Als Mindesttransportalter für Kälber gilt ab dem 01.01.2023 ein Alter von mindestens 28 Tagen. Das bedeutet, dass Kälber in Deutschland künftig erst ab dem 28. Lebenstag überbetrieblich transportiert werden dürfen, anstatt wie bislang üblich ab dem 14. Lebenstag. Die Hintergründe und Details zum Beschluss finden Sie hier:
Kälbertransport künftig erst ab 28 Tagen
Ab Januar 2023 dürfen Kälber innerstaatlich erst transportiert werden, wenn sie 28 Tage oder älter sind. Milcherzeuger sollten sich schon jetzt darauf vorbereiten.
Konsequenzen für Milchkuhhalter, Händler und Mäster
Die neue Kälbertransport-Verordnung wird große Konsequenzen für Milchkuhhalter, Händler und Mäster mit sich bringen. Vor allem Milcherzeuger müssen ihre Haltungs- und Versorgungskapazitäten bei Tränkekälbern verdoppeln, ggf. die bestehenden Boxenmaße anpassen und mehr Arbeitszeit kalkulieren. Damit tragen sie auch die finanzielle Hauptlast.
Umso wichtiger wird es, kostendeckende Kälberpreise zu generieren. Gleichzeitig müssen auch Händler und (Kälber)Mäster höhere Kosten für den Einkauf, den Transport und die Unterbringung der vier Wochen alten Kälber kalkulieren und sind damit noch stärker auf den Kauf qualitativ hochwertiger Kälber angewiesen.
Paul Berghuis, Kälberhändler aus Ibbenbüren (NRW), hat sich bereits intensiv mit möglichen Konsequenzen beschäftigt. Seine Erwartungen an künftige Preise, Qualitätsunterschiede und die Kommunikation zwischen Milcherzeuger, Händler und Mäster:
Milchkuhhalter legen den Grundstein für eine erfolgreiche Mast
Bisher lag ein wesentlicher Teil der Aufzucht beim Kälbermäster, jetzt werden zwei wichtige Wochen der Aufzucht auf den Milchkuhbetrieb verlagert. Um zufriedenstellende Erlöse für Bullenkälber zu erzielen, wird sich der Milchkuhhalter zukünftig intensiver mit der Aufzucht der Bullenkälber befassen müssen. Denn: Nur gut entwickelte, gesunde Kälber können kostendeckende Erlöse erzielen.
Bei vier Wochen alten Kälber werden Qualitätsunterschiede deutlich sichtbarer als nach zwei Wochen. „Heute handeln wir mit HF-Kälbern zwischen 40 und 60 kg Lebendgewicht. Zukünftig wird die Spanne von 50 bis 80 kg reichen“, meint Paul Berghuis. Das kann aus Sicht der Händler positiv sein, da sich Qualitätsunterschiede schneller erkennen lassen, gleichzeitig wird es dadurch aber auch schwieriger, gute und vor allem einheitliche Kälber einzukaufen und homogene Gruppen zusammenzustellen.
Es gilt, die Kälberaufzucht an den Bedarf der Bullen- und Kälbermast anzupassen.
Paul Berghuis
Hinzu kommt, dass die vier Wochen alten Kälber im Milchkuhbetrieb über mehr Kenntnisse (beispielsweise Nuckel) verfügen und ggf. schon behandelt oder geimpft wurden. Auch das macht die Unterschiede größer und die Umstellung auf den Maststall schwieriger.
Größere Qualitätsunterschiede = größere Preisspanne
Die deutlicheren Qualitätsunterschiede werden sich vor allem in noch größeren Preisunterschieden widerspiegeln. „Nur für gute Tiere wird der Mäster in der Lage sein, auch entsprechend mehr Geld zu bezahlen“, sagt Berghuis. Gute Kälber seien jederzeit gesucht, leichte Kälber dagegen sind immer schwierig zu vermarkten. Und: Homogene Gruppen haben in der Regel einen höheren Wert als Einzeltiere.
Grob kalkulierte Zahlen von Berghuis zeigen, dass die Preisspannen bei Holsteinkälbern zwischen + 30 und – 50 Euro und bei Kreuzungs-Bullenkälbern zwischen + 250 und 0 bis + 20 Euro für Kreuzungs-Bullenkälber liegen können (im Alter von zwei Wochen). Bei doppelt so alten Kälbern könnten die Unterschiede noch einmal deutlich größer werden.
Die Preisspanne zwischen dem guten und dem schlechten Kalb wird deutlich größer werden.
Paul Berghuis
Tabelle 1: Schwarzbunte Holsteinkälber, September 2021, Berghuis:
Tabelle 2: Kreuzungs-Bullenkälber, September 2021, Berghuis:
Zukünftig noch mehr Fleischrasse-Besamungen?
Fleischrassen-Kreuzungskälber, speziell die Kreuzung aus Holstein und Weißblauen Belgiern, sind von Mästern gut nachgefragt und erzielen verhältnismäßig gute Erlöse gegenüber reinrassigen Holsteinkälbern – vor allem im Hinblick auf die verdoppelte Aufzuchtdauer im Milchkuhbetrieb. Beispiel: Nach einer Aufzucht von vier Wochen im Milchkuhbetrieb könne man mit 60 bis 70 kg Lebendgewicht beim Holsteinkalb und rund 80 kg beim Kreuzungskalb rechnen.
Aufgrund der besseren Erlösen könne man laut Berghuis davon ausgehen, dass der Einsatz von „Beef on Dairy“ weiterwächst. Da die Mastkreuzungen vor allem in der Bullenmast- und Rindermast gefragt sind, ergeben sich aber wiederum folgende Fragestellungen:
- Gibt es künftig noch genug „brauchbare“ HF-Kälber für die Kälbermast? – Ein Mangel an HF-Bullenkälbern könnte zum einen zu höheren Erlösen für die übrigbleibenden Kälber führen, die Kälbermäster könnten aber auch auf andere Importländer zurückgreifen.
- Können mehr ältere, homogene Mastkreuzungen möglicherweise eine Konkurrenz für Fleckviehkälber aus Süddeutschland werden? – Gut entwickelte Kreuzungskälber sind von Mästern gut nachgefragt und (bisher) in der Regel günstiger als reinrassige Fleckviehkälber. Allerdings sind sie oft nicht so homogen wie entsprechende Fleckvieh-Gruppen.
Aktuelle Vorschläge seitens der Politik könnten die niederländische Kälbermast in Zukunft massiv einschränken. Das würde auch deutsche Milcherzeuger betreffen.
Transparenz und Kommunikation sind gefragt
Einen Schlüsselfaktor, um gute Erlöse für die Milchkuhhalter und gute Kälberqualitäten für die Mäster sicherzustellen, sieht Paul Berghuis in einer engen Zusammenarbeit. Kälbermäster müssen Anforderungen an die Aufzucht im Milchkuhbetrieb stellen. Auch wenn die Milchkuhbetriebe extrem unterschiedlich aufgestellt sind, können Standards mindestens hinsichtlich der Fütterung helfen, die Kälber optimal auf die Mast vorzubereiten. Je länger die Aufzuchtdauer, desto wichtiger werden zudem Informationen zum Gesundheitszustand, Behandlungen etc.
Auch rückwirkend könnten Daten zu mehr Transparenz führen, beispielsweise Rückmeldungen der Mäster zu Mastergebnissen oder möglichen Verlusten. Mehr Transparenz oder auch konkrete Kooperationsprogramme zwischen Milcherzeugern und Kälbermästern könnten die Situation verbessern.
Folgendes Beispiel macht greifbar, wie groß der Bedarf für einen Austausch über Informationen und zu Bedürfnissen zwischen Milchkuhhalter und Kälbermäster bzw. Aufzüchter ist:
Im Hinblick auf eine optimale Kälberentwicklung in den ersten vier Wochen denken Milcherzeuger möglicherweise über eine ad-libitum-Tränke nach, im Sinne besserer Erlöse auch für die Bullenkälber zum Verkauf. Dazu erklärt Paul Berghuis aber, dass Händler und Mäster tendenziell sogar eher Probleme mit ad-libitum-getränkten Kälbern haben, da diese oft nur einen kleinen Teil ausmachen und es diese Kälber durch die Umstellung deutlich schwieriger haben und zum Teil zurückfallen.
Mehr offene Fragen aus Sicht der Milchkuhhalter, die es mit den Käufern zu klären gilt, um das Beste im Erlös sowie auch im Sinne des Kalbes herauszuholen:
- Kann die Erfassung von Geburtsgewichten eine Rolle für die Kälbervermarktung spielen?
- Welchen Stellenwert hat die Enthornung (Kosten und Arbeitszeit) bei der Kälbervermarktung?
- Werden geimpfte Tiere besser bezahlt bzw. welche Impfungen würden ggf. honoriert?
Insgesamt sieht Paul Berghuis der neuen Regelung sehr skeptisch entgegen. Ist die Alterserhöhung wirklich ein passendes Instrument, um die Kälberqualität zu verbessern? Das bisherige Knowhow in der Versorgung der Kälber in diesem Alter liegt bei Kälbermästern und Fresseraufzüchtern und muss zukünftig an die Milcherzeugern „transferiert“ werden. Und: In den Milchkuhbetrieben müssen deutliche Stallkapazitäten geschaffen werden, die es aber bereits in der Kälbermast schon gibt. Bleiben diese dann somit leer stehen? Viele Fragen und große Herausforderungen für alle Beteiligten.
Berghuis Kälberhandel
Das Unternehmen „Berghuis Kälberhandel“ mit Sitz in Ibbenbüren (NRW) handelt ca. 2.500 bis 3.000 Kälber pro Woche und bis zu 130.000 im Jahr. Die Kälber werden fast ausschließlich von lokalen Viehhändlern in nördlichen und östlichen Regionen Deutschlands eingekauft. Pro Woche werden wiederum rund 650 Kälber in die Bullenmast und über 2.000 Kälber in die Kälbermast (vorzugsweise in den Niederlanden) verkauft. Eine der Hauptaufgaben von Berghuis ist das Sortieren und Zusammenstellen der Einzeltiere zu großen, homogenen Partien für die weitere Mast. Für die gesamte Abwicklung sind 35 Mitarbeiter zuständig, denen sieben moderne Kälber-LKW und ein Sammel- und Sortierstall mit ca. 2000 Plätzen zur Verfügung stehen.
Quelle: Berghuis Kälberhandel (Stallgeflüster Online, Innovationsteam Milch Hessen)
Der Umgang mit Kälbern gerät zunehmend in die Kritik. Strategien wie zum Beispiel verlängerte Laktationen könnten die gesellschaftliche Akzeptanz verbessern.