Betriebsspiegel Marcchiorlatti Vignat Fratelli
Ort: Cumiana (Piemont, Italien)
Kühe: 370
Milchleistung: 35 kg pro Kuh/Tag
AK: 4 Geschwister + 7 AK + 2 saisonale AK
Die 36-jährige Frau strahlt in die Videokamera. Sie sitzt im Stallbüro des Familienbetriebs in Cumiana, knapp 50 Autominuten westlich von Turin. Ihre Arbeitstage beginnen morgens um 7 Uhr. „Dann gehe ich zuerst in den Kälberstall und kontrolliere die Kleinen. Danach laufe ich zum Melkstand...
Betriebsspiegel Marcchiorlatti Vignat Fratelli
Ort: Cumiana (Piemont, Italien)
Kühe: 370
Milchleistung: 35 kg pro Kuh/Tag
AK: 4 Geschwister + 7 AK + 2 saisonale AK
Die 36-jährige Frau strahlt in die Videokamera. Sie sitzt im Stallbüro des Familienbetriebs in Cumiana, knapp 50 Autominuten westlich von Turin. Ihre Arbeitstage beginnen morgens um 7 Uhr. „Dann gehe ich zuerst in den Kälberstall und kontrolliere die Kleinen. Danach laufe ich zum Melkstand um zu schauen, ob dort alles in Ordnung ist oder welche Kühe behandelt werden müssen“, erklärt sie. Nach einer kurzen Kaffeepause setzt sie sich im Stallbüro an den PC und kontrolliert und pflegt die Zahlen im Herdenmanagementsystem ein.
Milcherzeugerin auf Umwegen
Dass sie auf dem elterlichen Betrieb in Piemont landen würde, hatte Isabel zuerst nicht eingeplant. Nach ihrem Studium der Nutztierwissenschaften absolvierte sie zunächst Praktika in den USA und den Niederlanden. Anschließend begann sie in einem Forschungszentrum für Tierwohl zu arbeiten. Als ihr Vater 2015 an Krebs starb, standen sie und ihre Geschwister vor einer großen Entscheidung. Wie den Familienbetrieb weiterführen?
Die Geschwister entschieden sich, den Betrieb in der dritten Generation gemeinsam weiterzuführen. Die Aufgaben auf dem Betrieb Macchiorlatti haben sich die Geschwister aufgeteilt. Der älteste Bruder Davide (39) kümmert sich um die Fütterung der Tiere und die Direktvermarktung und Weiterverarbeitung eines Teils der Milch. Die jüngere Schwester Valentina (34) übernimmt die Buchführung und Dokumentation, während sich der jüngste Bruder Daniele (31) um alle Außenarbeiten und den Futterbau kümmert. „Die Aufteilung war einfach. Jeder hat die Aufgaben übernommen, die er ohnehin schon am liebsten gemacht hat“, erklärt sie.
Isabel, die Zweitälteste, ist für die Kälber, die Mitarbeiter und das Herdenmanagement der 370 Kühe verantwortlich. Die Herde teilt sich in 320 Holstein- und 50 Montbéliardkühe auf. Die Montbéliards melken sie separat in einen eigenen Tank. Denn ihre Milch, die höhere Fett- und Eiweißgehalte hat, wird exklusiv zu Eiscreme verarbeitet. „Das ist aus einer Milchkrise entstanden“, erklärt Isabel. „Unsere Molkerei hatte damals keine Milch mehr aufgenommen, sodass wir uns selbst nach Alternativen umschauen mussten.“
Damals begannen sie eine Kooperation, die Speiseeis für Nordeuropa, die USA und einige Restaurants in Italien produziert. Der Deal: Ihre Partnerin stellte die Montbéliardkühe zur Verfügung, die Geschwister versorgen und melken sie. Dafür verarbeitet die Partnerin die Milch in einer ca. 50 km entfernten kleinen Molkerei zu Eiscreme und übernimmt die Vermarktung.
Einfache Rückkehr in die Praxis? Nein.
Obwohl sie auf dem Betrieb aufgewachsen ist, musste sie für ihre professionelle Rückkehr noch einige Dinge dazu lernen. „Ich hatte früher schon ab und zu mitgemolken und Kälber gefüttert. Aber ich finde es sehr schwierig, anderen Menschen zu erklären ‚So und so‘ musst du das jetzt hier machen‘“, erinnert sie sich.
Trotzdem habe sie das Gefühl, dass die Arbeitsatmosphäre sich verbessert hat. „Meine Schwester und ich fühlen uns manchmal wie Therapeutinnen. Ich denke, weibliche Betriebsleiter kümmern sich anders um ihre Mitarbeiter. Es ist toll, dass jeder offen ansprechen kann, wenn es ein Problem gibt.“
Auch die Zusammenarbeit mit ihren drei Geschwistern ist nicht immer leicht. „Es ist schon schwierig, weil jeder von uns eigene Ideen hat und diese natürlich einbringen möchte, sagt sie und denkt einen Moment nach. „Was uns hilft, sind wöchentliche Treffen. Jeden Freitag setzen wir uns zusammen. Wenn etwas nicht stimmt oder falsch läuft, sprechen wir es an.“
„Wir können über alles sprechen und Lösungen finden“
Isabel Macchiorlatti
Klar gebe es auch schlechte Tage, an denen der Familiensegen etwas schief hängt, sagt sie. „Wir können aber über alles sprechen und gemeinsam Lösungen finden.“ Das Geheimnis sei eine gute Kommunikation, ist sie sich sicher.
Genauso handhabt sie es auch mit den sieben Mitarbeitern. „Wir haben jeden Montagmorgen ein Treffen mit Espresso und Kuchen“, sagt sie und lächelt. Dann sprechen sie über die Arbeit und darüber, was auf dem Betrieb gerade los ist. „Das habe ich von meinem Praktikum in den Niederlanden mitgebracht“, erinnert sie sich. Dort hatte sich die gesamte Familie nachmittags zum Kaffeetrinken zusammengefunden und miteinander gesprochen. Von dieser Idee war sie so begeistert, dass sie die Montagstreffen mit den Mitarbeitern einführte.
Mehr Qualität statt Quantität
„Unser Großvater hat in den 1950er-Jahren mit 30 Kühen angefangen“, erklärt sie, „und unser Vater hat den Betrieb bis auf 600 Kühe erweitert.“ Weiter in der Größe wachsen wollen die Geschwister aber nicht. „Unser Ziel ist es jetzt, die Arbeitsqualität für uns und unsere Mitarbeiter sowie das Tierwohl stetig zu verbessern. Außerdem wollen wir unseren Beitrag zum Umweltschutz leisten.“
Für Letzteres setzen sie zum Beispiel auf eine regionale Vermarktung ihrer Milch. Während der Corona-Pandemie begannen sie, einen Teil ihrer Milch selber zu vermarkten. Dafür fanden sie eine kleine Molkerei, die ihre Milch verarbeitet und in 1-Liter-Paks mit eigenem Label liefert. Diese Milch verkaufen sie in lokalen Supermärkten.
„Das läuft wirklich gut“, erklärt Isabel, „wir wollen bald auch damit beginnen, Käse und Joghurt zu produzieren. Einer unserer Mitarbeiter hat im letzten Jahr einen Käserei-Kurs gemacht. Jetzt überlegen wir, in der Nähe eine kleine Käserei anzumieten.“
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