wäre schon lange geplant, doch die Baugenehmigung lässt mittlerweile seit eineinhalb Jahren auf sich warten. „Besonders die untere Naturschutzbehörde hat immer wieder sehr interessante Einwände“ erklärt Lukas Wimmer. Ein Grund für die Verzögerung sind die Schwalbennester im alten Anbindestall, die die Behörde für schützenswert erklärt hat.
Passen die Aufzucht, nehmen Kälber stetig zu. Doch nach dem Absetzen fallen sie oft in ein Konditionsloch. Wie schaffen es die Kälber ohne Absetzknick?