Immer mehr Betriebe wechseln für ihre Boxen auf eine fertige Einstreumischung aus den Niederlanden. Sie soll für eine bessere Eutergesundheit sorgen. Was ist dran?
Eine bessere Eutergesundheit und eine deutliche Arbeitsentlastung, diese beiden Vorteile nennen uns Milcherzeuger unisono auf die Frage, warum sie auf die fertige Einstreumischung aus Kalk und Stroh der niederländischen Firma Berg Agrar GmbH (Berg Fourage) aus Nunspeet setzen....
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Eine bessere Eutergesundheit und eine deutliche Arbeitsentlastung, diese beiden Vorteile nennen uns Milcherzeuger unisono auf die Frage, warum sie auf die fertige Einstreumischung aus Kalk und Stroh der niederländischen Firma Berg Agrar GmbH (Berg Fourage) aus Nunspeet setzen. „Bei unserer Herde am zweiten Betriebsstandort ist die Zellzahl nach dem Wechsel auf diese Einstreu von über 400.000 auf jetzt 100.000 Zellen gesunken. Wir haben sonst im Stall nichts geändert, daher führen wir diesen Effekt darauf zurück“, sagt Mandy Krieger aus Beverstedt. Sie setzt die Fertigmischung seit ein paar Monaten in den Boxen ihrer 280 Kühe ein und betont: „Die Fertigmischung ist für uns zudem eine deutliche Arbeitsentlastung“.
Mandy Krieger aus Beverstedt setzt die fertige Einstreumischung von Berg Fourage seit ein paar Monaten ein. Sie streut die Boxen einmal wöchentlich nach, als Matratze darunter hat sie Polsta-Gummimatten installiert. „Die Einstreu ist einfacher zu handhaben als unsere vorherige Stroh-Kalk-Mischung, weil sie leichter ist.“
(Bildquelle: Privat)
Geringere Zellen, weniger Neuinfektionen
Berufskollegin Daniela Schlüter von der Schlüter Milch GbR in Südlohn hat ähnliche Erfahrungen. „Bei uns hat sich die Zellzahl der Herde seit dem Wechsel auf die neue Einstreu und seit der Impfung gegen E.coli von 300.000 auf durchschnittlich 130 000 Zellen/ml im Tank drastisch verbessert und wir haben deutlich weniger klinische Mastitis-Fälle“, ist die Milcherzeugerin froh.
Die Zellzahlen in der Milch sind nach dem Umstieg auf die neue Einstreu von über 400.000 auf jetzt 100.000 gesunken.
Mandy Krieger, Milcherzeugerin aus Beverstedt
Vorher wurden die Tiefboxen der 220 HF-Kühe im Betrieb mit separierter Gülle eingestreut: „Das hat jahrelang gut funktioniert.“ Bis irgendwann mehr Coli-Mastitiden auftraten. „Weil uns die eigene Stroh-Kalk-Mischung zu grob und auch zu aufwändig war, haben wir nach Alternativen gesucht“, sagt Schlüter.
Und auch bei Nicolai Tietjen aus Beverstedt hat es nur einen Monat nach dem Wechsel von separierter Gülleeinstreu auf die Fertigmischung gedauert, bis sich die Eutergesundheit der 200 Kühe deutlich verbessert hat. „Die Zahl der Neuinfektionen ging auf unter 1 % zurück, die Zellzahlen sanken deutlich“, berichtet er. Die Situation vorher war nervenaufreibend: „Wir waren schon so weit, dass wir von allen Euterentzündungen Proben gezogen haben, um endlich die Ursache für die gravierenden Euterprobleme zu finden.“
Das Stroh in der Fertigmischung ist sehr fein aufbereitet und optisch scheint jeder Halm mit Kalk in Berührung gekommen zu sein.
(Bildquelle: Werkbild)
Was ist genau drin?
Daniela Schlüter lässt sich seit mittlerweile einem Jahr per LKW mit Schubboden regelmäßig 25 t von der Kalk-Stroh-Mischung (3:1 mit 10 % Wasser), Produktname „Vlas Alternatief Premium“, auf den Hof liefern. „Das Stroh wird dabei wie Flachs aufbereitet und ist dadurch sehr fein aufgesplittet. Dadurch ist das Material sehr weich und fluffig.“
Vermutlich gehen die Betriebe zielgerichteter mit dieser teureren Einstreu um.
Clemens Mauch, Milcherzeuger-Berater
Fragt man den Hersteller Berg Agrar nach der genauen Zusammensetzung der Mischung teilt er mit: Die Mischungen würden im Wesentlichen aus Stroh oder Flachs in verschiedenen Längen sowie aus diversen fein vermahlenen Kalksorten bestehen. Hinzu komme ein Hygienemix auf Mineralbasis, der den pH-Wert auf 7 bis 8 erhöhe. Es gibt Mischungen mit einem Teil Stroh und fünf Teilen Kalk bis hin zu Mischungen mit einem Teil Stroh und 0,25 Teilen Kalk. „Der Landwirt muss ausführlich beraten werden, welche Mischung am besten zu seinen Boxen passt und wie die Gegebenheiten vor Ort sind“, sagt Michael ter Haar von Berg Agrar.
Erhältlich ist die Mischung mit unterschiedlichen Feuchtegehalten bis zu 10 %. Der Kalk sei zudem erdfeucht und habe dadurch bereits eine hohe Klebekraft. Mandy Krieger: „Die Mischung mit 4 % Feuchte hat bei uns nicht funktioniert, das war zu feucht – auch wenn uns damit eine super Matratze gelang. Deshalb wurde der Wassergehalt wieder runtergefahren.“ Die Mischung im Betrieb besteht jetzt aus 2/3 Kalk und 1/3 Stroh. Mit der zuvor erstellten Eigenmischung aus Kalk, Stroh und Wasser waren die Erfahrungen zwar auch überwiegend gut: „Wir mischten sie im Vorrat an und da kam es schon vor, dass sie warm wurde“.
Was ist das Geheimnis?
Die guten Erfahrungen in der Praxis haben sich in den letzten Monaten rumgesprochen, im Nordwesten Deutschlands steigt die Anzahl der Betriebe, bei denen die Firma regelmäßig per LKW ihre Einstreu ablädt. Erste Anfragen kämen laut Michael ter Haar von Berg Agrar aus dem Süden, u.a. vom Bodensee und der Schweiz.
Eine genaue Erklärung, worauf die sehr guten Erfahrungen in der Praxis zurück zu führen sind, haben bisher auch Fachleute nicht. Wissenschaftliche Versuche damit gibt es noch nicht.
Eine Vermutung lautet, dass die Betriebe ihr Einstreumanagement im Zuge der Fertigmischung verbessert hätten, indem sie regelmäßig kleine Mengen einstreuen. „Sie gehen zielgerichteter mit der teureren Einstreu um“, sagt Clemens Mauch. Er vermutet, dass Gesteinsmehl als feuchtebindenden Zusatz in der Mischung eine Rolle spielt.
Die Mischung erscheint sehr homogen, jeder Strohhalm ist offenbar mit Kalk in Berührung gekommen.
Dr. Friederike Reinecke, Tierärztin beim RP Gießen
Eutergesundheits-Spezialist Prof. Volker Krömker von der Universität Kopenhagen sagt: „Die Fertigmischung ist kein Wundermittel. Sie ist schön trocken und eignet sich gut als Deckschicht.“ Hinzu kämen laut Dr. Friederike Reinecke, Tierärztin beim RP Gießen weitere Vorteile:
- Die Mischung erscheine sehr homogen, jeder Strohhalm sei offenbar mit Kalk in Berührung gekommen. Das sei bei Eigenmischungen im Futtermischwagen nicht immer der Fall.
- Der Feuchtegehalt kann auf Wunsch des Betriebes verändert werden.
- Das Material sorge für eine stabile Matratze und ausgetragenes Material lässt sich sowohl in der Matratze als auch in der Deckschicht problemlos nachfüllen.
- Der Betrieb müsse die Mischung nicht mehr selbst herstellen, der Futtermischwagen sei dadurch nicht mehr blockiert und müsse vor der Erstellung der Ration nicht mehr gesäubert werden.
Gutes Einstreumanagement unerlässlich
In der Schlüter Milch GbR besteht die Matratze in den Boxen jetzt nach wie vor aus separierter Gülle, die Einstreumischung kommt als Deckschicht obendrauf. Bei der täglichen Boxenpflege kommt feuchtes Material raus, nachgestreut wird einmal in der Woche per Radlader mit Einstreukiste. „Wir haben den Eindruck, dass die Mischung durch die feinfaserige Aufbereitung mehr Feuchtigkeit aufsaugt“, berichtet die Praktikerin.
Wir beobachten auch eine sehr gute Akzeptanz der Einstreu bei den Kühen.
Nicolai Tietjen, Milcherzeuger aus Beverstedt
Ohne ein sehr Einstreumanagement mit einer guten Verfestigung der Einstreu nach dem Auffüllen und genügend Material als Deckschicht bringe aber auch die beste Mischung nichts, sind sich die drei Praktiker einig. „Wir streuen aber auch nicht mehr ein als vorher, schon allein wegen dem hohen Preis“, sagt Nicolai Tietjen, der dafür zweimal in der Woche den Hoflader mit Einstreukiste einsetzt. Er beobachtet außerdem eine gute Akzeptanz bei den Kühen.
Geliefert wird die Einstreu per LKW mit Schubboden. Eine entsprechende Lagermöglichkeit sollte auf dem Betrieb vorhanden sein.
(Bildquelle: Werkbild)
Wo und wie lagern?
Die Handhabung sei einfach. „Die Mischung ist leichter und damit auch einfacher zu transportieren“, sagt Krieger. Sie streut die Boxen einmal in der Woche nach, als Matratze darunter dienen bei ihr Polsta-Gummimatten. Eine LKW-Ladung mit 25 t reicht für ca. fünf Wochen. Geliefert werden laut Berg Agrar je nach Mischungsverhältnis Ladungen mit 14 bis 25 t. Ratsam ist die Lagerung unter Dach oder eine Abdeckung mit Vlies oder Plane. Bei Mandy Krieger liegt sie meist unabgedeckt auf einer Siloplatte. „Das geht auch, sie wird zwar außen etwas feucht. Verklumpt dabei aber nicht und lässt sich trotzdem noch gut verarbeiten.“
Die Kosten nehmen wir für eine deutlich bessere Eutergesundheit in Kauf.
Daniela Schlüter, Milcherzeugerin aus Südlohn
Hohe Kosten
Die drei befragten Milcherzeuger sind sich einig: Der hohe Preis von ca. 125 bis 149 €/t o. MwSt. sei der einzige Nachteil der Fertigmischung. Der Preis pro t richtet sich laut Hersteller nach Mischungsverhältnis und Transportstrecke. Trotzdem wollen alle dabei bleiben. „Für eine gute Eutergesundheit nehmen wir diese Kosten in Kauf“, sagt Daniela Schlüter und betont: „Den hohen Zeitaufwand und die Kosten für Mastitis-Kühe für z.B. Medikamente, Milchverlust etc. muss man schließlich gegenrechnen.“
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