Digital Farming

Und wo bleiben die Schnittstellen?

Alle reden von digitaler Technik im Stall. Doch bis wir die ganzen Möglichkeiten ausschöpfen können, dauert es wohl noch einige Zeit. Das zeigt unsere Praxisumfrage.

Mit sage und schreibe acht verschiedenen Programmen hat Milchkuhhalter Johannes Wirsching aus Ohrenbach tagtäglich in seinem Stall zu tun: Neben dem zentralen Herdenmanagementprogramm hat er jeweils eine eigene Software für die ­Pedometer der Kühe und für die Brunst­sensoren des Jungviehs, genauso für das Ortungssystem, für mehrere Schieber und schließlich für das Energiemanagement­system. „Zum Glück kommunizieren wenigstens die drei Programme vom gleichen Hersteller untereinander, denn sonst wäre der Zeitaufwand für die Pflege der Daten nicht zu stemmen“, berichtet er.

Johannes Wirsching

Milcherzeuger

Ohrenbach (Bayern)

Katja Keller

Milcherzeugerin

Gutenzell-Hürbel

Karl-Michael Müller

Milcherzeuger

Allmannsweiler

Seiner Berufskollegin Katja Keller geht es ähnlich. Sie muss für das Herdenmanagement ihrer 200 Kühe zwar „nur“ zwischen zwei digitalen Anwendungen hin- und herspringen, hat dafür aber noch „Handarbeit“. Die Anpaarungsempfehlungen ihres Zuchtverbandes liest sie manuell über eine CSV-Datei ein, aber Besamungsscheine müssen für den Zuchtwart ausgedruckt werden. „Wir erfassen mittlerweile so viele Daten im Betrieb, daher wäre eine Oberfläche, in die alles automatisch reinläuft und bei der alle Daten übersichtlich zu sehen sind, wünschenswert“, sagt sie. Auch Johannes Wirsching hat noch Ideen, wie man die di­gitale Technik in seinem Stall besser ver­netzen und damit die Abläufe optimieren könnte. „Mit einer Koppelung könnte man z. B. die Fahrtzeiten der Schieber besser aufeinander abstimmen.“
Selbst wenn eine Schnittstelle vorhanden ist, geht beim Austausch der Daten oft ihre Detailqualität und ihre grafische Anschaulichkeit verloren.
Boris Lehmann von der Tierhaltungsschule Triesdorf

Koppelprogramme nötig

Noch sind diese Wünsche und Ideen der Praktiker aber Zukunftsmusik. Denn es fehlt vielfach an den entsprechenden Schnittstellen zwischen den einzelnen Systemen im Stall, um Daten problemlos zusammenführen und auswerten zu können. „Und selbst wenn eine Schnittstelle vorhanden ist, geht beim Austausch der Daten oft ihre Detailqualität und ihre grafische Anschaulichkeit verloren oder sie lassen sich nicht gut genug miteinander verrechnen“, so Boris Lehmann, Tierhaltungsschule Triesdorf.
Ja, es gab in den letzten Jahren durchaus Fortschritte. So verfügen mittlerweile die Melktechnik-unabhängigen Herdenmanagement-Programme – wie etwa Herde, Uniform Agri oder DairyComp – über eine Vielzahl an Schnittstellen, etwa zu ­HI-Tier, zu den Landeskontrollverbänden (LKV), zu Sensorsystemen oder Rations­planern. Sie profitieren davon, dass die großen Melktechnik-Hersteller bisher ihre Schnittstellen aus Datenschutz- und Wettbewerbsgründen nicht direkt an andere Anbieter von digitalen Systemen herausgegeben haben. Denn rein technisch ist das laut Experten in den meisten Fällen kein Problem.

Die Melktechnik-unabhängigen Herdenmanagement-Programme bieten vielfach umfassende Funktionen für den Alltag im Betrieb und schaffen zusätzlich Schnittstellen zu den LKVs, HIT etc. (Bildquelle: Landwirtschaftsverlag GmbH)

Nur Koppelprogramme oder mehr?

Das Wort „Koppel-Programm“, das lediglich Schnittstellen zwischen digitalen Techniken im Stall schafft, hören die unabhängigen Herdenmanagement-Programme wie Uniform Agri oder Herde nicht gern. Und in der Tat bieten sie für das tägliche Management im Betrieb und für die Arbeitsroutinen in der Herde, wie z.B. im Bereich Fruchtbarkeit, weit mehr als einen breiten Datenaustausch. Die Softwarehäuser heben vor allem die vielfältigen Erfassungs- und Auswertungsmöglichkeiten ihrer Programme als Vorteil hervor.
„In unserem Programm laufen alle erfassten Daten anderer Systeme zusammen und werden für Analysen aufbereitet“, sagt Verena Lay von Uniform Agri. Dank der weit über 100 Schnittstellen, u.a. zu sämtlichen Melktechniksystemen, Aktivitäts- und Gesundheitssensoren sowie Kraftfutterstationen und länderspezifischen Meldeprogramme, wie z.B. HI-Tier und LKV, ist der Datenpool sehr umfassend. Ein ähnliches Bild bei Herde von dsp agrosoft. Auch hier kommen ständig neue Schnittstellen hinzu.
Etliche Milcherzeuger schafften sich gerade wegen fehlender Schnittstellen bei ihrer vorhandenen Melktechnik-Software zusätzlich ein solches „Koppel“-Programm an. Karl-Michael Müller aus Allmannsweiler ist dazu nicht bereit: „Ich investiere nicht in ein zusätzliches Programm, das nur dazu dient, dass die vorhandenen beiden kommunizieren können. Diesen Datenaustausch müssen die Melktechnik-Hersteller und der LKV hinbekommen“, sagt er.

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