Gebannt schaut Mari auf den Bildschirm. Das Herdenmanagementprogramm zeigt 39,8 kg bei der täglichen Milchmenge pro Kuh an. „Unser Ziel ist es, die 40 kg zu knacken“, sagt die junge Frau und schaut aus dem Stallbüro durch das Fenster, das den Blick auf die knapp 180 Kühe im Kuhstall freigibt. Sie und ihr Mann Jarmo (beide 36) haben den Betrieb 2005 von Jarmos Eltern übernommen, damals als Anbindestall mit 40 Milchkühen.
Vor zwei Jahren bauten sie einen neuen Stall. Das Ziel: Ein möglichst effizientes Management. Denn die Eltern sind mittlerweile ausgeschieden und Arbeitskräfte sind auch in Finnland schwer zu finden. Außerdem wollen die beiden nicht auf wertvolle Zeit mit den drei Töchtern (17, 13 und 11) verzichten. Die Lösung: Der Ein-Personen-Kuhstall.
180 Kühe alleine managen? Die Strategien.
Vor der eigentlichen Planung haben sich Mari und Jarmo Niskanen über 50 Ställe in Finnland, Estland, Dänemark und den Niederlanden angeschaut. „Uns war es wichtig, dass eine Person diesen Stall alleine managen kann“, erklärt Jarmo. Außerdem wollten sie den Stall in zwei Bereiche für melkende und trockenstehende Kühe unterteilen und die Frischabkalber nach der Kalbung im Blick haben.
Geplant und entworfen hat den Kuhstall das finnische Unternehmen 4dBarn, das auf Kuhställe spezialisiert ist. Herausgekommen ist ein Kuhstall mit einem durchdachten Grundriss:
1. Melken am AMS
In der Mitte des Kuhstalls sind die drei AMS installiert. Die Roboter sind parallel zum Futtertisch angebracht. „Dadurch gibt es keinen Stau“, erklärt Jarmo. Die Kühe laufen gerade hinein und müssen sich nicht vor dem Eintreten in den Roboter drehen. Im Roboter bekommen die Kühe Kraftfutter entsprechend ihrer Milchleistung, ein Kilo pro zehn kg Milch.
Beim Verlassen laufen sie einmal um das AMS herum. Die Ecke ist für die Kühe kein Problem, denn dahinter liegt ein geschützter Bereich am Futtertisch. Hier können die Kühe in aller Ruhe fressen und danach in die Gruppe zurückkehren. Dieser Bereich ist nur über den Roboter zu betreten. „Sehr ruhig und friedlich“, sagt Virpi von 4dBarn und betrachtet die vier Kühe, die in diesem Bereich am Fressgitter stehen.
Der Schlüssel zum einfachen Arbeiten mit den laktierenden Kühen liegt in der Anbringung der Tore. Wenn Mari die Kühe zum AMS treibt, macht sie Tore bei Übergängen zwischen den Liegeboxenreihen zu. Die meisten Tore lassen sich einfach herunterziehen und schließen. So ergibt sich ein Treibweg, auf dem sie die Kühe alleine bis zum Roboter lenken kann. Wenn das AMS besetzt ist, kann sie die nachgetriebene Kuh in einen kleinen Wartebereich neben dem AMS festsetzen, den die Kuh nur über den Roboter wieder verlassen kann.
Neben dem mittleren Roboter liegt das kleine Stallbüro. In diesem Raum steht einer der zwei Betriebs-Computer, auf denen stets alle aktuellen Daten über einen Bildschirm laufen. Auf einen Blick sieht man auf dem Ampelsystem, wie es um die Produktion und die Kühe steht. In diesem Raum sind zudem alle Hilfsmittel untergebracht, die im täglichen Gebrauch benötigt werden: Spermaportionen und Besamungs-Equipment, Handschuhe und Medikamente. Mari besamt morgens selber, wenn die Kühe in den Fressgittern stehen. Auch das Kolostrum wird hier gelagert.
Eine Person kann alle Aufgaben alleine erledigen.“
Jarmo Niskanen, Betriebsleiter.
2. Smarte Gruppenwechsel
Die Kühe wechseln stets in die nächstliegende Gruppe. So ergibt sich für die Kuh im Stall ein Kreislaufsystem. Lange Treibewege, bei denen unter Umständen mehrere Personen die Kühe in andere Stallbereiche treiben müssen, fallen somit weg.
Während der Laktation sind alle Kühe in einer großen Gruppe untergebracht. Diese Gruppe füllt die rechte Stallhälfte neben den Robotern aus. Zum Trockenstellen werden sie über den Roboter in den Behandlungsstand gebracht. Dort werden sie montags trockengestellt und wechseln dann in den Trockenstehbereich. Zwei Wochen vor der Kalbung bringen Mari oder Jarmo sie in die nebenan liegende Strohbox in den VIC-Bereich (Very Important Cows). Der Strohbereich ist durch mehrere Tore individuell teilbar, je nach Bedarf. Dieser Bereich liegt zudem direkt vor dem Fenster zum großen Stallbüro und somit immer in Sichtnähe der Betriebsleiter.
Der gesamte Laufstall ist über den außenliegenden Futtertisch gut einsehbar. Bei einem Rundgang lassen sich so alle Tiere gut kontrollieren, ohne dabei ihre Privatsphäre zu stören. Entdeckt Jarmo dann z. B. eine lahme Kuh, sieht er sie sich sofort im Behandlungsstand genauer an. Dafür treibt er die Kuh zuerst in den Roboter und dann über ein Tor im Ausgangsbereich des Roboters in den Behandlungsbereich.
3. Automatische Helfer
Der Stallalltag ist auf dem Betrieb gut geplant: morgens die Routinearbeiten, vormittags besondere Arbeiten. Gefüttert wird nachmittags. Während der Wintermonate jeden zweiten Tag, im Sommer täglich. Danach dreht der automatische Anschieber seine Runden über den Futtertisch. Auch die Kälberfütterung ist schlau gelöst: Vor dem Roboter Nr. 1, zu dem die Frischabkalber Zugang haben, geht eine direkte Rohrleitung in die Milchkammer. Hier fließt das Kolostrum direkt in das Milchtaxi.
Die Kühe im Stall sehen sauber aus. Bis zu viermal am Tag schieben Mari, Jarmo oder Mitarbeiterin Emmi die Hochboxen sauber. Alle zwei Wochen wird neu eingestreut. Dann fährt Jarmo die frische Einstreu mit dem Frontlader in den Stallbereich und bläst das Material zwischen die Liegeboxen. Von dort verteilen es die Kühe selber weiter. Die Laufgänge schiebt ein Spaltenroboter sauber. Bald wird ein zweiter Spaltenroboter in den Stall einziehen. „Die Kühe haben schmutzige Beine, ein Roboter alleine schafft es nicht mehr“, erklärt Jarmo.
Glückliche Kühe, zufriedene Landwirte?
Die Gesamtkosten für den neuen Kuhstall lagen bei knapp zwei Millionen Euro. Darin enthalten sind die Kosten für
- Planung und Baupläne
- Güllelager
- Baumaterialien
- Inneneinrichtung (Fressgitter, Liegeboxen, Tore ...)
- 3 Melkroboter
- zwei Siloanlagen (je 2.600 m³)
- Lagerbereich für Futterkomponenten (ca. 400 m³)
- Milchtank
- Einebnung des Außenbereichs
„Umgerechnet pro Kuhplatz liegen die Baukosten bei knapp 8.800 Euro pro Platz, das ist nicht schlecht für Finnland“, sagt Jarmo. Dabei konnten Jarmo und Mari auf Zuschüsse vom finnischen Staat zurückgreifen, der junge Landwirte bei Investitionen unterstützt. Die Höhe der Baukosten in Finnland hängt dabei stark vom Standort ab.
Auf dem Betrieb Rastinlahden tila musste z. B. viel zusätzlicher Sand beschafft werden, um für den Bau eine ebene Fläche zu erhalten. Für ihre Milch bekommen die Niskanens übrigens 36 Cent pro Kilogramm, plus acht Cent staatliche Förderung aufgrund der nördlichen Region, in der sie Milch produzieren. „Diesen Zuschlag haben sich die Finnen bei der EU hart erkämpft“, sagt Virpi.
Nach zwei Jahren im neuen Stall zeigen sich Jarmo und Mari Niskanen zufrieden. „Die Arbeit ist nicht mehr so körperlich schwer“, sagt Jarmo. „Die Funktionalität ist am besten. Alle Arbeiten gehen flüssig von der Hand und es ist sehr effizient. Heute Morgen waren Emmi und ich zum Beispiel nach einer halben Stunde mit der Boxenpflege, Nachtreiben, Säubern der Wassertröge und dem Besamen fertig“, fügt seine Frau hinzu und lächelt.
Die Färsen sind bisher auf verschiedene Altgebäude auf dem gesamten Betriebsgelände verteilt. Deswegen wollen Mari und Jarmo Niskanen als nächstes einen Stall für die knapp 130 Färsen und Trockensteher bauen, der ebenfalls möglichst einfach zu managen ist.
Wie plant man ein besseres Management?
Das finnische Stallplanungs-Unternehmen 4dBarn plant und entwirft individuelle Kuhställe – maßgeschneidert auf die jeweiligen Bedürfnisse der Landwirte. Beraterin Virpi Huotari erklärt das Prinzip der Stallplanung: „Wir denken jeden einzelnen Arbeitsschritt im Stall mit den Landwirten durch und definieren die Arbeitswege. Erst dann geht das Entwerfen los.“
Das bedeutet, dass vor der Planung ganz genau jeder einzelnen Arbeitsablauf durchdacht wird, z. B.:
- Wie viele Roboter sollen wie viele Kühe melken?
- Wie werden die Kühe gruppiert und wie erfolgen die Gruppenwechsel?
- Welche Einstreu soll wie oft nachgestreut und wo gelagert werden?
- Wo werden die Kühe trockengestellt?
- Wo finden Behandlungen statt und welche Arbeitswege haben Tierarzt und Klauenschneider?
Bei der Analyse der Arbeitsabläufe ziehen die Berater Stoppuhr und Zeitrafferkamera hinzu. Damit werden bestehende Arbeitsabläufe aufgenommen. Außerdem ziehen sie Produktionsberater zurate, um vorhandene Abläufe zu messen und zu überlegen, wie diese effizienter gestaltet werden können.
Dann setzte sich Architekt Jouni Pitkäranta an die Planung des Stallgrundrisses, dabei immer im Kopf: „Worum dreht sich auf diesem Betrieb die Arbeit? Um ein möglichst effektives Management!“ Hat er einen Grundriss entworfen, stellt er verschiedene Simulationspläne mit den jeweiligen Arbeitswegen zusammen: Arbeitswege zum Behandlungsstand, die Wege der Kuh zum Melken und zurück, Arbeitswege beim Besamen, Arbeitswege der Maschinen zum Säubern und Nachstreuen des Stalls usw.
Mit dem fertigen Stallgrundriss werden anschließend bei verschiedenen Händlern Angebote eingeholt. Diese werden vor dem Kauf noch einmal von 4dBarn geprüft. Dann startet der Bau.
Übrigens: Der Betrieb von Mari und Jarmo hat eine eigene Facebook-Seite, auf der die beiden regelmäßig Fotos und Videos aus dem Stall teilen. Man findet ihn bei Facebook unter: „
Rastinlahden tila“.
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