Eine sorgfältige, intensive Versorgung mit Kolostrum und hochwertiger Milchtränke ist die beste Voraussetzung für gesunde und leistungsstarke Kälber – darin waren sich die international vertretenden Kälber-Expertinnen und -Experten auf der
Smart Calf Rearing Conference in Rheinland-Pfalz im März 2023 einig.
Wir waren vor Ort und haben einige nützliche Empfehlungen für die praktische Kälberaufzucht sowie das effektive Vorgehen im Fall von Atemwegserkrankungen aus den wissenschaftlichen Vorträgen mitgebracht.
Bioaktive Substanzen schützen – eine Hitzebehandlung von Kolostrum nur bei kritischer Hygiene
Dr. Sabine Mann (Cornell University, USA) brachte Erkenntnisse mit, die Praxisbetrieben noch einmal zu einem Vorschub in der Kolostrumversorgung ihrer Neugeborenen verhelfen können. Ihr Stichwort – „the others“ oder bioaktive Substanzen (u.a. Wachstumsfaktoren, Hormone, Immunzellen, antimikrobielle Peptide, Enzyme, miRNA).
Kolostrum hat den größten Einfluss auf die Gesundheit von Kälbern. Es beugt Durchfall, Lungenentzündungen und Nabelentzündungen vor.“
Dr. Sabine Mann
Kolostrum besitzt weitaus mehr bioaktive Substanzen, die dem Aufbau des Immunsystems (Schutz vor Infektionen) und der Organe (z.B. Entwicklung der Darmschleimhaut) dienen als die bekannten Immunglobuline IgG. Die Art und Wirkung dieser ist bislang noch wenig erforscht, dennoch können einige Empfehlungen gegeben werden:
Eine sorgfältige, intensive Versorgung mit Kolostrum und hochwertiger Milchtränke ist die beste Voraussetzung für gesunde und leistungsstarke Kälber – darin waren sich die international vertretenden Kälber-Expertinnen und -Experten auf der
Smart Calf Rearing Conference in Rheinland-Pfalz im März 2023 einig.
Wir waren vor Ort und haben einige nützliche Empfehlungen für die praktische Kälberaufzucht sowie das effektive Vorgehen im Fall von Atemwegserkrankungen aus den wissenschaftlichen Vorträgen mitgebracht.
Bioaktive Substanzen schützen – eine Hitzebehandlung von Kolostrum nur bei kritischer Hygiene
Dr. Sabine Mann (Cornell University, USA) brachte Erkenntnisse mit, die Praxisbetrieben noch einmal zu einem Vorschub in der Kolostrumversorgung ihrer Neugeborenen verhelfen können. Ihr Stichwort – „the others“ oder bioaktive Substanzen (u.a. Wachstumsfaktoren, Hormone, Immunzellen, antimikrobielle Peptide, Enzyme, miRNA).
Kolostrum hat den größten Einfluss auf die Gesundheit von Kälbern. Es beugt Durchfall, Lungenentzündungen und Nabelentzündungen vor.“
Dr. Sabine Mann
Kolostrum besitzt weitaus mehr bioaktive Substanzen, die dem Aufbau des Immunsystems (Schutz vor Infektionen) und der Organe (z.B. Entwicklung der Darmschleimhaut) dienen als die bekannten Immunglobuline IgG. Die Art und Wirkung dieser ist bislang noch wenig erforscht, dennoch können einige Empfehlungen gegeben werden:
- Von der Mutter: Es wird davon ausgegangen, dass bioaktive Substanzen individuell von einer Kuh auf die Bedürfnisse ihres Kalbes abgestimmt werden. Dabei steigt der Gehalt an „the others“ in der Milch etwa vier Wochen vor der Kalbung an und verringert sich bis zum Ende der ersten Laktationswoche wieder (Transit-Milch). Das beste Kolostrum für ein Kalb ist daher diesbezüglich immer das von seiner Mutter. So sollte auch, wenn die Kuh oder das Rind nur sehr wenig Kolostrum in der ersten Melkung gibt oder ein gemessener IgG nur gering ist (Ziel: > 24 % Brix), dieses Kolostrum trotzdem an das Kalb gegeben und es darüber hinaus zusätzlich aus der Kolostrumbank versorgt werden.
- Hitzebehandlung vermeiden: Eine Hitzebehandlung (60 Min. bei 60 °C) von Kolostrum reduziert die Kontamination mit Mikroorganismen. Das sollte jedoch keine Standardmaßnahme sein. Denn auch wenn die IgG diesen Prozess überstehen, ist davon auszugehen, dass andere bioaktive Substanzen diesen Prozess nicht unbeschadet überstehen und damit ihre Funktion für das Kalb verlieren. Kolostral-Zellen werden nachweislich nicht lebensfähig. Eine Hitzebehandlung ist nur Betrieben zu empfehlen, die eine hohe Tränkehygiene nicht durch ein sauberes Melken und sauberes Tränkemanagement leisten können oder Probleme mit über die Kuh übertragbare Krankheitserreger wie Mykoplasmen, Salmonellen, Mycobacterium paratuberculosis oder E.coli haben. Auch wenn Kolostrum eingefroren wird, verlieren Kolostral-Zellen ihre Lebensfähigkeit und damit vermutlich Funktion.
- Fünf Tage Transitmilch: Der Kolostrum-Effekt auf die Entwicklung von Immunsystem und Darmschleimhaut kann für die Kälber nochmal „geboostert“ werden, in dem sie nach der Erstversorgung mit kuhgebundenem Kolostrum noch weitere fünf Tage kuh- oder zumindest gruppengebunden mit Transitmilch versorgt werden.
Die Hitzebehandlung von Kolostrum schadet bioaktiven Substanzen. Sie sollte nur in Betrieben mit Hygieneproblemen angewandt werden.“
Dr. Sabine Mann
Dr. Sabine Mann stellte außerdem Forschungsergebnisse zu den Einflussfaktoren auf die Menge und die Qualität von Kolostrum vor – diese haben wir in folgendem Artikel bereits veröffentlicht:
Die Erstversorgung des Kalbes mit Biestmilch ist entscheidend. Doch nicht jede Kuh gibt Kolostrum in ausreichender Menge und Qualität. Warum ist das so?
Langsam abtränken und absetzen – keine Azidose provozieren!
Das Absetzen von der Milchtränke ist ein empfindlicher Schritt in der Kälberaufzucht. Denn es stellt die Übergangsphase zwischen Pre-Wiederkäuer (Hauptnährstoffquelle Milch, Volumenanteil Labmagen 60 % am Vormagentrakt) zum Wiederkäuer (Pflanzliche, feste Nahrung, Volumenanteil Pansen über 80 % am Vormagentrakt) da.
Ein frühes, abruptes Absetzen von der Milch verursacht eine Übersäuerung von Pansen und Darm.“
Dr. Christian Koch
Dr. Christian Koch (Hofgut Neumühle, Deutschland) erläuterte, warum es bezüglich der Tiergesundheit und Entwicklung ratsam ist, sanft = langsam und erst verhältnismäßig spät abzutränken:
- Entsprechend der Entwicklung des Vormagensystem, ist der beste Zeitpunkt zum Absetzen der Milchtränke im Alter von 14 bis 16 Lebenswochen. Dann hat der Pansen einen Anteil von über 75 % am Vormagensystem erreicht und versetzt das Kalb in die Lage, sich gut als Wiederkäuer zu ernähren.
- Je früher und abrupter die Milchtränke vor diesem Zeitpunkt abgesetzt wird, desto weniger ist der Pansen bereit, die schnell steigenden Mengen an Festfutter zu verdauen, die das Kalb ab dem Absetzen der Milch zur Sättigung und Nährstoffversorgung aufnimmt und aufnehmen muss. Die Konsequenzen sind eine verringerte Nährstoffverfügbarkeit und ein entsprechend reduziertes bis negatives Wachstum gegenüber der Tränkephase.
- Ursache für zu beobachtende Entwicklungsknicks und eine erhöhte Anfälligkeit der Kälber, die früh – zwischen der 8. und 10. Lebenswoche und noch eher – abgesetzt werden, ist jedoch nicht nur die geringere Nährstoffverfügbarkeit. Es wird vermutet und künftig weiter erforscht, dass plötzliche, hohe Mengen von Kälberstarter im Pansen eine Übersäuerung (Azidosen) sowohl im Pansen als auch im Darm provozieren. Diese kann die Schleimhäute so stark angreifen, dass es zu entzündlichen Prozessen kommt (“leaky rumen/gut syndrome“).
Fazit: Für eine optimale Entwicklung des Kalbes (gute Darmgesundheit, keine Übersäuerung von Pansen und Darm, hohe Widerstandsfähigkeit, reduzierte Krankheitsanfälligkeit und Sterblichkeit) bewährt sich eine intensive Tränkestrategie und ein sanftes Entwöhnen bis zum Absetzen am Beispiel des Tränkeplans von Hofgut Neumühle.
Tränkeplan Hofgut Neumühle – intensive Aufzucht mit schonendem Abtränken
| Angebot von frei verfügbarem Wasser und Festfutter (Kälberstarter) ab dem 1. Lebenstag, damit sich der Pansen bzw. das gesamte Verdauungssystem früh, aber langsam an das Festfutter gewöhnen kann.
| Nach dem Kolostrum muttergebundene Transitmilch über die ersten fünf Lebenstage ad libitum.
| 12 Liter Milch oder Milchaustauschertränke pro Tag und Kalb (1,68 kg Milchaustauscher pro Tag, 140 g/l) bis zur 8. Lebenswoche.
| Sanftes Abtränken = kontinuierliches Reduzieren der Milchmenge ab der 8. Lebenswoche bis zum vollständigen Absetzen in der 14. Lebenswoche.
Nehmen bereits neugeborene Kälber reines Wasser aus einem Eimer oder einer Schale auf, fördert das langfristig ihre körperliche Entwicklung.
Nur früh und richtig erkannte Atemwegserkrankungen erlauben eine wirksame Behandlung
„Rindergrippe“, Bovine Respiratory Disease (BRD), ist ein Krankheitskomplex. Viele Faktoren tragen zur Entwicklung von Atemwegserkrankungen bei (Stress, suboptimale Haltungsbedingungen, Schwäche machen die Kälber empfänglich für virale oder bakterielle Infektionen). Um „Atemwegserkrankungen“ erfolgreich (hohe Heilungsrate) und korrekt (gezielter Einsatz von Antibiotika) behandeln zu können, muss genauer differenziert werden zwischen Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege.
Antibiotisch behandelt werden Lungenentzündungen und nicht Infekte der oberen Atemwege.“
Dr. Bart Pardon
Ein Infekt der oberen Atemwege (Bronchien) erfordert in der Regel keine antibiotische Behandlung, um auszuheilen, eine Pneumonie (Lungenentzündung, entzündliche akute oder chronische Erkrankung des Lungengewebes) hingegen schon, erklärt Dr. Bart Pardon (Ghent University, Belgien).
Doch es gibt ein Problem: Klinische Symptome wie z.B. Fieber sind nicht immer eindeutig spezifisch für Atemwegserkrankungen. Bis auf Husten: Doch Kälber mit einer klinischen, akuten Lungenentzündung husten nicht (mehr), weil das schmerzhaft ist. Und Kälber mit einer subklinischen, chronischen Erkrankung husten ebenfalls nicht und haben auch keine erhöhte Temperatur (mehr).
Für Behandlungserfolg ist die Früherkennung entscheidend. Reagiert werden muss gemäß dem Motto ‚one cough is enough‘.“
Dr. Bart Pardon
Um Pneumonien korrekt zu erkennen und entsprechend gezielt und richtig behandeln und vorbeugen zu können, bewährt sich laut Dr. Bart Pardon folgendes Vorgehen seitens Tierhalter und Tierärzten:
- Früherkennung: So bald ein Husten zu hören ist, das Einzeltier und die Gruppe aufmerksam beobachten. Setzt sich der Verdacht (wiederholtes Husten) fort, den Tierarzt hinzuziehen.
- Zur exakten Diagnose eine Ultraschall-Untersuchung der Lungen vornehmen lassen (Tierarzt mit entsprechender Ausrüstung und Expertise – erfordert bestimmte Technik und Training). Diese erlaubt es, Lungenentzündungen zu 85 bis 95 % korrekt zu erkennen, wo klinische Anzeichen wie Husten, Fieber (> 39,4 °C) und eine erhöhte Atemfrequenz (> 43/min) dies nur zu 60 bis 65 % erlauben. Entsprechend niedriger fällt die Zahl von falsch bzw. nicht behandelten Kälbern aus.
- Beprobung: Um erfolgreich therapieren (kurzfristig, z.B. auch Abwägung Einzeltier- und/oder Gruppenbehandlung; Dauer der Behandlung) und vorbeugen (mittel- und langfristig, z.B. Gruppenbehandlung und Impfstrategien) zu können, sind Erregernachweise und Tests der Erreger auf Antibiotika-Empfindlichkeit (Antibiogramm) auch bei Atemwegserkrankungen angesagt. Lungenspülproben mit einem Katheter, der durch die Nase eingeführt wird, eignen sich am besten. Pro Gruppe sollten mindestens fünf Tiere beprobt werden, um die verursachenden Erreger eindeutig eingrenzen zu können. Zur mikrobiologischen Diagnostik bietet sich in der heutigen Zeit bezüglich der Genauigkeit und Geschwindigkeit die Analyse über PCR und die laserbasierte Proteinanalyse nach der Methode MALDI-TOF an. Letztere liefert differenzierte Ergebnisse (Art und Stämme der Erreger sowie die absoluten Mengen) zu den isolierten Erregern (Nährboden, 24 h) in wenigen Minuten. Das Ergebnis gleicht ein Computer mit einer Datenbank ab, in der das Proteinprofil mehrerer Tausend Keime hinterlegt ist. Auch ein Antibiogramm kann über die Methode MALDI-TOF binnen weniger Stunden erfolgen. Nur wenige Labore verfügen über die teure MALDI-TOF Technik.
- Erreger-orientierte Kontrolle und Prävention: Die Ergebnisse der Erregerbestimmung sowie Antibiogramme dienen weniger der Sofort-Behandlung, sondern mehr der Bestimmung des bestandspezifischen Problems sowie der Kontrolle der vorgenommenen Erstbehandlung (erneute Probennahme nach einigen Tagen), ggf. Anpassung der Therapie. Zudem erlauben die Erregernachweise es, Präventionsmaßnahmen betriebsindividuell zu planen.
Mikrobiologische Analysen von Kot und Gülle sind hilfreich für die tiergesundheitliche Bestandsdiagnostik sowie die Düngung. Infos zum noch „jungen“ Diagnostik-Tool.