Wenn Sie sich im Hochsommer zur Mittagszeit in ein geschlossenes Auto setzen, schalten Sie wahrscheinlich als Erstes die Klimaanlage ein. Wenn nicht, kommen Sie ordentlich ins Schwitzen. So ähnlich geht es wahrscheinlich Kühen im Sommer, nur dass ihnen bereits ab 20°C unwohl wird. Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen gehen davon aus, dass der optimale Temperaturbereich für eine Kuh mit 25L Milchleistung etwa zwischen 0 bis 12°C liegt, bei einer hochleistenden Kuh (50L) sogar nur bei -10 bis 2°C.
Der anhaltende Klimatrend verschlimmert die Hitzestress-Situation im Kuhstall. Kürzlich veröffentlichte Ergebnisse einer Untersuchung der Klimadaten in einem freigelüfteten Kuhstall für 380 Kühe im Nordosten Deutschlands ergab, dass die Temperaturen in den letzten 15 Jahren immer stärker vom Mittelwert (12°C) abwichen. Daher haben viele Milchkuhhalter in den letzten Jahren bereits in Ventilatoren investiert.
Jedoch zeigte die Untersuchung auch, dass die Belüftung trotz Ventilatoren in freigelüfteten Ställen chaotisch abläuft und sehr komplex ist. Ein Standardrezept für gute Stallbelüftung gibt es nicht! Denn auch bei Außenwind können eine ungünstige Lage, angrenzende Bauten oder Bepflanzungen den Wind daran hindern, vollständig in den Stall zu gelangen. Innerhalb des Stalls können Säulen, Trennwände, Melkeinheiten oder auch Windbrechnetze dazu führen, dass nicht genügend Luft bei den Kühen ankommt.
Wann muss mehr Luft hinein?
Ob ein Lüftungsproblem besteht, können Sie an den Kühen ablesen. Beobachten Sie nach/während einer Hitzeperiode einen Rückgang der Milchleistung mit gleichzeitigem Rückgang der Inhaltsstoffe (besonders beim Fettgehalt!)? Treten in den Wochen danach vermehrt erhöhte Zellzahlen und Euterentzündungen auf? Dann ist das ein Hinweis auf mangelnde Belüftung und Kühlung des Stalls. Ursache dafür ist, dass Kühe bereits ab 20°C niedrigere TM-Aufnahmen und Wiederkauzeiten zeigen. Dadurch produzieren sie weniger Speichel, was wiederrum den pH-Wert im Pansen absinken lässt und die Gefahr einer Pansenazidose erhöht, welche wiederrum zu verringerten Milchleistungen und Euterentzündungen führen kann.
Beobachten Sie außerdem, wo im Stall die Kühe sich an warmen Tagen aufhalten. In Ställen ohne Lüftungssystemen fressen die Kühe an warmen Tagen vermehrt an den äußeren Bereichen des Futtertisches, da dort höhere Luftbewegungen sind. Gleichzeitig sammeln die Kühe sich in den Stallbereichen mit mehr Luftbewegung und Schatten, z.B. im Bereich der Tränken. Als Folge stehen die Kühe dann länger. Das kann in den Folgemonaten häufig zu einem vermehrten Auftreten von Klauenproblemen führen. Besonders im September und Oktober treten dann Belastungsrehe oder Sohlengeschwüre auf.
Erst messen, dann handeln!
Die beste messbare Zahl für die Stallbelüftung ist die Luftgeschwindigkeit. Sie sollte bei über zwei Meter pro Sekunde liegen. Messen Sie die Luftgeschwindigkeit an möglichst vielen Punkten im Stall, am besten alle acht Meter in dem jeweiligen Stallbereich. Geeignete Messgeräte findet man z.B. im Segelsport (ab 13 €). Eine gute Alternative ist auch ein Feuerzeug mit Feuerstein. In gut belüfteten Ställen bekommt man dieses nicht gezündet! Liegt die Luftgeschwindigkeit in einem Stallbereich bei unter 2m/sek, können die Kühe hier von einem zusätzlichen Ventilator profitieren!
In gut belüfteten Ställen bekommt man ein Feuerzeug mit Feuerstein nicht gezündet.“
Sönke Hinnemann, Berater für Herdenmanagement
Zusätzliche Belüftung einbauen
Ziel der Belüftung ist es also ein hoher Luftaustausch im Stall, um überschüssige Wärme von den Tieren abzutransportieren. Dann bleibt die Futteraufnahme langfristig stabil. Die meisten Hindernisse im Stall wie z.B. Trennwände, Futtersilos oder die Kühe selbst sind kaum oder nicht beeinflussbar. Umso wichtiger ist es also, über zusätzliche Ventilatoren Luft in den Stall hineinzulassen. Dafür sollte die Belüftung möglichst gleichmäßig sein, damit die Kühe sich gut über den ganzen Stall verteilen und sich nicht einzelnen Bereichen stauen. Wie viele Ventilatoren eingebaut werden müssen, hängt dabei stark vom Lüftungssystem ab:
Axiallüfter haben pro 10 cm Durchmesser eine Wurfweite von einem Meter, d.h. bis 1,4 m Durchmesser 14 Meter Wurfweite
Bei Horizontallüftern hängt die Wurfweite ebenfalls vom Durchmesser ab. Für optimale Belüftung einzelne Ventilatoren so dicht aneinander wir möglich montieren.
Überdrucklüftungen per Lüftungsschlauch müssen individuell an den Stall angepasst werden.
Die Ventilatoren sollten Sie spätestens ab 20 °C einschalten, da Kühe dann bereits beginnen, weniger zu fressen. Mehr Betriebssicherheit als das eigene Gefühl bringen dabei automatische Ein- und Ausschaltsysteme, die über ein Thermostat gesteuert werden. Setzen Sie außerdem auf die Erfahrung von externen Beratern.
Zudem hilft es, eventuelle Hindernisse für den Wind im und außerhalb des Stalls aus dem Weg zu räumen. Prüfen Sie dafür die Hauptwindrichtung in den Stall und was diesem Wind entgegensteht. Stallöffnungen wie Tore und Türen an den Giebelseiten sollten offen sein, um mehr Wind hineinzulassen. Curtains und Windnetze sollten geöffnet werden, sobald die Witterung es zulässt.
Denken Sie daran, dass der optimale Temperaturbereich von Kühen viel niedriger liegt als beim Menschen. Schließen Sie die Curtains an Tagen mit hoher und direkter Sonneneinstrahlung auf Liegeboxen und Futtertisch, denn Kühe meiden diese Bereiche. Werden die Curtains geschlossen, ist eine gute Belüftung durch Ventilatoren Voraussetzung!
Curtains sollten im Sommer geöffnet sein, es sei denn, die Sonne strahlt direkt auf Liegeboxen oder den Futtertisch.
(Bildquelle: Veauthier)
Gezielt belüften
Nicht nur die Anzahl, auch der Anbringungsort der Ventilatoren entscheidet über den Lüftungseffekt. Insbesondere an warmen Tagen suchen Kühe die gekühlten Bereiche im Stall häufiger auf. Befinden sich die Ventilatoren über dem Futtertisch, bleibt die Futteraufnahme zwar konstant. Jedoch verringern sich die Liegezeiten, was zu einer schlechteren Persistenz führt. Werden anders herum nur die Liegeboxen mit Ventilatoren belüftet, kann es zu schlechterer Eutergesundheit und höheren Zellgehalten führen, denn die Kühe liegen mehr in den Boxen auf ihren Eutern und verbringen weniger Zeit am Futtertisch mit der TM-Aufnahme.
Ein Benchmark-Betriebsvergleich von 101 Betrieben der Masterrind zeigte, dass sich eine Kombination aus Futtertisch- und Liegeboxen-Ventilation an warmen Tagen besonders auszahlt (Übersicht). So zeigten die Herden in diesen Ställen geringere Zellgehalte, höhere Milchleistungen über die gesamte Laktation sowie eine bessere Persistenz. Im Schnitt lag der Melkdurchschnitt im Beobachtungszeitraum um 2,4 bzw. 3,1 Liter höher als bei Kühen in ungelüfteten Ställen.
Benchmark-Vergleich verschiedener Ventilationen
Neben Liegeboxenbereich und dem Futtertisch gilt es zudem, weitere Bereiche mit hoher Tierdichte zu belüften. Dazu zählen Melkstand und Vorwarthof. Auch die Ställe für trockenstehende Kühe und Färsen müssen gut belüftet werden. Hier gelten dieselben Empfehlungen wie im Kuhstall (Luftgeschwindigkeiten > 2m/Sek). Diese Tiere werden einen weniger guten Laktationseinstieg hinlegen, wenn ihnen vor der Kalbung warme Temperaturen zugesetzt haben.
Nicht vergessen: Auch Trockensteher und Färsen brauchen eine optimale Belüftung, um gut in die Laktation zu starten.
(Bildquelle: Hünnies)
Achten Sie an warmen Tagen zudem darauf, dass die Rationen sich weder im Silo noch auf dem Futtertisch nacherwärmen und entfernen Sie erwärmte Rationen. Denn selbst das beste Ventilationssystem kann fehlerhafte Futterrationen nicht kompensieren!
Weitere wichtige Tipps für Sommer und Hitzeperioden:
Wenn mit dem Sommer die hohen Temperaturen zurückkommen, können sich Kälberiglus stark aufheizen. Tipps, wie Sie erkennen, ob Ihr Kalb unter der Hitze leidet und was zu tun ist.