Zukunft Milch

Es ist doch bloß eine Münze 

Fünf Cent mehr je Liter Milch… Mit dieser Bitte an Verbraucher, Politik und Handel spricht Agrarbloggerin Bettina Hueske vielen Milcherzeugern aus der Seele. 

Bettina Hueske

Landwirtin & Agrarbloggerin

Eine kleine Münze, die sinnbildlich für eine ganze Branche steht. 
Es geht um Leben, Existenzen, Generationen und etwas, das uns alle betrifft: unsere Ernährung. Um diese zu gewährleisten, gibt es unzählige Menschen, die dafür arbeiten. Lebensmittel werden verarbeitet, verpackt und an Supermärkte, Restaurants oder direkt zu den Kunden nach Hause geliefert. Am Anfang dieser Produktionskette stehen wir Landwirte. Wir beackern unsere Felder und kümmern uns um unser Vieh. Wir investieren viel Zeit, körperliche Kraft und haben nahezu täglich emotionale Herausforderungen zu meistern.
Wir investieren Geld. Hunderttausende Euro. Millionen. In mehr Technik, in Innovationen und effizientere Arbeitsmethoden. Wir investieren in neue Ställe. Für mehr Tierwohl, für bessere Arbeitsbedingungen, für mehr Platz und für Wohlfühloasen für unsere Tiere. Wir finanzieren all diese Dinge oftmals über Jahre und Jahrzehnte, über eine ganze Generation. Ohne Sicherheiten, ohne Vertrag. Ohne dafür am Ende mehr Geld zu bekommen. Für wen? Für euch. Für uns. Für unsere Tiere. Weil es gewollt und gefordert ist. Und weil wir es wollen. Weil wir unsere Tiere lieben und ihnen das Beste gönnen. Weil wir unsere Arbeit lieben und stolz auf unsere Höfe sind.

F ü n f Cent zum Glück

Und am Ende? Fehlen eben genau diese fünf Cent zum Glück. Fünf Cent. Für jeden Liter Milch. So viel würde benötigt, um unseren Kühen noch mehr Tierwohl zu bieten. Ein paar mehr Cent wären es, um uns selbst ein schönes Leben machen zu können. Aber davon, ganz ehrlich, sprechen wir noch nicht einmal. Es geht schlichtweg darum, den gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden, Existenzen zu bewahren und leider manchmal auch darum, Landwirte vor dem Burnout zu schützen. Eine Realität, die bitter, aber leider so, so wahr ist.
Wir stecken in einer Spirale, die sich immer schneller dreht. Immer weiter, ohne die Möglichkeit, Luft zu holen. Die aktuellen Preise ruinieren uns, ruinieren die Landwirtschaft in Deutschland. Egal, was in Deutschland auf Dauer erlaubt oder verboten sein wird, egal, wo die Tierhaltung hinführen soll: Zu diesen Preisen hängen wir uns selbst vom Weltmarkt ab und werden dabei auf der Strecke bleiben.
Es muss jedem von uns, jedem von euch, bewusst sein, dass wir nicht zu denselben Preisen produzieren können, wie das vor 40 Jahren funktioniert hat (mit sehr viel weniger Tieren, weniger Technik und geringeren Lebenshaltungskosten). Fakt ist: Bereits in den 80er Jahren haben wir für einen Liter Milch das bekommen, was es heute noch gibt: 75 Pfennig, respektive 37 Cent.
Löhne sind seitdem um ein Vielfaches gestiegen, Dienstleistungen werden teuer abkassiert, Kosten für Rohstoffe, insbesondere Futter, steigen stetig. Diese Rechnung kann schlichtweg nicht aufgehen. Egal, wie man es dreht oder wendet. Mittlerweile bin ich nicht mehr nur traurig, sondern schon fast wütend, dass dieses Ungleichgewicht nicht erkannt wird. Oder: nicht erkannt werden möchte. Als Landwirt steht man nun am Ende der (Nahrungs-)Kette. Man resigniert, wird noch dazu öffentlich immer wieder verurteilt und am Ende kritisiert für Dinge, die den Hof in eine sichere Zukunft bringen sollen.

Regelmäßige Selfies aus dem Kuhstall gehören zum Instagram-Auftritt von Agrarbloggerin Bettina Hueske, hier mit Braunviehkuh Mercedes.  (Bildquelle: Hueske)

Zeit für eine W e n d e

Es wird Zeit für eine Wende. Zumindest preislich politisch bestimmt, da der freie Markt das auch nach jahrelangen Versuchen auf freiwilliger Basis scheinbar nicht hergibt. Irgendeine Art von Wende wird mit der neuen Regierung auf uns zukommen, das ist unumstritten. Einige Entscheidungen werden für uns nachvollziehbar, andere völlig praxisfern sein. Einige neue Gesetze werden aus kleinen Steinen noch größere Felsbrocken machen.
Aber wisst ihr was? Wir sind für viele Wege und Umwege bereit, sofern unsere Existenz und unsere Zukunft in irgendeiner Weise gesichert werden. Erkennt das endlich. Erkennen, verstehen und wertschätzen. Das ist meine einzige Bitte.

Agrarbloggerin „Bäuerin Bettina“

Bettina Hueske ist gelernte Landwirtin und bewirtschaftet gemeinsam mit ihren Eltern und einem Auszubildenden einen Milchkuhbetrieb mit 140 Milchkühen, 80 Jungtieren und rund 60 Hektar Ackerfläche im Kreis Borken. Seit Kurzem ist Bettina Hueske mit dem Verkauf von hofeigenem Speiseeis (“Bettinas Hofkonfetti“) in die Direktvermarktung eingestiegen. 
Neben der Arbeit auf dem Hof engagiert sich die 29-jährige in den Bereichen Jungzüchter und Öffentlichkeitsarbeit sowie als Agrarbloggerin in den sozialen Netzwerken. Allein über ihren Instagram-Account „Bäuerin Bettina“ verfolgen über 17.500 Personen ihre täglichen Aufgaben, Sorgen und „Kuh-Momente“ im Münsterland.  
Hier finden Sie die Social Media-Kanäle von Bettina Hueske sowie die Homepage des Betriebes: 
Instagram: baeuerin_bettina
Facebook: Hof Hueske 
Homepage: Hof Hueske

Über 17.500 Personen verfolgen Bettinas tägliche Arbeit auf dem elterlichen Milchkuhbetrieb via Social Media. Hier ein Einblick in die Kuh-Kuschel-Momente mit Kuh Henriette.   (Bildquelle: Hueske)

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