Julia Hofmann und Katharina Warmuth (beide 29 Jahre) sind für den Bulleneinkauf und die Zuchtberatung beim Besamungsverein Neustadt a. d. Aisch (BVN) zuständig und helfen zudem regelmäßig in der Bullenstation aus. Wir haben sie besucht, um mehr über ihre Aufgaben, ihre Zuchtphilosophie, Lieblingsbullen und die Rolle in einer Männerdomäne zu erfahren.
Julia Hofmann und Katharina Warmuth im Interview:
Elite: Seid wann sind Sie beim BVN und was sind Ihre Aufgaben?
Julia Hofmann : Ich habe während des Landwirtschaftsstudiums bei einem Bullenaufzüchter gearbeitet und bin dadurch vor sieben Jahren beim BVN gelandet. Hier kümmere ich mich um den Bulleneinkauf und Anpaarungsverträge. Zudem organisiere ich Fototermine für Nachzuchten und Bullen, Veranstaltungen und bin im Marketing involviert. Meistens bin ich an vier von fünf Tagen draußen unterwegs. Büromenschen sind wir definitiv nicht.
Katharina Warmuth: Ich bin durch unseren Nachbarbetrieb, ein Fleckvieh-Zuchtbetrieb, zu Kühen und Jungzüchtern gekommen und arbeite nun seit vier Jahren beim BVN in der Zuchtberatung. Im Außendienst bin ich in erster Linie für die Betreuung von Eigenbestandsbesamern und für die Anpaarung (Optibull) zuständig. Dazu kommen wie bei Julia Aufgaben rund um die Besamungsbullen, Veranstaltungen und Marketing.
Elite: Wie sind Ihre Betreuungsbetriebe aufgestellt?
Katharina Warmuth: Rund 90 % sind reine Fleckviehbetriebe mit einer durchschnittlichen Herdengröße von ca. 50 Kühen. In Nordbayern gibt es wenig Weidehaltung, aber viel Umstellung auf Melkroboter. Bei der Anpaarung sind daher Robotertauglichkeit, Eutertiefe, Zellzahl und Melkbarkeit besonders wichtig. Große Streuungen gibt es in der Leistung und im Erstkalbealter.
Elite: In welche Richtung geht die Zucht?
Julia Hofmann: Generell beobachten wir, dass die Doppelnutzung im Trend liegt, auch im Norden. Die Kälbererlöse sind wichtig, darum dürfen wir das Fleisch trotz eines guten Leistungsniveaus nicht verlieren. Da es aktuell viele leistungsstarke Bullen gibt, müssen wir zukünftig wieder vermehrt auf Inhaltsstoffe setzen. Viele Milcherzeuger setzen zudem auf Hornlosgenetik und vereinzelt spielt A2-Milch eine Rolle.
Katharina Warmuth: Im Fokus steht immer die funktionale Kuh, schließlich bezahlt die Molkerei keine Zahlen. Wir raten in der Regel dazu, zu rund 70 % auf Nachkommen-geprüfte und zu 30 % auf genomische Jungbullen zu setzen. So sind Sicherheit und Zuchtfortschritt passend ausgeglichen.
Elite: Man merkt, Sie sind Fleckvieh-Fan.
Julia Hofmann: Auf jeden Fall! Neben der Doppelnutzung schätze ich die Robustheit der Kühe. Ich mag besonders den alten Fleckvieh-Typ, ein Schrank von Kuh, nicht zu scharf. Und ich finde es gegenüber Holsteins gut, dass sich Schau- und Produktionsbullen kaum unterscheiden.
Elite: Wie muss man sich den Bulleneinkauf vorstellen?
Julia Hofmann: Wir sind aktuell zu zweit für den Bulleneinkauf zuständig und kaufen 100 bis 130 Bullen pro Jahr. Dafür sind wir in Kuhställen und auf Auktionen unterwegs und kaufen die Bullen am liebsten im Alter von zwölf Monaten. Obwohl auch Bullen schon als Kalb eingekauft werden, machen wir das äußerst ungerne, schließlich haben wir einen Bullen- und keinen Kälberstall gebaut. Natürlich wird die junge Genetik immer interessanter, vor allem im Hornlosbereich. Wir setzen verstärkt auf den töchtergeprüften Bereich sowie gute Kuhfamilien und haben gerne alte Bullen im Stall. Solange sie nachgefragt sind, auch im Ausland, bleiben sie.
Hurly war mein erster selbst eingekaufter Bulle als Praktikantin.
Julia Hofmann
Elite: Ihre Lieblingsbullen heißen?
Julia Hofmann: Ich mag Hurly sehr gerne. Bei seinem Einkauf war ich aktiv als Praktikantin dabei und er ist neben Sehr Gut der Älteste im Stall. Unser aktueller Verkaufsschlager ist Hokuspokus. Er ist aufgrund seiner Inhaltsstoffe auch in den Niederlanden nachgefragt.
Katharina Warmuth: Mein Liebling ist MyLife Pp. Er ist etwas verfressen, aber ein Doppelnutzungsstier wie er im Buche steht. Eine entspannte Seele …
Elite: Wozu sind Sie regelmäßig in der Bullenstation?
Julia Hofmann: Ein Teil der Bullen wird sechsmal im Jahr geschoren, dabei helfen wir. Dazu kommen Schertermine außer der Reihe für Fotos oder Besuchergruppen. Wir scheren die Bullen in einer Art Fittingstand für Bullen, ein umgebauter Klauenpflegestand. So schaffen wir ca. 40 Bullen am Tag. Bei unserer jährlichen Bullenparade oder für Besucher führen wir die Bullen auch vor. Und wenn Not am Mann ist, helfen wir bei der Spermaproduktion aus.
Elite: Sind die vierbeinigen Herren denn umgänglich?
Katharina Warmuth: Da wir mindestens einmal im Monat dort sind, kennen uns die Bullen und wir sie. Man sollte gesunden Respekt mitbringen, aber keine Angst zeigen. Die Kandidaten, bei denen Vorsicht geboten ist, kennt man. Es gibt auch Bullen, die ihren Lieblingspfleger haben. Ältere Bullen werden oft sehr gemütlich, genießen es und wissen, worauf es ankommt. Etwas schwieriger ist es im Wartebullenstall, wo die pubertierenden Bullen in Gruppenboxen laufen. Beim Scheren sind aber alle Bullen entspannter als Kühe!
Bullen sind beim Scheren eindeutig ruhiger als Kühe.
Katharina Warmuth
Elite: Und wie ist der Umgang mit den Männern?
Julia Hofmann : Die Mitarbeiter (Männer) im Bullenstall freuen sich, wenn wir dort sind. Man kann Neuigkeiten austauschen und es ist eine wichtige Schnittstelle. Auch außerhalb vom Bullenstall ist es bekannt, dass die Zucht beim BVN in Frauenhand ist, so schon viele Jahre durch unsere Zuchtleiterin Andrea Hefner. Für mich ist es auch ein gewisser Anreiz, sich in der Männerdomäne zu beweisen und die Bullen als Frau zu präsentieren.
Katharina Warmuth : Im Außendienst arbeiten viele Frauen. Wir werden akzeptiert, müssen uns unsere Position aber erarbeiten. Zu Beginn darf man sich am besten keine Fehler erlauben und muss viel Einsatz zeigen, bis man das Vertrauen der Milcherzeuger gewonnen hat. Züchter können da sehr speziell sein, aber meistens funktioniert es gut.
Elite: Was ist für Sie „typisch Frau“?
Julia Hofmann und Katharina Warmuth: Frauen haben oft mehr Gefühl und Geduld und sind organisierter. Die Technik geben wir aber gerne an die Männer ab. Nach getaner Arbeit tauschen wir privat auch gerne die Arbeitsschuhe gegen Stöckelschuhe.
Elite: Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Katharina Warmuth: Ich wünsche mir eine bessere politische und wirtschaftliche Situation für Landwirte. Und ich möchte gerne einmal für einige Zeit auf einer Alm arbeiten. Irgendetwas mit Kühen muss es auf jeden Fall immer sein!
Julia Hofmann: Ich werde dieses Jahr heiraten und möchte nicht nur meine Aufgaben beim BVN fortführen, sondern auch privat unseren Milchkuhbetrieb zukunftsfähig aufstellen.
Impressionen aus dem Bullenstall des BVN:
Mehr Tierwohl, neueste Standards und Arbeitserleichterung – Eindrücke vom Einzug in die neue Bullenstation des BVN sowie Aktuelles aus der Fleckvieh-Zucht.
Weitere Artikel:
Fleckvieh: Gezielter besamen? Der Einsatz von (männlich) gesextem Sperma kann Fleckviehbetrieben dazu verhelfen, die Kälbererlöse zu steigern und nur gute Kühe zur Remontierung zu nutzen.
Konstante Spitzenvererber und neue Talente – Zero One, Hokuspokus und Enjo dominieren die geprüften Bullen, Sunshine ist neuer Listenführer der Jungvererber. Die neuen Zuchtwerte im Überblick.
Männer unter sich – Bernd Kloster ist Bullenpfleger an der Besamungsstation in Borken. Ein Herdenmanager der etwas anderen Art? Die All inclusive Betreuung der Besamungsbullen.