Saure oder anionische Salze werden häufig in der Milchfieberprophylaxe eingesetzt. Dabei gibt es einige typische Fehlerquellen. Wir zeigen, worauf man achten sollte.
Mit „sauren“ bzw. anionischen Salzen lässt sich Milchfieber vorbeugen. Ein Selbstläufer ist der Einsatz jedoch nicht. In welche Rationen die anionischen Salze passen und wie sie sich richtig einsetzen lassen, erfahren Sie hier.
Prof. Katrin Mahlkow-Nerge
FH Kiel
Kühe haben nach der Kalbung aufgrund der Milchbildung einen sprunghaft erhöhten Calcium-Bedarf (Ca), der gedeckt werden muss. So gibt die Kuh in den ersten zwei Laktationstagen je 10 kg Kolostrum 14 bis 21 g Ca und 9 bis 11 g Phosphor ab. Gleichzeitig sind im Blutplasma aber nur 5 g Ca sofort verfügbar. Das bedeutet, dass die Kuh für ihre eigene Bedarfsdeckung Ca mobilisieren muss.
Dafür gibt es drei Mechanismen:
Mobilisation von Calcium-Reserven aus den Knochen.
Stimulation der Bildung von Calcium-transportierenden Proteinen im Magen-Darmtrakt und damit eine erhöhte Calcium-Resorption (Verdaulichkeit des mit dem Futter aufgenommenen Calciums steigt dadurch an).
Reduzierung der Calcium-Ausscheidung.
Säure-Basen-Haushalt entscheidend
Was lässt sich nun also über die Fütterung allgemein und über den Einsatz der sauren Salze erreichen? Durch die Absenkung des Säure-Basen-Haushaltes der Tiere (über die Fütterung) steigt die Konzentration freien Calciums im Blut aufgrund einer gesteigerten Calcium-Mobilisierung und einer erhöhten Calcium-Aufnahme über den Darm. Das führt dann auch zu einer erhöhten Calcium-Ausscheidung über die Nieren.
Die Phase nach der Kalbung ist geprägt durch eine instabile Stoffwechselgesundheit. Schon geringer Stress in der Trockenstehzeit kann diese verschlechtern.
Welcher Effekt durch die Vorbereiterfütterung auf den Säure-Basen-Haushalt zu erwarten ist, zeigt die Kationen-Anionen-Bilanz (DCAB, dietary cation anion balance) im Futter. Je höher die DCAB ist, umso stärker wird der Säure-Basen-Haushalt der Kuh in eine stark alkalische Richtung ausgelenkt. Die Gefahr für Milchfieber steigt! Hier setzen anionische Salze an, die die DCAB der Ration senken und damit den Säure-Basen-Haushalt in einen azidotischen Bereich bringen.
Grundfutter muss man immer untersuchen lassen
Um die DCAB einer Ration und damit die von ihr ausgehende potenzielle Milchfiebergefährdung korrekt einschätzen zu können, müssen alle Grundfuttermittel, ganz besonders die Grassilagen (weil diese erfahrungsgemäß sehr unterschiedliche DCAB-Werte – von ca. - 100 bis + 600 meq/kg TM – aufweisen) untersucht werden. Am besten sollten auch die mengenmäßig wichtigsten Kraftfutter hinsichtlich der DCAB analysiert werden.
Achtung: Nur dann lässt sich entscheiden, ob und in welcher Menge saure Salze eingesetzt werden können.
Grundsätzlich muss mindestens beim Wechsel einer Silage eine Untersuchung wiederholt werden. Besser ist es, in regelmäßigen, kürzeren Abständen zu analysieren, insbesondere dann, wenn Mehrkalbskühe vermehrt mit Nachgeburtsverhalten, Endometritiden, Mastitiden oder Ketosen (mögliche Folgen von subklinischem Milchfieber) reagieren bzw. milchfiebertherapeutische Maßnahmen bereits notwendig sind.
Auch Stroh sollte regelmäßig analysiert werden.
(Bildquelle: Hilbk-Kortenbruck)
In vielen Rationen sind große Mengen an Stroh enthalten. Stroh ist auf der einen Seite homogener als andere Grundfuttermittel. Dennoch ist auch hier eine Analyse anzuraten, die aber nicht unbedingt regelmäßig wiederholt werden muss. Beim Einsatz saurer Salze lassen sich zwei Situationen unterscheiden.
Anionenrationen: Hier erfolgt eine Absenkung der hohen DCAB (z. B. um 200 meq/kg TM) in einen Bereich zwischen 0 und ca. - 50 meq/kg TM, sodass eine milde Blut-Azidose erzielt wird. Die Kuh beginnt mit einer Steigerung der Ca-Freisetzung aus dem Skelett. Außerdem wird die Ca-Aufnahme aus dem Darm unterstützt. Von einer Absenkung unter - 50 meq je kg TM (Harn-pH-Wert auf unter 7) ist abzuraten. Denn dann besteht das Risiko, dass die Kühe bei zu starker Blut-Azidose ihre Futteraufnahme deutlich verringern.
Verringerte alkalotische Belastung: Hierbei wird die sehr hohe DCAB der Ration (in der Regel > 300 meq/kg TM) abgesenkt, bleibt aber im positiven Bereich, da ansonsten die zu große notwendige Menge an anionischen Salzen nachteilige Effekte auf z. B. die Futteraufnahme (aus physiologischen Gründen/„Schutzmechanismus“) hat. Hierbei müssen dann weitere Maßnahmen zur Milchfieberprophylaxe durchgeführt werden.
Nur 4 % Nachgeburtsverhaltungen
Sehr zufriedenstellende Ergebnisse: So beschreibt Alexander Stelljes den Einsatz der anionischen Salze in der Herde des Betriebs Benninghoff Holsteins. Durch die sauren Salze konnten sie die Anzahl Milchfieberkühe und Nachgeburtsverhaltungen senken. So liegen die Nachgeburtsverhaltungen (inklusive der Zwillingsgeburten) bei 4 bis 5 %.
Aber: Der Einsatz ist für den Herdenmanager kein Selbstläufer! Neben der regelmäßigen Bestimmung der DCAB der Futtermittel, wird der Einsatz über den Harn-pH-Wert überwacht. Wöchentlich misst ein Mitarbeiter dazu bei sieben bis zehn Kühen (Herde: 1.200 Kühe) den Harn-pH-Wert. Genauso wichtig sei es aber, die TM-Aufnahme zu kontrollieren. Um wirklich sicher zu gehen, dass die Salze sich hier nicht negativ auswirken.
Fütterungsmanagement bei den Trockenstehern ist entscheidend
Der Einsatz saurer Salze ist eher bei grassilagebetonten Rationen mit höheren DCAB-Werten angezeigt. Aber auch bei maissilagebetonten Rationen ist es vor allem der DCAB-Wert der Grassilage, der über die DCAB der Gesamtration entscheidet und damit, ob und wenn ja, welches Salz-Konzept angewandt wird.
Achtung: Beim Einsatz anionischer Salze bedarf es eines exzellenten Fütterungsmanagements, d.h. es muss eine hohe Mischgenauigkeit angestrebt werden. Die kontinuierliche Überwachung der TM-Aufnahme der Kühe ist eine zentrale Kontrollmaßnahme beim Einsatz der Salze.
Beim Einsatz anionischer Salze bedarf es eines exzellenten Fütterungsmanagements. So muss eine hohe Mischgenauigkeit angestrebt werden.
(Bildquelle: Stöcker-Gamigliano)
Einsatzzeit der anionischen Salze ist begrenzt
Anionische Salze sollte man mind. zwei Wochen lang einsetzen. Die Wirkung ist sofort nach der Aufnahme vorhanden und hört sofort nach dem Absetzen wieder auf. Saure Salze sollten bis zur Abkalbung gefüttert werden und sind unbedingt mit der Kalbung abzusetzen. Eine zu lange Gabe der sauren Salze (über drei Wochen) in der Trockenstehzeit kann die Futteraufnahme negativ beeinflussen!
Die Verabreichung der anionischen Salze an Färsen ist nicht notwendig, aber es könnte den positiven Nebeneffekt hervorrufen, dass sich Euterödeme reduzieren. Es gibt spezielle „Kilo-Futter“, also Kraftfutter mit eingemischtem saurem Salz, mit denen auch Vorbereiter versorgt werden können, wenn es keine TMR gibt. Wichtig ist auch hier, die tierindividuelle Aufnahme zu gewährleisten und zu kontrollieren.
Zuerst muss die DCAB der Ration bestimmt werden (genaue DCAB des anionischen Salzes kennen). Anschließend muss durch eine Analyse des Harn-pH-Wertes bzw. der Netto-Säure-Basen-Ausscheidung (NSBA im Harn) die Wirkung dieser Strategie überprüft werden.
Auf dem Papier lassen sich Rationen sehr genau kalkulieren. Doch häufig kommen gerade kleine (Trockensteher-)Mischungen so nicht auf dem Futtertisch an.
Vor allem ist die Dosierung des sauren Salzes zu prüfen. Ist diese zu gering, bleibt der gewünschte Effekt aus. Eine Überdosierung hingegen kann noch dramatischere Folgen haben, da eine zu starke metabolische Azidose zu einem drastischen Rückgang der Futteraufnahme führen kann.
Schnellbestimmungs-pH-Meter stehen für die Anwendung (Harnprobe) im Stall zur Verfügung. Papierteststreifen mit einer farblichen Spreizung des pH-Wertbereiches zwischen 5 und 8 können ebenfalls genutzt werden. Noch aussagekräftiger ist die NSBA-Bestimmung in Kombination mit dem Ca-Gehalt des Harns im Labor, die man in Rücksprache mit seinem Tierarzt durchführen lassen kann.
Zielwerte beim Einsatz von Anionenrationen: Harn-pH-Wert: 7,0 bis 7,8; NSBA: - 50 bis 0 mmol/l
Die Anzahl an zu beprobenden Tieren richtet sich nach der Bestandsgröße. Es sollten wöchentlich immer mehrere Kühe beprobt werden, mindestens 20 % der Vorbereitergruppe. Diese müssen die Anionenration mindestens seit fünf Tagen fressen. Grundsätzlich sollten immer Einzel- und keine Poolproben gemessen werden. Schwanken die Werte stark, könnte dies auf eine geringe Mischgenauigkeit oder eine selektierbare Ration hinweisen.
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