Der Name der neuartigen Behandlungsmethode für Euterentzündungen geht einem nicht leicht von der Zunge: Quorum Sensing. Und auch das dahinter stehende Wirkprinzip ist komplex: Mit Quorum Sensing ist die interzelluläre Kommunikation von Bakterien untereinander gemeint, die sie unter anderem in die Lage versetzt, zum Schutz ihrer eigenen Population einen Biofilm auszubilden.
Die Wissenschaft sieht zum Beispiel die Fähigkeit des Mastitis-Erregers S. aureus zur Biofilmbildung als einen...
Der Name der neuartigen Behandlungsmethode für Euterentzündungen geht einem nicht leicht von der Zunge: Quorum Sensing. Und auch das dahinter stehende Wirkprinzip ist komplex: Mit Quorum Sensing ist die interzelluläre Kommunikation von Bakterien untereinander gemeint, die sie unter anderem in die Lage versetzt, zum Schutz ihrer eigenen Population einen Biofilm auszubilden.
Die Wissenschaft sieht zum Beispiel die Fähigkeit des Mastitis-Erregers S. aureus zur Biofilmbildung als einen möglichen Grund dafür an, dass Therapien nicht anschlagen. Die neue Behandlung zielt nun bei Kühen mit subklinischen und klinischen Mastitiden darauf ab, diese biochemische Kommunikation der Bakterien und damit die Bildung eines Biofilms zu beeinträchtigen. Dadurch werde der Erfolg der körpereigenen Abwehr wahrscheinlicher.
Kaum noch Sperrmilch
Christoph Brinckmann aus Fredenbeck setzt die Boli, die das Quorum Sensing von Bakterien im Euter beeinträchtigen sollen, seit August 2021 bei laktierenden Tieren mit erhöhter Zellzahl sowie in klinischen Mastitisfällen ein.
Bei insgesamt 150 Behandlungen gab er pro Kuh vier verschiedene Boli kurz hintereinander ein. „Die Erfolgsquote war unter dem Strich genauso hoch wie bei einer antibiotischen Behandlung mit Entzündungshemmer“, schätzt der Milchkuhhalter.
Die Methode wirke umso besser, je früher sie angewandt werde. „Hat die Kuh Flocken in der Milch, machen wir sofort einen Schalmtest und behandeln sie nach der Melkzeit.“ Für die Standardbehandlung mit vier Boli bezahlt er 111 €. „Eine normale Antibiotika-Behandlung inklusive Sperrmilch schneidet nicht günstiger ab“, ist Brinckmann überzeugt. Sperrmilch hat er so gut wie keine mehr. Nur bei einzelnen Kühen sei die Milch danach nicht ablieferbar. Nebenwirkungen seien nicht aufgetreten.
Für die praktische Anwendung der Methode gibt es beispielsweise von Firma AHV Produkte, die Kühen mit Eutergesundheitsproblemen ins Maul eingegeben werden. Dabei handelt es sich um Ergänzungsfuttermittel in Form von Boli, Pasten oder um ein flüssiges Produkt. Inhaltsstoffe sind unter anderem Zichorienpulver, Weiderinde, Hefen, Ingwerwurzel und weitere pflanzliche Stoffe.
Erste Praxiserfahrungen
Es gibt erste positive Praxiserfahrungen und Hinweise auf eine Wirkung der Antibiotika-freien Boli, von denen mehrere hintereinander eingegeben werden sollen (siehe Kasten).
Eine litauische Studie fand bei 62 klinisch und subklinisch erkrankten Kühen 14 Tage nach der Behandlung mit einem solchen Bolus (Knoblauchextrakt) plus Entzündungshemmer (NSAID) eine niedrigere Leitfähigkeit in der Milch sowie eine höhere Wiederkaudauer im Vergleich zu antibiotischer Behandlung plus NSAID. Der Unterschied im Rückgang der Zellzahlen zwischen beiden Gruppen war nicht signifikant.
Eine Praxisbeobachtung der Tierarztpraxis Papsthard und Fisch in Bockhorn bei 20 Vierteln von 20 Kühen mit einer Zellzahlerhöhung in der letzten MLP und vorliegendem Erregernachweis verlief positiv. Eingesetzt wurde am ersten Tag ein Bolus (AHV), der auf Ingwerwurzel basiert, und am zweiten Tag ein fast ähnliches Produkt in flüssiger Form. Das Ergebnis: Zwei Drittel der Erreger-positiven Euterviertel waren laut Dr. Fisch sechs Wochen nach der Behandlung geheilt. Die Zellzahlen sanken von ursprünglich 366.000 bis 2.2 Mio./ml auf ein Niveau von 126.000 bis 1 Mio./ml.
„Am besten hat die Methode bei Streptokokken angeschlagen“, erklärt Dr. Thomas Fisch. Allerdings lief dabei keine unbehandelte Kontrolle im Versuch mit und die Tierzahlen waren gering. Die größten Wirkchancen versprechen sich die beiden praktischen Tierärzte bei Kühen mit Zellzahlerhöhung.
Wenig unabhängige Studien
Das Forschungsinteresse an Quorum Sensing ist weltweit groß, da chronische Infektionen und Antibiotikaresistenzen zunehmen. Bisher gibt es aber wenig unabhängige und aussagekräftige Studien mit ausreichend hohen Tierzahlen zur Frage, wie sich dieser Mechanismus hemmen lässt. Für eine Empfehlung fehlen daher solide Daten. Prof. Volker Krömker von der Universität Kopenhagen warnt davor, den Begriff Quorum Sensing zu Heilungsraten bei Mastitis in Bezug zu setzen. In Werbeaussagen werde er missbräuchlich verwendet. „Zudem konnten in der Milchdrüse chronisch kranker Kühe bisher nur bei S. aureus Biofilme nachgewiesen werden, bei anderen Erregern gibt es darauf keine Hinweise.“
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