Die Sonne zeigt sich: Langsam, nach und nach setzen sich sieben Kühe und mehr als doppelt so viele Kälber in Bewegung. Sie verlassen den Stall und gehen gemeinsam auf die Weide.
Die Sonne zeigt sich: Langsam, nach und nach setzen sich sieben Kühe und mehr als doppelt so viele Kälber in Bewegung. Sie verlassen den Stall und gehen gemeinsam auf die Weide.
Keine Kompromisse mehr: Kälber bleiben
„Wenn das Wetter passt, sind die Ammenkühe und ihre Kälber am liebsten draußen“, sagt Sophie Kroll-Fiedler (Warstein, NRW) und lächelt. Bis vor einiger Zeit hat auch die junge Milcherzeugerin, wie viele ihrer Berufskollegen, ihre Bullenkälber nach 14 Tagen verkauft. Doch irgendwann hat es ihr gereicht: „Ich konnte es einfach für mich nicht mehr vertreten, die Bullenkälber ins Ungewisse zu entlassen. Nicht zu wissen, auf welchen Kälbermastbetrieb die Tiere gehen, wie dort mit ihnen umgegangen wird, das wollte ich nicht mehr hinnehmen.“
Ich konnte es einfach für mich nicht mehr vertreten, die Bullenkälber ins Ungewisse zu entlassen
Sophie Kroll-Fiedler
Sieben Kühe versorgen die Kälber
Es dauerte nicht lange, dann hatte sie ihre Familie davon überzeugt, auch die Bullenkälber aufzuziehen. Das war vor zwei Jahren. Inzwischen hat sich das Vermarktungsprojekt „Geschwisterkälber“ (in Anlehnung an die Vermarktung von Bruderhähnen) weiterentwickelt. Nun bleiben alle Kälber, auch die weiblichen Kreuzungen, auf dem Bio-Betrieb mit 80 Kühen.
Leonie Wiewer hat auf dem Milchkuhbetrieb ihrer Eltern eine eigene Direktvermarktung aufgebaut. Dadurch verspricht sie sich mehr Wertschätzung.
Insgesamt sieben Kühe versorgen derzeit als Ammen die Bullen- und Kreuzungskälber. Zwei bis drei Kälber trinken dann an ihrer Amme mit und bleiben in diesem kleinen Familienverbund, bis sie geschlachtet werden. Für die Ammenhaltung haben Kroll-Fiedlers einen separaten Stall mit Zugang zur Weide gebaut.
Ammen aussuchen
Das Kalb steht dicht bei der Kuh, stößt mit der Schnauze in die Flanke und beginnt am Euter zu saugen. „An die ammengebundene Aufzucht musste ich mich erst einmal herantasten.“ Das Aussuchen der richtigen Amme, die passende Anzahl an Kälbern: All das erfordert Fingerspitzengefühl, denn die modernen Holsteinkühe sind schon seit Jahrzehnten nicht mehr auf Muttereigenschaften gezüchtet worden.
Die Kühe müssen ein ruhiges Gemüt haben, damit sie nicht treten, wenn die Kälber zum Saufen kommen. Ausgesucht hat die Betriebsleiterin hauptsächlich Kühe mit einer schlechten Melkbarkeit oder zu eng stehenden Zitzen für den Melkroboter. Die Kühe müssen außerdem mindestens 35 l Milch geben und in zurückliegenden Laktationen eine hohe Persistenz gezeigt haben. „Was mir bis jetzt noch nicht gelungen ist, ist die Ammenkühe während der Saugphase der Kälber wieder tragend zu bekommen. Und das trotz Deckbullen.“
Jede Kuh führt zwei bis drei Kälber. Ein Kalb zusätzlich wäre bei einigen Kühen möglich, aber Sophie Kroll-Fiedler möchte keine Risiko eingehen, dass die Kälber nicht gut versorgt sind. Damit die Kühe die Kälber schnell akzeptieren, bringt sie sie zügig nach der Kalbung zur Amme.
Trotz der schnellen Gewöhnung wird eines der Kälber, das Bezugskalb, immer besser von der Kuh versorgt als die anderen. „Ich musste mich erst daran gewöhnen, dass sich ein Kalb immer etwas besser entwickelt als die anderen Kälber.“
Nach sechs bis acht Monaten zum Schlachten
Nach sechs bis acht Monaten kommen die jungen Tiere dann zum Schlachten. Weiter verarbeitet, also zerlegt und z. B. zu Grillwürsten verarbeitet, wird das Fleisch dann bei einem weiteren Metzger. Dieser ist für die ökologische Produktion zertifiziert und nutzt ausschließlich Bio-Gewürze. Das ist notwendig, um das Fleisch im Anschluss als Bio-Fleisch vermarkten zu können.
Eigener Verkaufsraum eingerichtet
Verkauft wird das Fleisch im eigenen Verkaufsraum. „Es reicht aber nicht, das Fleisch alleine über die Laufkundschaft zu vermarkten. Wir veranstalten besondere Verkaufstage u. a. zu Weihnachten, Ostern oder Pfingsten. Außerdem bieten wir besondere Grill- oder Burgerpakete an.“ Also ist der Verkauf ein Selbstläufer? Sophie Kroll-Fiedler winkt vehement ab. „Es ist schwierig, einen Neukunden zu gewinnen und leicht, einen Kunden zu verlieren. Wir müssen permanent viel Zeit und auch Geld für die Werbung investieren.“ Anzeigen schaltet sie in regionalen Magazinen, stellt ihre Angebote in den Whats-App-Status, verteilt Flyer …
Wir müssen permanent viel Zeit und auch Geld für die Werbung investieren
Sophie Kroll-Fiedler
Nur Einzelstücke im Verkauf
Sophie Kroll-Fiedler öffnet die Kühltruhe. Darin liegen Burger-Pattys und Kalbsschnitzel. Neben dem Aufwand für die Werbung ist es auch nicht leicht, das gesamte Fleisch eines Tieres zu verkaufen. Denn viele Verbraucher wollen zwar Rouladen oder Kalbsschnitzel, mit Rippchen und Co. können sie jedoch nur noch wenig anfangen. „Bisher haben wir die Teilstücke einzeln verkauft. Wir hatten auf eine höhere Wertschöpfung gehofft. Vielleicht schwenken wir aber auf ganze Fleischpakete um, mit denen dann nicht nur beliebte Stücke verkauft werden.“
Erlössituation noch schwierig
Wertschöpfung, ein gutes Stichwort. Bisher ist die Aufzucht noch kein lukratives Unterfangen, das gibt die junge Frau unumwunden zu. Denn pro Tier muss sie eigentlich 2.000 € erlösen.
Allein die Aufzucht mit der Milch kostet 900 €. „Wir müssen ja das Milchgeld für die Bio-Milch gegenrechnen.“ Trotz des mühsamen Starts ist sich Sophie Kroll-Fiedler sicher, dass sie ihre Kälber nicht mehr hergeben möchte. „Wir bleiben mit voller Kraft dabei, damit sich die eigene Vermarktung lohnt!“
Katharina Bleis hat sich für eine Milch-Zukunft mit Jerseys entschieden. Bereits ein Drittel ihrer vorherigen Holsteinherde ist erfolgreich umgestellt.