Zwischenkalbezeit
In Zukunft mit weniger Kälbern?
Der Umgang mit Kälbern gerät zunehmend in die Kritik. Strategien wie zum Beispiel verlängerte Laktationen könnten die gesellschaftliche Akzeptanz verbessern.
KOMPAKT
- Viele Verbraucher lehnen eine frühe Trennung von Kuh und Kalb ab. Zur Absicherung ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz sollte die Milchbranche in diesem Punkt Lösungen entwickeln.
- Eine Möglichkeit, sich etwas aus dem Kälber-Dilemma zu befreien, wäre, die Anzahl an Abkalbungen zu reduzieren.
- Eine Ausdehnung der Laktation (weniger Geburten, weniger Kälber) ist grundsätzlich möglich. Voraussetzung dafür ist eine sehr hohe Milchleistung, gepaart mit einer flachen Laktationskurve.
Gefragt sind Marathonkühe, keine Sprinterkühe!
Wir müssen reden! Über Kälber bzw. über deren Aufzucht! Warum? Der Umgang mit den neugeborenen Kälbern bzw. deren „Anschlussverwertung“ könnte sich in den kommenden Jahren zu einem Tsunami auswachsen, der über die Milchbranche hinwegrollt! Das glauben Sie nicht? Beim Tierwohl kochen die Emotionen in der Öffentlichkeit oft richtig hoch. Für Kritik sorgen besonders …
- die frühe Trennung von Kuh und Kalb
- die Tiertransporte (Zuchtrinder)
Trennung von Kuh und Kalb nicht akzeptiert
Auch wenn für die frühe Trennung von Milchkuh und Kalb gute Gründe sprechen, stehen viele Verbraucher dieser Praxis äußerst kritisch gegenüber, denn die ersten gemeinsamen Tage sind bei den Menschen prägend für die Beziehung zwischen Mutter und Kind. Dieser Umgang mit dem eigenen Nachwuchs wird auch gerne auf die Tierwelt übertragen. Aus einer von der Universität Göttingen und der University of British Columbia durchgeführten Studie geht hervor, dass 83 % der Befragten eine frühe Trennung von Mutter und Kalb ablehnen bzw. eine späte(re) Trennung befürworten.
Selbst nachdem die Befragten darüber aufgeklärt wurden, dass bei einer frühen Trennung noch kein ausgeprägter Trennungsschmerz zu beobachten ist und dass der Stress umso größer ist, je später die Trennung erfolgt, änderten die meisten Befragten ihre Meinungen nicht. Aufgrund der öffentlichen Ablehnung der gängigen Praxis empfehlen die Wissenschaftler, sich Gedanken um neue Verfahren zu machen, die zu einer nachhaltigen gesellschaftlichen Akzeptanz der Milchkuhhaltung führen.
Wohin mit den vielen Kälbern?
Eine Lösung könnte eine Kombination einer deutlichen Verlängerung der Laktation (weniger Abkalbungen) und einer muttergebundenen oder Ammen-Aufzucht darstellen. Je weniger Kälber geboren werden, desto einfacher wird die Implementierung eines solchen Aufzuchtsystems. Auch wenn Sie diese „Vision“ als ziemlich absurd erachten, so ist doch nicht zu leugnen, dass Milchproduzenten, die auf reine Milchrassen setzen, neue Strategien zur „Verwertung“ ihrer Kälber finden müssen.
Glücklicherweise nimmt die Kälbermast in Deutschland jährlich noch rund 330.000 (Holstein-)Kälber auf. Weitere 630.000 Kälber werden aus Deutschland zur Ausmast in die Niederlande verbracht. Gar nicht auszudenken, wenn dieses Mastverfahren wegen angeblicher Tierwohl-Defizite beim Verbraucher oder beim Gesetzgeber in Ungnade fällt. Dann wären eine Million Kälber in den deutschen Kuhställen „über“.
Unsichere Aussichten bezüglich Export und Fleischkonsum
Wie schnell der Kälbermarkt zu kippen vermag, ist aktuell zu beobachten. Aufgrund der Corona-Pandemie sind die Kälber und Rinderexporte weitgehend zum Erliegen gekommen. Die Kälber von Milchrassen kosten fast nichts mehr. In manchen Regionen „drohen“ Viehhändler schon damit, Holsteinkälber gar nicht mehr einzusammeln. Etwas entspannter können Milcherzeuger in die Zukunft schauen, die auf eine Doppelnutzungsrasse wie Fleckvieh setzen. Die weiblichen Kälber...
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