Färsenvermarktung 

Bleiben abgekalbte Färsen gefragt und teuer? 

Die Preise für abgekalbte Färsen erreichen Rekordhöhen. Woraus resultieren die Preise, wer sind Hauptabnehmer und mit welcher Entwicklung ist zu rechnen?

Erfreulich für Aufzüchter, kostspielig für Melker – die Durchschnittspreise für Erstlaktierende auf den Zuchtviehauktionen im Norden, Westen und Süden Deutschlands erreichen derzeit ein Niveau, das es so noch nicht gegeben hat. Nur wenige Färsen erlösen 1.500 Euro oder weniger, der Großteil um die 2.000 Euro. Immer mehr Jungkühe knacken sogar die 3.000 Euro-Grenze. Wir haben uns bei den Vermarktungsabteilungen der Zuchtverbände über die aktuelle Lage und Zukunftsaussichten informiert. 

Knappes Angebot, rege Nachfrage 

Auf dem aktuellen Färsenmarkt trifft eine rege Nachfrage, sowohl im In- als auch im Ausland, auf ein sehr knappes Angebot. Abgekalbte Färsen sind vielerorts absolute Mangelware! Das sind die Gründe: 
  • aktuell hohes Milchpreisniveau in Deutschland – Milcherzeuger wollen bzw. müssen melken 
  • schnellere Remontierung von Problem- und Altkühen durch die historisch hohe Schlachtviehpreise (> 4,00 Euro/kg) 
  • ein generell reduziertes Angebot an Jungvieh durch einen wachsenden Anteil an Fleischrassebesamungen
  • Auslagerung bzw. Aufgabe der eigenen Aufzucht, selbst in Zuchtbetrieben
  • zahlreiche Tierverkäufe aufgrund von Futterknappheit 

Die meisten Färsen gehen derzeit in die Niederlande und nach Belgien oder verbleiben in Deutschland.  (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Wer kauft zu welchen Preisen? 

In den Beneluxländern ist aufgrund von Fleischrassebesamungen und einer reduzierten Aufzucht (Verringerung von Nährstoffüberschüssen) eine erhöhte Nachfrage nach Jungkühen zu beobachten. So zählen die Niederlande, Belgien und Luxemburg aktuell zu den Hauptabnehmern von abgekalbten Färsen aus Nord- und Westdeutschland. Mindestens ebenso stark vertreten sind aber die einheimischen Kunden. „Die Abnahmequote aus dem Ausland lag lange zwischen 40 und 70 %, aktuell sind es nur noch 20 bis 40 %, alle anderen Färsen verbleiben in Deutschland“, berichtet Michael Hellwinkel, Masterrind GmbH. Die auf den ProRind-Auktionen in Bayern angebotenen Brown Swiss-Färsen verbleiben überwiegend in Norddeutschland, Baden-Württemberg und Bayern, Holsteins vermehrt in Bayern, Südtirol und Italien. 
Derzeit sind die Milchpreise in Deutschland gegenüber dem südeuropäischen Raum außergewöhnlich hoch.
Michael Hellwinkel, Masterrind 
Die Nachfrage aus Italien und Polen ist eher rückläufig: „Es gibt derzeit ein ungewöhnliches Nord-Süd-Gefälle, dahingehend, dass der Norden mit besseren Milchpreisen auch bei den Rindern die Oberhand hat“, erklärt Hubert Rosenbusch, Osnabrücker Herdbuch eG (OHG). Wenn sich die Situation verändern sollte, werde auch wieder eine stärkere Nachfrage aus Südeuropa (z. B. Italien) erwartet. 

Rund 4.500 abgekalbte Färsen kauft Francesco Moscardi jedes Jahr auf Zuchtviehauktionen in Deutschland. Die Tiere vermarktet er nach Italien, denn dort verzichten viele Milcherzeuger auf die...

Gut bezahlt werden vor allem funktionale Jungkühe mit gesunden Eutern, guten Fundamenten und Klauen sowie einer entsprechenden Milchleistung. Dazu kommen betriebsindividuelle Anforderungen wie Robotereignung oder GVO-Freiheit.  (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Milch, Exterieur und Funktionalität! 

Gut bezahlt werden vor allem funktionale Jungkühe mit gesunden Eutern, guten Fundamenten und Klauen sowie einer hohen Milchleistung. Aufschläge werden auch für betriebsindividuelle Anforderungen wie Robotereignung oder GVO-freie Fütterung gewährt, die die Eingliederung in den Käuferbetrieb vereinfachen. Bei außergewöhnlichen, hochpreisigen Färsen spielt meist auch das Pedigree eine Rolle. „Bei den Preisspitzen der Auktionen passen alle Parameter! Die Färsen geben nicht unbedingt 40 kg Milch, zeichnen sich aber durch ein tadelloses Exterieur mit einem festen, drüsigen Euter und dem Potential, alt zu werden, aus. Wenn diese Tiere dann noch eine bekannte Kuhfamilie oder Schaucharakter mitbringen, ist das ein I-Tüpfelchen, aber kein Muss“, fasst Gerd Grebener von der Rinder-Union West eG (RUW) die Käuferwünsche zusammen. 
„Die Milchleistung der Jungkühe ist sowohl bei den Holsteins als auch Brown Swiss und Fleckvieh gut. Die Unterschiede zwischen den Tieren liegen eher im Exterieur und vor allem im Erstkalbealter und der Entwicklung. Im Moment sind die Preisspannen zwischen guten und schwächeren Tieren aber verhältnismäßig gering. Bei dem knappen Angebot wird gekauft, was aufgetrieben ist“, ergänzt Goran Vuckovic von der Rinderunion Baden-Württemberg e.V. (RBW). 

Auf der Februar-Auktion von ProRind in Kempten kostete die Vanpari- Tochter der Zuchtstätte Siegfried Ziegler aus Stiefenhofen 3.700 Euro.  (Bildquelle: Kuppel, ProRind)

Preise über 2.000 Euro sind „Standard“ 

Die Färsen werden sowohl „ab Stall“ als auch über Zuchtviehauktionen gehandelt, wobei sich das Preisniveau der Ab-Stall-Vermarktung in der Regel an den Erlösen auf den Auktionen orientiert. Je nach Qualität kann es dennoch deutliche Preisunterschiede zwischen 50 und 800 Euro geben. „Die Differenz hat sich durch das generell höhere Preisniveau nicht verändert. Ab-Stall vermittelte Tiere erlösen bei uns in der Regel zwischen 200 und 500 Euro weniger“, weiß Michael Hellwinkel. 
Alle Vermarkter sind sich einig, dass vor allem die Qualität der angebotenen Tiere entscheidend ist und sich das besonders auf den Auktionen wiederspiegelt. „Da die beste Tierqualität hauptsächlich auf den Auktionen zu finden ist, ist der Unterschied dort am höchsten. Bei den Durchschnittstieren ist der Unterschied nicht ganz so groß“, meint Hubert Rosenbusch. „Ich sehe in der Auktionsvermarktung die transparenteste und fairste Form der Preisgestaltung“, sagt Alexander Kuppel von ProRind. 
Aktuelle Durchschnittspreise abgekalbter Färsen: 
  • Masterrind, Cloppenburg, Februar: 2.236 Euro (bis 3.150 Euro) 
  • Masterrind, Verden, März: 2.087 Euro (bis 3.800 Euro) 
  • OHG, Osnabrück, Februar: 2.167 Euro (1.250 bis 3.400 Euro) 
  • ProRind, Kempten, Februar: 1.832 Euro (920 bis 3.700 Euro)
  • ProRind, Buchloe, Februar: 1.894 Euro (1.150 bis 2.500 Euro) 
  • RBW, Ilshofen, Januar: 1.957 Euro (1.600 bis 2.640 Euro) 
  • RUW, Hamm, März: 2.132 Euro (1.050 bis 2.900 Euro) 
  • RUW, Fließem, Februar: 2.214 Euro (1.800 bis 3.300 Euro) 
  • VOST, Leer, Februar: 2.419 Euro (bis 3.600 Euro)

Durch die aktuell hohen Milchpreise achten viele Käufer auf eine gute Milchleistung sowie funktionale Tiere.  (Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)

Wie geht es weiter? 

„Die Prognosen sind schwierig. Sicher ist jedoch, dass sich das Angebot an Färsen nicht ad hoc nennenswert steigern lässt, sodass das Aufkommen von Verkaufstieren noch länger begrenzt bleiben dürfte. Inwieweit der Exportrückgang nach Osteuropa (Ukraine-Krieg) die Anzahl verfügbarer Zuchtrinder und später abgekalbter Zuchtfärsen ansteigen lässt, muss abgewartet werden“, sagt Dietmar Albers vom Verein Ostfriesischer Stammviehzüchter eG (VOST).

Vor allem Russland spielte für deutsche Exportrinder in den letzten Jahren eine immer größere Rolle. Dieses Geschäft kommt nun komplett zum Erliegen. 

Insgesamt gehen alle Vermarktungsexperten zunächst von einer stabilen Nachfrage und stabilen bis steigenden Verkaufspreisen mindestens bis zum Sommer aus. „Wenn Rinder knapp bleiben, Milchpreise stabil bleiben und keine neuen Auflagen, die die Milcherzeugung erschweren, hinzukommen, bleibt das Preisniveau stabil oder verbessert sich noch leicht“, schätzt Klemens Oechtering, RUW. Ein weiterer sprunghafter Anstieg der Durchschnittspreise wie wir ihn in den letzten Monaten erlebt haben, sei aufgrund der gleichzeitig rasant gestiegenen Kosten in der Milchproduktion aber eher nicht zu erwarten.

Durch die hohen Preise für Färsen denken einige Milcherzeuger darüber nach, wie mehr Färsen selbst aufzuziehen.  (Bildquelle: Coenen, RUW)

Zurück zur eigenen Aufzucht… 

Führen die hohen Zukaufspreise möglicherweise dazu, dass Milcherzeuger, wieder mehr eigene Jungtiere aufziehen, um diese zu vermarkten bzw. um nicht auf den Zukauf von Färsen angewiesen zu sein? Laut den Zuchtverbänden gibt es durchaus Betriebsleiter, die vermehrt darüber nachdenken, (wieder) mehr Färsen zu produzieren, sofern es die Ressourcen zulassen. „Dadurch könnte gesextes Sperma an Bedeutung gewinnen“, hofft Gerd Grebener. 
„Die Entscheidung, auf die eigene Nachzucht zu verzichten und Fleischrassebullen einzusetzen, basierte auf einem geringeren Preisniveau beim Ankauf von abgekalbten Zuchtfärsen“, erklärt Dietmar Albers. Der Markt hat sich nun aber grundlegend gedreht. Je nach betrieblicher Situation (Flächen, Gebäude, Arbeitskräfte etc.) empfiehlt der VOST daher, die Anpaarung mit Fleischrassen deutlich zu reduzieren, um zumindest einen Teil der Remontierung aus der eigenen Nachzucht bestreiten zu können. 
Die Entscheidung eines Betriebes, auf die eigene Nachzucht zu verzichten, ging von einem geringeren Preisniveau abgekalbter Zuchtfärsen aus.
Dietmar Albers, VOST
Hubert Rosenbusch fasst die Situation wie folgt zusammen: „Viele Milcherzeuger haben sich nach jahrelangen, nicht kostendeckenden Aufzuchtkosten von der eigenen Nachzucht verabschiedet. Jetzt müssen sie festzustellen, dass die Kalkulation, die zu dieser Entscheidung geführt hat, heute nicht mehr der Realität entspricht. Eine Kehrtwende ist aber schwierig.“ Sollte es sich auf längere Sicht lohnen, Färsen aufziehen, werden Milcherzeuger dies wieder vermehrt anstreben, ist sich Rosenbusch sicher. 
Quellen: Masterrind, OHG, ProRind, RBW, RUW, VOST 

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