Kurz und knapp
- Eine frühe Gruppenhaltung fördert das Sozial- und Tränkeverhalten
- Das Haltungskonzept verringert den Reinigungs- und Desinfektionsaufwand
- Grundvoraussetzung für das Umstallen ist eine optimale Biestmilchversorgung und ein angepasstes Stallklima
- Größe und Zusammensetzung der Gruppe sind sehr wichtig
Mehr als die Hälfte der Einzelboxen steht leer. Direkt nebenan schlürft ein drei Tage altes Kalb die Milch. Satt legt es sich...
Kurz und knapp
- Eine frühe Gruppenhaltung fördert das Sozial- und Tränkeverhalten
- Das Haltungskonzept verringert den Reinigungs- und Desinfektionsaufwand
- Grundvoraussetzung für das Umstallen ist eine optimale Biestmilchversorgung und ein angepasstes Stallklima
- Größe und Zusammensetzung der Gruppe sind sehr wichtig
Mehr als die Hälfte der Einzelboxen steht leer. Direkt nebenan schlürft ein drei Tage altes Kalb die Milch. Satt legt es sich schließlich zu den anderen Kälbern in das große Gruppeniglu: „Bunt“ gemischt: männliche Kälber neben weiblichen Kälbern, große neben kleinen.
Und das funktioniert? Bei Manuel Diebolder in Waltenhofen im Allgäu schon. Im Januar hat er die Kälberhaltung auf seinem 65-Kuhbetrieb verändert: Statt seine Kälber, wie im letzten Jahr, 14 Tage einzeln zu halten, stallt er sie schon mit drei Lebenstagen in die Gruppenhaltung mit maximal zehn Kälbern um. Anstatt zweimal täglich Nuckeleimer zu tragen, versorgt nun ein Tränkeautomat rund um die Uhr die beiden Kälbergruppen.
Aber warum? „Wir brauchten, unabhängig von der neuen 28-Tage-Transportregel, mehr Platz und wollten die arbeitsintensiven Einzelboxen so wenig wie möglich beanspruchen. Zudem ist es unser Ziel, eine bestmögliche Entwicklung der Kälber zu erreichen“, erzählt der junge Milcherzeuger.
Die Vorteile
Spezialisierte Berater für Kälberhaltung bestätigen, dass die frühe Gruppenhaltung – eine Gruppe von mehr als zwei Kälbern – viele Vorteile bringt:
- Sie fördert die Entwicklung des Sozialverhaltens und des Tränkeverhaltens
- und sorgt für eine bessere Anpassungsfähigkeit an Veränderungen und eine erhöhte Stressresistenz; auch nach dem Absetzen.
- Sie verringert die Arbeitsintensität; Reinigungs- und Desinfektionsaufwand für Einzelboxen und Tränkesysteme werden weniger.
Die Nachteile
Nachteile einer frühen Gruppenhaltung sind allerdings, dass
- Krankheiten durch den direkten Kontakt der Kälber schneller übertragen werden können.
- die Kälberkontrolle in einer großen Gruppe schwerer zu realisieren ist als in einer Einzel- oder Doppelbox.
Gesunde Kälber
Damit eine frühe Gruppenhaltung gelingt, müssen laut Experten bestimmte
Voraussetzungen erfüllt sein: Der
Immunstatus der Kälber sollte optimal und die
Kolostrumversorgung auf dem höchsten Standard sein. Denn nur gesunde Kälber können und sollen früh umgestallt werden. Manuel Diebolder misst beispielsweise die
Biestmilchqualität mit dem
Refraktometer und verwendet keine Biestmilch unter einem Brix-Wert von 23 %. Außerdem ist jedes Kalb für die ersten drei Tage mit einer
Kälberdecke ausgestattet. „Ich versuche konsequent die Kälber ab dem dritten Lebenstag umzustallen. Wenn ich aber merke, dass ein Kalb nicht fit ist, warte ich noch ein paar Tage mit dem Umstallen“, betont er.
Wenn ich merke, dass ein Kalb nicht fit ist, warte ich noch ein paar Tage mit dem Umstallen.
Manuel Diebolder
Satt von Anfang an
Nicht nur die Biestmilchqualität ist entscheidend, sondern auch die Menge. Das gilt auch für die folgenden Mahlzeiten innerhalb der Gruppe. Eine frühe Gruppenhaltung funktioniert nur mit hohen Milchmengen und kleinen Portionen. Wenn ein Kalb nicht von Anfang satt ist, entsteht vermeidbarer Stress. Dieser kann schließlich zu gegenseitigem Besaugen führen.
Zudem sollte die Durchflussmenge des Nuckels weniger als 500 ml pro Minute aufweisen, damit die drei Tage alten Kälber die Milch richtig einspeicheln können.
Kälber sollen auch hier möglichst schnell täglich 1,2 bis 1,4 kg TS aus der Tränke aufnehmen. Studien beweisen sogar, dass sich eine frühe Gruppenhaltung positiv auf die Gewichtsentwicklung des Kalbes auswirkt. Außerdem ist im Vergleich zu einer Gruppenhaltung ab einem Alter von 14 Tagen das Tier-Fressplatz-Verhältnis noch wichtiger: Pro Kalb sollte ein Fressplatz verfügbar sein.
Problem: Gegenseitiges Besaugen
Wenn ein Kalb nicht von Anfang satt ist, gewöhnt es sich an diesen Zustand- es entsteht vermeidbarer Stress. Stress, der im schlechtesten Fall auch zu gegenseitigem Besaugen führen kann. Das Kalb ist unterversorgt und es bekommt Langeweile. Markus Tißen hält auf seinem 120 -Kuhbetrieb schon 6 Jahre erfolgreich seine Kälber spätestens ab dem vierten Lebenstag in Päärchen- Haltung (Pairing). Gegenseitiges Besaugen beobachtet er vereinzelt kurz vor dem Absetzen, wenn die Tränkemenge gesenkt wird. Deshalb möchte er in Zukunft den Kälbern vorbeugend noch mehr Beschäftigungsmaterial anbieten. Heu, Wasser und Pellets erhalten seine Kälber bereits in der ersten Lebenswoche.
Gutes Stallklima
Das Stallklima spielt eine sehr wichtige Rolle, da die Kälber sehr sensibel sind. Nicht nur eine starke Schadgas-Belastung in der Gruppenbox, sondern auch ungenügende Luftbewegung oder Zugluft gilt es unbedingt zu vermeiden. Häufige Entmistungsintervalle sind erforderlich und eine Lüftung zur Verbesserung des Klimas empfehlenswert, um eine optimale Luftfeuchtigkeit von 35 bis 50 % und eine Stalltemperatur zwischen 10 und 20 °C zu erreichen. Häufig erhöht sich das Krankheitsrisiko auch beim Umstallen von isolierten Ställen in Außenklimaställe. Ratsam ist es ebenfalls, die Kälber unter einer Umgebungstemperatur von 10 ºC für mindestens 14 Tage mit Kälberdecken warm zu halten.
Homogene Gruppen
Vor allem bei einer frühen Gruppenhaltung ist eine altersgemäße Zusammenstellung besonders wichtig. Große Altersunterschiede und eine ständige Änderung der Konstellation sorgen für Stress jedes einzelnen Kalbes. Das Krankheitsrisiko erhöht sich.
Es ist ratsam, dass die Kälber innerhalb zwei Wochen geboren sind und bis mindestens zum Absetzen konsequent mit diesen zusammenbleiben. Für einen Betrieb mit 500 Kühen ist es leichter, eine frühe Gruppenhaltung zu realisieren als für einen Betrieb mit 60 Kühen. Die Geburtenzahl pro Woche unterscheidet sich sehr stark.
Aber auch ein 60-Kuhbetrieb – wie der Betrieb Diebolder – kann die Gruppenhaltung so gestalten, dass es funktioniert: Die Gruppe an sich ist nur kleiner oder die Altersspanne innerhalb dieser größer. Das funktioniert unter anderem mit einem richtigen Tränkemanagement.
Allgemein ist die Gruppengröße entscheidend für eine sichere Einzeltierkontrolle und einen geringen Infektionsdruck. Bei der Planung ist es zudem sinnvoll, durch eine zusätzliche Gruppenbox das Rein-Raus-Verfahren und somit den Kälbern einen keimfreien Start zu ermöglichen.
Tipp: Generell sind Gruppengrößen von maximal 10 Kälbern zu empfehlen. So ist eine sichere Einzeltierkontrolle möglich und der Infektionsdruck reduziert.
Und die Verkaufskälber?
Ob und wie Verkaufskälber in die frühe Gruppenhaltung integriert werden, ist betriebsindividuell. Fall es möglich ist, sollte man Verkaufskälber in einer separaten Gruppe halten. Werden sie gemeinsam mit Kälbern für den Eigenbestand aufgestallt, ist das aber kein entscheidender Nachteil. Diese Stallplätze bleiben „nur“ für die restliche Tränkedauer ungenutzt, da eine erneute Zusammenführung nach vier Wochen nicht empfehlenswert ist. Ein Tränkeautomat würde sogar die längere Tränkedauer der Verkaufskälber vereinfachen.
Geduld zahlt sich aus
In der ersten Lebenswoche brauchen Kälber besonders viel Aufmerksamkeit. Werden die Kälber sofort mit Geduld an das Tränkesystem angelernt, assoziieren sie damit positive Erfahrungen. Vor allem wenn sie mit anderen Kälbern in der Gruppe leben. Das zahlt sich in den folgenden Wochen aus. Manuel Diebolder ist überzeugt von der frühen Gruppenhaltung: „Sie bedeutet für uns eine deutliche Arbeitserleichterung. Es war die richtige Entscheidung, um die soziale Entwicklung jedes einzelnen Tieres zu fördern und dem Platzmangel entgegenzusteuern.“ Nicht zu vernachlässigen sei aber die mehrmals tägliche Tierkontrolle.
Es war die richtige Entscheidung, um die soziale Entwicklung jedes einzelnen Tieres zu fördern.
Manuel Diebolder
28-Tage-Regel als Chance
Nicht jeder Milcherzeuger hat sich entschieden, wie es mit der Kälberhaltung nach Inkrafttreten der 28-Tage-Regel weitergehen soll. Sofern sich die frühe Kälbergruppenhaltung im Betrieb integrieren lässt, bietet diese eine gute Alternative – zum Wohl des Kalbes und um wirtschaftliche Vorteile zu erzielen. Die vorhandenen Einzelboxen sind rechtlich ohnehin für 14 Tage alte Kälber oft zu klein.
In Zusammenarbeit mit Bärbel Achelpöhler (Dairytop), Holger Kruse (Holm&Laue), Dr. Peter Zieger und Jürgen Plesse (Förster-Technik)
Ab sofort dürfen Kälber erst ab 28 Tagen transportiert werden. Viele Betriebe müssen weitere Stallplätze schaffen. Tipps, wie Sie die Kälberhaltung anpassen können und welche Boxenmaße...
In der Schweiz hat der Tiergesundheitsdienst eine Strategie entwickelt, um individuelle Stärken und Schwächen in der Kälberaufzucht aufzudecken.