Das nach der Geburt aufgenommene Kolostrum schützt das Kalb in den ersten Lebenswochen gegen Krankheitserreger. Die in der Kolostralmilch enthaltenen Immunglobuline werden über die Darmwand aufgenommen und gelangen so in die Blutbahn des Kalbes. Das junge Tier erlangt so eine passive Immunisierung. Wie gut diese Immunisierung funktioniert hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Nur in den ersten Lebensstunden kann die maximale Menge an Immunglobulinen durch die Darmwand aufgenommen werden. Nach der 2. bis 4. Lebensstunde nimmt die Durchlässigkeit der Darmwand massiv ab.
- Je weniger Bakterien in der Kolostralmilch zu finden sind, desto höher ist später der Immunglobulin-Gehalt im Blut der Kälber.
- Die Qualität des Kolostrums lässt sich anhand des Gehalts an Immunglobulin G (IgG) bestimmen. IgG macht den größten Anteil an Immunglobulinen in der Biestmilch aus. Dieser Gehalt kann (je nach Versorgungslage der Kuh, Stress, etc.) stark schwanken. Von einer guten Qualität spricht man bei einem Gehalt von 50 g IgG/l Biestmilch.
Wir haben für Sie verschiedene Kolostrum-Tester ausprobiert. Unsere Ergebnisse finden Sie im folgenden Beitrag. In der Bildergalerie sehen Sie die von uns in den Test einbezogenen Geräte.
Refraktometer
Optische und digitale Refraktometer messen die Lichtbrechung im Kolostrum. Die Brechung steht in einem direkten Zusammenhang zum Trockenmasse-Gehalt der Kolostralmilch, der wiederum mit dem Gehalt an Immunglobulinen korreliert. Ein Brix-Wert von 22% entspricht etwa einer guten Kolostrumqualität von 50 g IgG/l.
a) Digitales Refraktometer: Mit diesem Gerät erhält man ein sehr genaues Ergebnis (wenn die Linse vor Lichteinfall geschützt ist). Allerdings ist ein regelmäßiges Kalibrieren nötig. Die Handhabung ist sehr einfach, Messung und Reinigung gehen schnell von der Hand. Das digitale Refraktometer hat eine gute Standfestigkeit, es sollte aber vor Feuchtigkeit und Staub geschützt werden (z. B. Aufbewahrung in Plastikbox). Das digitale Refraktometer hat uns im Test am stärksten überzeugt!
b) Optisches Refraktometer: Dieses Messgerät misst relativ eindeutig den Immunglobulin-Gehalt (in % Brix) der Milch. Die Handhabung erfordert ein gewisses Geschick, die Messung und anschließende Reinigung des Geräts nehmen nur wenige Minuten in Anspruch. Das optische Refraktometer ist allerdings empfindlich (kann wegrollen, kann beim Sturz brechen). Das Refraktometer muss gelegentlich kalibriert werden.
Spindel
Mit der Spindel werden über die spezifische Dichte Rückschlüsse auf den Gehalt an Immunglobulinen gezogen. Je höher die Dichte, desto stärker ist der Auftrieb der Spindel. Da die Kolostrum-Temperatur die Dichte beeinflusst, sollte die zu testende Biestmilch auf 20°C heruntergekühlt sein. Die Kolostrumqualität liegt bei 50 g IgG/l, wenn der grüne Teil der Farbskala zu sehen ist.
c) Klassische Spindel: Mit der Spindel erhält man ein genaues Ergebnis. Allerdings ist es abhängig von der Temperatur der Biestmilch (20°C). Im Messzylinder muss zudem ausreichend Milch vorhanden sein, da die Spindel ansonsten nicht frei schwimmen kann. Die Messung und Reinigung nimmt nur ein paar Minuten in Anspruch. Die Spindel ist allerdings sehr empfindlich und kann schnell herunterfallen (rollt).
d) Kolostrometer: Bei diesem Gerät befindet sich die Biestmilchspindel in einer Glaspipette mit Ansaugschlauch. Das Ergebnis ist bei einer Biestmilchtemperatur von 20°C genau. Allerdings darf kein Schaum auf der Kolostralmilch sein, sonst kann das Ergebnis nicht richtig in der Glaspipette abgelesen werden. Die Handhabung ist schwieriger als bei der klassischen Spindel, da während der Messung der Ansaugschlauch weiter in der Milch hängen muss. Zur Reinigung muss das Gerät komplett auseinander gebaut und kann erst nachdem es abgetrocknet ist, wieder zusammengebaut werden (sehr zeitaufwendig).
Auslauftrichter
e) ColostroCheck: Hier wird von der Dichte der Milch (Fließeigenschaft) auf den Immunglobulin-Gehalt geschlossen. Die Biestmilch muss bei diesem Test 30°C (!) aufweisen. Von gutem Kolostrum wird hier gesprochen, wenn die Milch mehr als 24 Sekunden benötigt, um vollständig durch die Öffnung zu laufen. Das Ergebnis erlaubt damit allerdings nur eine Einteilung der Kolostralmilch in gut oder schlecht (keine abgestuften Ergebnisse). Die Anwendung, aber auch die Reinigung, sind sehr einfach.
On-farm Test
f) SmartStrips: Bei diesem chemisch-analytischen On-Farm-Test wird (inklusive Ablesen der Ergebnisse per Smartphone-App) der Immunglobulin-Gehalt der Biestmilch untersucht. Die Kolostralmilch muss hier eine Temperatur von 21°C aufweisen. Die Anwendung ist sehr schwierig (fünf Arbeitsschritte) und damit anfällig für Fehler, u.a. das passgenaue Abfotografieren des Teststreifens gestaltet sich schwierig. Die App zum Auslesen des Tests kann nur auf einem Smartphone mit dem iOS-Betriebssystem installiert werden. Am Ende jedes Tests bleibt sehr viel Restmüll übrig. Da für die Erstellung der Messlösung eine Säure verwendet wird, müssen in jedem Fall Handschuhe (Sicherheit) getragen werden. Auch der hohe Preis (9 €/Test) ist vergleichsweise hoch.
Die von uns ausprobierten Kolostrum-Tester unterscheiden sich teilweise in puncto Anwendbarkeit sehr stark voneinander. Je mehr Arbeitsschritte für eine einzelne Messung notwendig sind, desto höher ist in der praktischen Anwendung die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fehler unterlaufen kann und damit das Messergebnis nicht korrekt ist. Dies trifft bei den von uns getesteten Geräten vor allem auf den chemisch-analytischen Test "SmartStrips" zu.
Dann ist es so, dass für die Messung nicht unbedingt viele Arbeitsschritte nötig sein müssen, dafür aber eine gewisse Fingerfertigkeit bzw. Geschick und Vorsicht gefragt ist, weil das Material zerbrechlich (z. B. Kolostrumspindel) oder feingliedrig (Optisches Refraktometer) ist.
Entscheidend dafür, dass jedes anfallende Kolostrum getestet wird, ist auch der nötige Zeitaufwand, der für die Messung an sich sowie die dazu gehörende anschließende Reinigung der Test-Utensilien anfällt. Nehmen diese Dinge viel Zeit in Anspruch oder können nicht in einem Arbeitsgang vollzogen werden, sind sie für den Einsatz im Betriebsalltag im Stall weniger attraktiv.
Um einen Eindruck von der Anwendbarkeit der einzelnen Tests zu bekommen, finden Sie im Folgenden die entsprechenden Anleitungen aufgeführt. Diese wurden von uns im Anschluss, an die nach den gelieferten Bedienungsanleitungen vollzogenen Messungen sowie Kalibrierungen, formuliert.
Anleitung Digitales Refraktometer mit Video
Vor dem ersten Gebrauch muss das digitale Refraktometer kalibriert werden, danach regelmäßig. Das Kalibrieren ist unkompliziert. Das Gerät wird eingeschaltet. Wenn die digitale Anzeige über „bri“ schaltet und sich auf Nullstand nicht mehr verändert (wie bei Fieberthermometer), wird ein Tropfen der Kalibrierungslösung auf die Linse aufgetragen, sodass diese vollständig benetzt ist. Dann wird die „Zero“-Taste am Gerät gedrückt. Der Wert 0,0 wird angezeigt, das Gerät ist kalibriert.
Den IgG-Gehalt mit dem digitalen Refraktometer messen:
- Das digitale Refraktometer anstellen und warten, bis die Anzeige bereit ist zur Messung (- - - -); darunter wird die Umgebungstemperatur angezeigt. Diese sollte zur Messung um die 20°C betragen, ebenso wie das zu testende Kolostrum.
- Mittels einer Pipette einen Tropfen des Kolostrums auf die Linse auftragen, sodass diese vollständig benetzt ist. Das Kolostrum muss vor der Entnahme gut durchmischt sein, damit die Probe aussagekräftig ist.
- Die Messung starten, indem die Taste „Read“ gedrückt wird. Bei einer hohen Helligkeit die Linse während der Messung mit der Hand beschatten. Denn bei hohem Lichteinfall kann das Gerät nicht richtig messen (Störungsmeldung).
- Innerhalb von Sekunden kann das Ergebnis abgelesen werden (in % Brix; gute Qualität: ≥ 22 %).
- Das Gerät ausschalten und die Glaslinse mit einem angefeuchteten weichen Tuch reinigen. Die Linse vor Staub schützen (Kratzer und eine schlechte Hygiene erlauben keine korrekte Messung).
Anleitung Optisches Refraktometer mit Video
Auch ein optisches Refraktometer muss gelegentlich kalibriert werden (siehe *), neue Geräte sollten aber passend voreingestellt sein. Dies ist einfach zu erkennen, indem man, wie bei der Messung gegen das Licht gewandt durch das Objektiv schaut. Ist das gerät richtig eingestellt, dann trennen sich das weiße (unten) und blaue Feld in einer scharfen Linie auf der Höhe des Messpunktes 0 % Brix. Die Sichtschärfe lässt sich wie bei einem Fernglas an der Schraube unterhalb der Augenmuschel einstellen.
IgG-Gehalt in Brix von Kolostrum messen:
- Das Refraktometer aus der Schutzhülle nehmen und auf eine gerade Ablagefläche legen.
- Mit einer Pipette etwas von dem zu untersuchenden, gut durchmischten und 20 °C-warmen Kolostrum aufnehmen.
- Den Kunststoffdeckel über dem schrägen Prisma-Feld aufklappen und einen Tropfen des Kolostrums mittig auf das Glas geben. Zügig darauf die Abdeckplatte langsam von hinten über das Scharnier nach vorne zuklappen, sodass der Tropfen nicht „zerklatscht“, sondern sich gleichmäßig und ohne Lufteinschluss zwischen Deckel und Linse verteilt.
- Gegen das Licht gewandt mit einem Auge durch das Okular (das Ende mit der Augenmuschel) des Refraktometers schauen. Den Messwert liest man an der Trennlinie zwischen der weißen und der blauen Fläche ab.
- Nach der Messung das Kolostrum mit einem weichen, feuchten Tuch von der Abdeckplatte und dem Prisma-Feld wischen. Um es streifenfrei zu halten, anschließend mit einem Alkoholtuch drüber putzen.
Anleitung einfache Kolostrum-Spindel mit Video
Den IgG-Gehalt messen mit der einfachen Kolostrum-Spindel:
- Die Glasspindel aus der Schutzhülle nehmen und auf eine weiche Unterlage auf gerader Fläche ablegen.
- Mindestens 200 ml von dem gut durchmischten Kolostrum in den Kunststoffmesszylinder füllen. Um vergleichbare Ergebnisse zu bekommen, sollte es 20 °C warm sein. Bei schlechter Qualität sinkt die Spindel weit ein – bei einem zu geringen Füllstand würde sie dann auf dem Boden anstoßen.
- Die Spindel vorsichtig mit einer Hand mit dem Senkstück voran in das Kolostrum absenken und loslassen. Nicht mit Schwung hineinfallen lassen, dann kann man das Ergebnis nicht mehr sauber ablesen und die Spindel kann auf dem Boden des Gefäßes aufschlagen.
- Das Ergebnis an der Farbskala ablesen. Ziel ist eine Qualität im grünen Bereich, diese entspricht einem IgG-Wert von ≥ 50 g IgG/l.
- Die Spindel nach der Messung gründlich mit lauwarmem Wasser und Spülmittel abwaschen, abtrocknen und in die Schutzhülle verpacken.
Anleitung Kolostrometer mit Video
Den IgG-Gehalt messen mit der Spindel in der großen Glaspipette:
- Das zu untersuchende, gut durchmischte und 20 °C-warme Kolostrum in einem Litermaß bereitstellen.
- Das Kolostrometer aus der Schutzhülle auspacken und auf eine weiche Unterlage auf gerader Fläche ablegen.
- Das Kolostrometer in die Hand nehmen. Mit einer Hand den Saugball am oberen Ende zusammendrücken, mit der anderen Hand das kurze Schlauchstück des Ansaugstutzens in das Kolostrum eintauchen. Den Saugball langsam loslassen, sodass über das Vakuum Kolostrum in den Messzylinder gesaugt wird. Lässt man zu schnell los, blubbert die Milch in den Zylinder, sodass die Spindel vollgespritzt wird und ein Ergebnis nicht sauber abgelesen werden kann.
- Zum Ablesen des Ergebnisses aufpassen, dass der Saugstutzen im Kolostrum eingetaucht bleibt, sonst bricht die Milchsäule ein. Das Ergebnis an der Farbskala ablesen. Ziel ist eine Qualität im grünen Bereich, diese entspricht einem IgG-Wert von ≥ 50 g IgG/l.
- Nach der Messung müssen für die Reinigung Saugball und Ansaugstutzen von dem Glaszylinder abgebaut und die gläserne Spindel vorsichtig herausgenommen werden. Alles muss mit warmem Wasser und Spülmittel abgewaschen werden und danach, vor dem Zusammenbauen, komplett abtrocknen.
Anleitung ColostroCheck mit Video
Den IgG-Gehalt von Kolostrum mit dem Durchlauftrichter („ColostroCheck“) messen:
- Das zu untersuchende, gut durchmischte und 30 °C-warme Kolostrum in einem Litermaß oder der Milchkanne bereitstellen.
- Eine Stoppuhr bereit zur Messung in greifbare Nähe legen.
- Den Becher am Stiel in eine Hand nehmen und den Durchlauftrichter in das Kolostrum untertauchen.
- Zum Start der Messung gleichzeitig die Stoppuhr starten und den Trichter aus dem Kolostrum herausheben.
- Die Zeit stoppen, wenn das Kolostrum vollständig aus dem Trichter heraus gelaufen ist. Es gilt das ab einer Durchflussdauer von 24 Sekunden eine gute Kolostrumqualität von 50 g IgG/l vorliegt.
- Den Kunststofftrichter nach der Messung gut mit warmem Wasser und Spülmittel abwaschen und abtrocknen.
Anleitung SmartStrips Colostrum IgG mit Video
Den IgG-Gehalt von Kolostrum mit dem chemisch-analytischen On-Farm-Test messen:
- Das zu untersuchende, gut durchmischte und 20 °C-warme Kolostrum in einem Litermaß bereitstellen.
- 5 ml des Kolostrums in den Kunststoffmesszylinder geben, dann mit lauwarmem Leitungswasser auf 50 ml auffüllen (Verdünnung 1:10). Schraubverschluss aufschrauben und gut schütteln.
- Mit der Mikro-Kapillarpipette 10 μl der Lösung aufnehmen. Nicht an dem Stopfen ziehen, sondern einfach in die Lösung halten.
- Die Lösung aus der Mikro-Kapillarpipette in einen der Plastikschraubglas mit der Testlösung geben, indem der Stopfen der Mikro-Kapillarpipette eingedrückt wird.
- Das Kunstschraubglas verschließen und die Lösungen durch schütteln vermischen.
- Den Teststreifen aus der Aluverpackung auspacken und direkt mit dem schlanken Ende in die Lösung im Kunststoffschraubglas stellen.
- 10 Minuten warten.
- Nach 10 Minuten mit dem Smartphone über die SmartStrips-App den Teststreifen samt QR-Code- und Ergebnisfeld abfotografieren.
- Das Ergebnis wird in mg IgG/ml auf dem Smartphonebildschirm angezeigt.
- Nach der Messung ist der Kunststoffmesszylinder mit warmem Wasser und Spülmittel zu reinigen und abzutrocknen. Alle anderen Utensilien des Tests sind Einwegmaterial und müssen über den Restmüll entsorgt werden.
* Optisches Refraktometer kalibrieren
Um die Messgenauigkeit eines optischen Refraktometers zu gewährleisten sollte das Gerät gelegentlich neu eingestellt (kalibriert) werden. Bei der Kalibrierung (Nulljustierung) sollte die Kalibrierungslösung (oder destilliertes Wasser) sowie die Umgebung die gleiche Temperatur aufweisen, wie die spätere Probenlösung; also 20°C.
- Die Kunststoffkappe unterhalb des Endstücks mit der Augenmuschel abnehmen.
- Die Abdeckplatte über dem Prisma-Feld öffnen. Ein Tropfen der Kalibrierungslösung auf das Prisma geben. Die Abdeckplatte vorsichtig schließen, sodass sich die Lösung gleichmäßig und ohne Lufteinschluss zwischen den beiden Oberflächen verteilt.
- Die Flüssigkeit auf dem Prisma für ungefähr 30 Sekunden lassen. Gegen das Licht durch das Okular schauen und dann in ggf. mehreren Schritten mit dem kleinen Schraubenzieher mit der Kalibrierschraube die Trennlinie zwischen dem weißen und blauen Feld auf die Nulllinie bei % Brix einstellen.
- Die Kalibrierschraube wieder mit der Kunstkappe abdecken und die Lösung mit einem weichen Baumwolltuch von Prisma und Abdeckplatte abwischen.