Oft wird bei Neubauten zunächst versucht, ohne zusätzliche Technik zur Klimatisierung auszukommen – die natürliche Belüftung reicht aber unter den vorherrschenden klimatischen Bedingungen nicht. Verschiedene Produktionsberater haben beobachtet: Während Betriebe mit ausschließlich natürlicher Belüftung durch Hitzestress bis zu 4kg Milchleistung verloren haben (Beobachtung Sommer 2019), konnten Kühe in (nachträglich) gut klimatisierten Ställen ihre Leistung halten. Entsprechend boomt die Nachfrage nach Klimatisierungstechnik.
Zuerst werden die Liegebereiche ausgestattet, hier sind die Effekte entsprechend der höchsten Aufenthaltsdauer auch am höchsten.
Doch auch für Vorwartehof und Melkstand bzw. Melkroboter ist der Bedarf nach Klimatisierung hoch. Denn diese Bereiche bergen per se ein erhöhtes Aufkommen von Stress. Um so viel Stress wie möglich herauszunehmen, gilt es heute als Standard, neben trittsicheren Böden, Platz und gleichmäßiger Beleuchtung auch eine Klimatisierung im gesamten Aufenthaltsbereich Melken zu haben.
Neben dem Effekt der Abkühlung sorgen eine intensive Belüftung über Ventilatoren und Schlauchbelüftungen, aber auch Vernebelungsanlagen dafür, dass lästige Fliegen vertrieben werden.
Kosten: Die Kosten für eine entsprechende Klimatisierung variieren je nach System, Hersteller und Ausgangssituation. Ein Vergleich verschiedener Angebote für die Situation im eigenen Betrieb lohnt sich in jedem Fall! Neben den Anschaffungskosten sind besonders die laufenden Kosten (Stromverbrauch und Wartungsaufwand) nicht zu unterschätzen.
Wir haben uns in der Praxis umgehört und Tipps und Empfehlungen für Klimatisierungstechnik in Wartebereichen, Melkständen und automatischen Melksystemen für Sie zusammengestellt.
Worauf kommt es bei der Kühlung von Melk- und Wartebereich an?
- Luftgeschwindigkeit: Luftgeschwindigkeiten von mindestens 1 Meter pro Sekunde (m/s) im Tierbereich helfen bereits, Hitzestress zu mildern. Als Zielwert im Stall gilt eine Luftgeschwindigkeit von mindestens 2m/s.
- Vorwartebereich: Im konventionellen Vorwartehof stehen die Kühe sehr dicht zusammen. Durch Atemluft und Schweiß steigt die Luftfeuchtigkeit. Dadurch, dass die Kühe hier sehr dicht zusammen stehen, wird die Luftzirkulation um ihre Körper und der damit einhergehende kühlende Effekt ausgebremst. Ohne eine zusätzliche Klimatisierungstechnik entsteht hier schnell Hitzestress – auch unter vermeintlich „kühlen“ Umgebungstemperaturen von 15°C (Orientierung am THI). Im Wartebereich zum Melken sollten – bei ausschließlichem Einsatz von Ventilatoren – Luftgeschwindigkeiten von mindestens 2m/s, besser 3m/s mehr, erreicht werden.
- Melkplatz/Melkroboter: Im Melkstand bzw. an der Melkbox (AMS) genügt es, 1,6m/s am Tier zu erreichen. Im Vergleich zum Wartebereich ist die Aufenthaltsdauer hier deutlich geringer.
- Tierbereich: Die Ziel-Luftgeschwindigkeit gilt immer im Tierbereich. Also für den Kühleffekt an Rücken- und Bauchhöhe. An der stehenden Kuh bedeutet das, dass im Raum der Höhe 50 – 70cm bis zu 150cm eine Luftgeschwindigkeit von mindestens 1m/s, besser mehr erreicht wird. Neben der Leistung der Lüftungstechnik ist auch der Neigungswinkel des Luftstroms entscheidend, damit dieser mindestens bis zur Bauchseite der Kuh herunterreicht.
- Gleichmäßigkeit: Um unerwünschtes Gedränge um die kühlsten Plätze zu verhindern, müssen Luftgeschwindigkeit und Luftqualität im gesamten Aufenthaltsbereich der Kühe gleichmäßig gut sein. Dafür ist neben möglichst großen Zu- und Abluftflächen (z.B. offene Seitenwände) eine ausreichende Stückzahl an Ventilatoren bzw. Schlauchgröße notwendig.
Ventilatoren: Mit Luftbewegung ist schon viel gewonnen
Grundsätzlich gilt, dass die durch Ventilatoren ausgelöste, Luftbewegung bei genügend Zu- und Abluftfläche den Kühen schon viel Entlastung bringt.
- Werden 2m/s an der Kuh erreicht, dann kann die Lufttemperatur von z. B. 27°C auf gefühlte 20°C abgesenkt werden.
- Luftgeschwindigkeiten von bis zu 5m/s vertragen die Kühe, die genannten Zielwerte zu erreichen ist aber ausreichend!
- Eine gute Ventilatoren-Ausstattung des Wartebereichs kann auch für einen gewissen Luftzug um Melkstand sorgen.
Um die nötige Luftgeschwindigkeit im Tierbereich zu erreichen, müssen Vertikal-Ventilatoren in einem Neigungswinkel von 15 bis 25° nach vorne geneigt aufgehängt bzw. fixiert (Ketten, Gewindestangen) werden.
Der bereichsindividuelle Neigungswinkel sollte idealerweise vor Ort unter Zuhilfenahme einer Rauchkanone ermittelt werden. Bei Horizontal-Ventilatoren entfällt die Wirkung, sobald sich die Kühe aus dem Bereich herausbewegen.
Zu beachten ist die nötige Höhe zur Aufhängung: Erst ab einer Höhe von 2,7m darf auf ein Schutzgitter verzichtet werden. Ebenfalls ist die Lautstärkeentwicklung der verschiedenen Geräte zu berücksichtigen.
Tubes: Die Luft muss rein, aber auch raus!
Bei Schlauchbelüftungen gilt für einen Kühlungseffekt im Warteraum ein Zielwert von 2,5 bis 3,0m/s Luftgeschwindigkeit. Im Melkstand bzw. am Melkplatz selbst von 1,6m/s. Im Melkstand trifft der Luftstrom aus den Tubes die Kühe auf Rückenhöhe zwischen den Schultern. Eine zusätzliche Reihe an Löchern für die Kühlung der Melker ist denkbar.
Gerade bei Belüftungsschläuchen ist es sehr wichtig, dass sowohl Wartehof als auch Melkstand gleichmäßig mit einem Schlauch belüftet werden. Denn anders als bei Ventilatoren wird hier Luft gezielt, „punktuell“ auf die Kühe gepustet.
Die Frischluftzufuhr wird bei den Schlauchbelüftungen punktuell von der Außenseite des Stalls/Melkstand gezogen. Hierzu ist keine weit offene Zuluftfläche wie für Ventilatoren nötig. Mauervorsprünge, Einhausungen vom Rücktrieb und Ähnliches können die Abluftbewegung und damit das Klima im Melkstand und Wartebereich erheblich stören.
Anderseits reagieren Schlauchbelüftungen empfindlich auf anstehenden Winddruck von außen. Die punktuell berechnete Luftströmung wird durch Seitenwind gestört, erzielt dann nicht mehr die gewünschte Wirkung.
In relativ geschlossenen bzw. windgeschützten Bereichen (Melkstand) können die Tubes jedoch sehr gute Lüftungsergebnisse erzielen. Hier ist eine professionelle Beratung und eine raumindividuelle Berechnung unverzichtbar!
Achtung Hygiene – die Tubes nehmen viel Raum ein und können die Melkstand-Reinigung unter Umständen stören.
Gebäude: Wände und Decken öffnen?
Ohne ausreichende Öffnungen zur Außenluft, wird es schwer, den angestrebten Luftaustausch zu erreichen – egal ob mit Ventilatoren oder einer Schlauchbelüftung! Entsprechend hohe Seitenwände und Decken sowie Tore, die sich im Sommer öffnen lassen, lassen sich in neuen Melkständen gut einplanen.
In alten Melkständen (typisch Bauzeitraum 1980er – gemauerte Seitenwände, niedrige Decke) lassen sich entsprechende Belüftungsflächen nicht ohne größere Baumaßnahmen schaffen. Die Möglichkeiten sind eingeschränkt, die Bedingungen sehr betriebsindividuell. Nicht jede Wand kann abgerissen werden.
Dennoch gibt es immer eine Möglichkeit! Sei es, dass ein alter Kraftfutterboden entfernt wird oder eine Front-, Seiten- oder Rückwand zumindest in Teilen entfernt oder umgebaut werden kann. Mehrere kleine Ventilatoren können auch bei niedrigen Deckenhöhen so ausgerichtet installiert werden, dass sie je nach geöffneter Fläche frische Luft durch den Melkstand ziehen.
Viel offene Belüftungsfläche im Sommerhalbjahr bedeutet gleichzeitig auch viel Aufwand, um den Melkstand im Winter sicher frostfrei zu halten! Curtains mit dichten Seitenabschlüssen (Kantenblech, Gummilippe), Hubfenster oder Doppelstegplatten für eine auf und zu-klappbare Decke sind praktikable Möglichkeiten.
Kuhduschen: Vorsicht bei hoher Luftfeuchtigkeit!
Sollte eine weitere Abkühlung zusätzlich zu vorhandenen Ventilatoren nötig sein, kann mit einer Verdunstungskühlung gearbeitet werden. Im Melkstand und Wartebereich ist die Luftfeuchtigkeit tendenziell aber erhöht.
Es gilt: Ab 70% Luftfeuchtigkeit ist eine zusätzliche Abkühlung durch die Vernebelung und anschließende Verdunstung von Wasser nur sehr gering oder kann ins Gegenteil kippen (die Wärmeabgabe der Kühe ist bei hoher Luftfeuchtigkeit erschwert)! Eine automatische Steuerung (am besten THI-gesteuert) sollte daher ab einer Luftfeuchtigkeit von 70% die Wasservernebelung abstellen. Verdunstungskühlungen sind hauptsächlich für sehr gut gelüftete Ställe bzw. Melkstände und Wartebereiche zu empfehlen!
Aufgrund der in der Regel höheren Luftfeuchtigkeit im Melkbereich wird dort zu Anlagen mit größeren Tröpfchen (Niederdruck, Kuhduschen) geraten, die Rücken und ggf. Bauchseite der Kühe befeuchten.
Die Platzierung der Düsen zur Wasservernebelung sowie deren Abstände zueinander müssen auf die einzelbetrieblichen Raumbedingungen angepasst werden. Der Abkühlungseffekt kann durch den zusätzlichen Einsatz von Ventilatoren erhöht werden. Eine Allround-Lösung sind kombinierte Geräte (Kuhdusche plus Ventilator). Eine Vorortberatung ist wichtig!
Hochdrucksysteme geraten bei höheren Luftfeuchtigkeiten sehr schnell an ihre Grenzen des Nutzens, von ihnen kann entsprechend eher im Melkstand und Wartebereich abgeraten werden! Der sehr feine Wassernebel erhöht ohne ausreichende Belüftung die Luftfeuchtigkeit und damit den THI und forciert damit Hitzestress.
Entscheidend ist bei Vernebelungsanlagen, egal ob Niederdruck (Kuhduschen) oder Hochdruck, die Anlagen im Intervallbetrieb einzusetzen. Achtung Eutergesundheit: Das Wasser sollte möglichst nicht am Euter oder in den Liegeboxen landen. Mit Blick auf Eutergesundheit ist Wasser als Kühlungseffekt ein sensibles Thema.
Staubschichten reduzieren die Leistung von Ventilatoren um bis zu 30 %. Es lohnt sich also, die Geräte mindestens jährlich zum Saisonstart zu Entstauben.
AMS: Dauerbetrieb und wenig Raumvolumen
Kühe sollen das automatische Melksystem (AMS) gerne aufsuchen. Dafür muss auch das Klima und Schutz vor beißenden Fliegen in der Melkbox selbst und im Wartebereich stimmen. Hier gelten dieselben Zielwerte wie beim konventionellen Melken. Das Problem ist allerdings, dass in der Melkbox der Platz und damit die Zuluftfläche begrenzt sind. Tipps für Melkroboter:
- Ventilatoren: In der Melkbox hat es sich bewährt, einen oder zwei kleine Vertikal-Ventilatoren (50 bis 70cm Durchmesser) auf die Rücken- und Bauchlinie hin zur Stallseite ausgerichtet zu installieren. Idealerweise so, dass sie frische, kühle Luft auf die Kuh blasen oder über sie hinweg ziehen. Durch einen zusätzlichen, kleinen, tief installierten (Schutzkorb!) Vertikal-Ventilator kann ein Luftstrom an der Unterlinie Bauch/Euter erzeugt werden, der gegen Fliegen helfen kann. 1m/s Luftgeschwindigkeit zu erreichen, ist in der Melkbox selbst schon erstrebenswert. Ein Horizontal-Ventilator (Decken-Ventilator) kann in der AMS-Box ebenfalls gut funktionieren, denn hier ist der Standbereich der Kuh und damit der Wirkungsbereich des Ventilators klar definiert. Achtung: Aus Sicherheitsgründen muss die Unterkante der jeweiligen Geräte mindestens auf 2,7m Höhe enden.
- Wasser: Von Wasserverdunstung-Systemen wird in der Melkbox aus den genannten Gründen (zu wenig Luftaustausch, Hygiene) klar abgeraten. Im Vorwartebereich hingegen gelten dieselben Regeln wie beim konventionellen Melken. Ventilatoren oder kombinierte Geräte (Kuhdusche plus Ventilator) sind hier eine empfehlenswerte Lösung.
- Gleichmäßigkeit: Wichtig für das freie Laufverhalten ist, dass im AMS-Stall überall ein gleichmäßig angenehmes Klima herrscht. Denn wenn es durch installierte Klimatisierungstechnik im Wartebereich und der Melkbox angenehmer als im Rest des Stalles ist, gibt es ein Problem: Das Gros der Kühe wird sich in diesen Bereichen aufhalten wollen und damit den Zugang zum Melken blockieren! Sollte dies der Fall nach einer Neuinstallation von Kühltechnik sein, muss unbedingt das Klima in den anderen Stallbereichen gleichermaßen optimiert werden!
Quellen: Johannes Zahner (LfL Bayern), Sabine Pittgens (LWK NRW), Jouni Pitkäranta, Virpi Kurkela, David Kammel (4dBarn), Johannes Jost (DeLaval), Franz Guggenmos (Kuhdusche)
Viele Milcherzeuger haben mittlerweile eine Lüftung im Stall eingebaut. Doch wie prüft man, ob auch tatsächlich genügend kühlende Luft bei den Kühen ankommt?