Die Aufzucht gesunder Kälber, die gut zunehmen und frühzeitig ihr Erstbesamungsgewicht erreichen, ist ein zentraler Punkt für die spätere Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Kuh. Prof. Martin Kaske vom Kälbergesundheitsdienst in der Schweiz sieht in jedem Kalb eine „kleine Kuh“ und empfiehlt Milcherzeugern deshalb die Aufzuchtphase systematisch zu managen. Er legt dabei Wert auf intensive Tränke, optimale Haltungsbedingungen und einen guten Immunstatus.
Antibiotikaverbrauch zu hoch
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Die Aufzucht gesunder Kälber, die gut zunehmen und frühzeitig ihr Erstbesamungsgewicht erreichen, ist ein zentraler Punkt für die spätere Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Kuh. Prof. Martin Kaske vom Kälbergesundheitsdienst in der Schweiz sieht in jedem Kalb eine „kleine Kuh“ und empfiehlt Milcherzeugern deshalb die Aufzuchtphase systematisch zu managen. Er legt dabei Wert auf intensive Tränke, optimale Haltungsbedingungen und einen guten Immunstatus.
Antibiotikaverbrauch zu hoch
Das es zu guten Kälbergesundheitsmanagement in der Praxis noch ein langer Weg ist, zeigen die hohen Antibiotika-Verbrauchszahlen. Im Schnitt werden aktuell 25% aller Antibiotika bei Nutztieren im Kälberbereich (v.a. bei der Kälbergrippe) eingesetzt. Gerade in Betrieben mit hohen Aufzuchtverlusten werden überdurchschnittlich große Mengen Antibiotika eingesetzt. Das sehen Verbraucher zu Recht kritisch, denn mit Medizin heilt man keine Managementfehler.
Aber auch das Gegenteil, die antibiotikafreie Aufzucht (gefordert in Teilbereichen der Lebensmittelindustrie), ist nur schwer in der Praxis umzusetzen. Denn echte Lungenentzündungen mit Fieber sind lebensgefährlich und mehr als ein „kleiner Schnupfen“. Antibiotika sind in diesem Fall ein Beitrag zum Tierschutz.
Stärken & Schwächen
Der
Schweizer Kälbergesundheitsdienst (
https://www.kgd-ssv.ch) hat eine Checkliste entwickelt, mit deren Hilfe Milcherzeuger ihr Aufzuchtmanagement überprüfen können. Die Liste enthält Risikofaktoren für die Tiergesundheit, wie sie sich evidenzbasierte aus der Literatur ergeben. Darin werden in den verschiedenen Bereichen wie Haltung, Tränke, Immunstatus und Betreuung konkrete Zielwerte (Übersicht) vorgegeben.
Erreicht der Betrieb die Zielkennzahlen bekommt er 0 Punkte (grün), liegt er etwas darüber oder darunter gibt es 2 Punkte (gelb) und erreichte er überhaupt nicht gibt es 4 Punkte (rot). Am Ende wird die Gesamtpunktzahl ermittelt und somit das Verbesserungspotential in Zahlen gefasst.
Landwirte und Berater können so auf einen Blick sehen, wo der Betrieb Stärken hat (grün) und wo es noch Verbesserungspotential gibt (rot) gibt. Es geht darum, gegen die Betriebsblindheit an zu arbeiten. Sinnvoll ist es, zunächst die roten Felder abstellen und damit die Erkrankungsrate zu senken, bevor Therapiepläne erarbeitet werden.
Haltung & Fütterung mit System
Das Kälbergesundheitsmanagement beginnt direkt mit der Geburt. Hier gilt es vor allem, die Schwergeburten bedingt durch zu viel Körperkondition des Muttertieres, Wehenschwäche durch Calciummangel zu verhindern und das Kalben stressfrei und hygienisch ablaufen zu lassen.
Kolostrum muss dann in den ersten Lebensstunden in ausreichender Menge (3 bis 4 Liter) und guter Qualität (< 22% BRIX) verabreicht werden. Wenn es Durchfallprobleme gibt, die auf einen Mangel an AK im Kälberblut zurückzuführen sind, sollten Landwirte auch nachts zur Geburt aufstehen, um Kolostrum innerhalb der ersten Lebensstunde zu füttern. Auch hier spielt gute Tränkehygiene eine Rolle, denn die Resorptionsrate verringert sich mit ansteigendem Keimgehalt.
Der nächste Schritt ist dann das Abtrocknen der neugeborenen Kälber z. B. unter Rotlicht, denn trockene Kälber nehmen 40% mehr Biestmilch auf. Nach der Biestmilchphase kann problemlos auf die ad libitum-Tränke umgestellt werden.
Diese Tränkesystem kommt dem natürlichen Saugverhalten des Kalbes am nächsten, denn in der Natur können kleine Kälber schon ab Tag 2 zehn Liter Tränke aufnehmen. Vollmilch ist dann ein perfektes Futtermittel, wenn Vitamine und Eisen ergänzt werden. Wer die Intensivtränke mit Milchaustauscher durchführen möchte, sollte auf gute Qualität und die richtige Konzentration achten, sonst besteht die Gefahr von Durchfall und die Ausbildung von Labmagengeschwüren. Bei der ad libitum-Tränke im Sommer, sollte man die Milch ansäuern (Messen mit ph-Streifen), um Vermehrung von Bakterien zu verhindern.
Kälber mögen es nicht ganz so kühl wie Kühe, darum sollen Iglus/Buchten großzügig mit Stroh auf einer Unterlage mit Rindenmulch eingestreut sein (Nesting-Score 3). Der Einsatz von Kälberdecken aus maschinenwaschbarem Polyester ist sinnvoll und fördert die Tränkeaufnahme für kleine Kälber bei kalten Außentemperaturen.
Vorbeugender Gesundheitsschutz
Iglus werden nach jedem Kalb gereinigt, desinfiziert und haben dreitägigen Leerstand. Das hilft v.a. bei der Reduktion des Infektionsdrucks der allgegenwertigen Kryptosporidien (Durchfallerregern). Auch der Durchseuchungsgrad mit Rindergrippe-Viren (z. B. BRSV) ist mit 85% der Betriebe sehr hoch. Das spricht dafür, dass man auf vorbeugendes Impfen eigentlich nicht verzichten darf, auch nicht bei Bullenkälbern oder nicht zur Remontierung geeigneter weiblicher Kälber, die den Betrieb frühzeitig verlassen. Zum Ausbruch der Kälbergrippe sind neben Viren auch ungünstige Umweltbedingungen nötig. Maximal ein Stressor pro Woche sollte auf kleine Kälber wirken (enthornen, umstallen;..).
In der ersten Lebenswoche ist das Füttern von Probiotika (Kälberbooster) empfehlenswert. Sie fördert die Bakterienvielfalt und Gesundheit am Darm und wirkt sich positiv auf das Mikrobiom aus und verbessert damit die Immunabwehr.
Eine Dokumentationskarte sollte für jedes Kalb vor Ort zu beschriften bzw. abzulesen sein. Diese Infos sind wichtig: Geburtsdatum, Einling, Zwilling; Vitalität nach der Geburt, Geburtsgewicht, Qualität Kolostrum, Datum für die Umstallung vormerken. Eignung für Bestandsergänzung prüfen (bei überdurchschnittlicher Tränkeaufnahme).
Der Schweizer Tiergesundheitsdienst plant noch mehr Checklisten für eine ganzheitliche Bestandsanalyse für die Bereiche Euter, Fruchtbarkeit, Stoffwechselstörungen und Biosicherheit.
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