Welches Sensorsystem zur Brunsterkennung und Gesundheitsüberwachung ist das richtige für den Betrieb? Eine Entscheidungshilfe und Meinungen von Praktikern.
Sie sollen die Arbeit im Stall erleichtern und verbessern: Sensorsysteme, die verschiedene Parameter an der Kuh erfassen und daraus konkrete Informationen zu Brunst, Krankheiten oder zur Kalbung liefern. Die Vielzahl der möglichen Funktionen und der Fabrikate ist groß und steigt weiter an. Da stellt sich die Frage: Welches System ist für Ihre Zwecke und für Ihre Herde am besten geeignet?
Vor der Kaufentscheidung sollten Sie sich fragen, welche konkreten Ziele Sie mit dem System verfolgen (siehe Übersicht). In welchem Bereich wünschen Sie sich eine Arbeitserleichterung? Eine Unterstützung kann z.B. bei der zeitaufwendigen Brunst- und Gesundheitsüberwachung sowie bei der Feststellung von stillbrünstigen oder auffälligen Kühen erfolgen. Auch Krankheiten, wie z.B. Milchfieber, Lahmheiten oder Mastitis, können mittels Sensorik frühzeitig erfasst und behandelt werden.
Johanna Ahmann
CattleHub, Universität Bonn
Maria Trilling
CattleHub, Haus Düsse
Entscheidungshilfe für Sensorsysteme
Was soll das Sensorsystem können?
In eigenen Untersuchungen zeigte sich, dass die Arbeitserleichterung insbesondere bei der Brunsterkennung von der bisher dafür eingesetzten Arbeitszeit abhängt. Die befragten Pilotbetriebe konnten ihren Aufwand für die Brunstbeobachtung durch das Assistenzsystem auf 50 bis 25% der vorher benötigten Zeit reduzieren.
Wie rechnen sich die digitalen Helfer?
Eine Kernfrage bei der Entscheidung für ein Sensorsystem ist der Investitionsbedarf. Er hängt ab vom Hersteller, der Ausstattung, dem Installationsaufwand und den betrieblichen Gegebenheiten. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen geht bei einem Anschaffungspreis von 18.000 € für 100 Sensoren von jährlichen Kosten in Höhe von gut 39 €/Kuh aus (Abschreibung auf 8 Jahre, Zinsen, Unterhalt). Mit der Anzahl der angeschafften Sensoren greift eine Degression der Kosten.
Praktiker berichten z. B. beim Einsatz von Brunstsensoren von einer sehr hohen Trefferquote von in der Regel über 90 % und damit verbunden von einer deutlichen Zeitersparnis. Nach Untersuchungen der LfL Bayern rechnen sich Brunstsensoren in Abhängigkeit von der Qualität des bisherigen Fruchtbarkeitsmanagements für die Mehrheit der Betriebe sowohl bei einer Milchleistung von 7.000 kg als auch bei 9.000 kg. Die Gründe dafür sind bessere Brunsterkennungsraten, die Zeitersparnis bei der Tierbeobachtung, geringere Remontierungskosten, kürzere Zwischenkalbezeiten und mehr Kalbungen im Jahr. Beim Jungvieh tragen die Sensoren zur Senkung des EKAs bei. -os-, -sl-
Im zweiten Schritt ist zu klären, welche Informationen bzw. welche Alarmmeldungen Sie vom System erwarten und welche Parameter die Sensoren dafür konkret erheben müssen. Erfasst werden können etwa die Aktivität und Inaktivität, das Wiederkäuen, die Pansenfunktion oder die Temperatur der Kühe.
Die meisten Systeme bieten die Möglichkeit, mehrere Parameter zu erfassen. Beispielsweise ermöglichen Pansenboli eine Temperaturmessung, woraus die Wasseraufnahme der Kühe abgeleitet wird. Damit verbessert sich die Gesundheitsüberwachung der Herde. In Betrieben mit Fremdarbeitskräften kann die Ortung von Interesse sein, da die gesuchte Kuh direkt angesteuert werden kann, ohne andere zu stören.
Welche Varianten gibt es?
Die Sensoren können entweder am Halsband für die Tiererkennung, am Fußband oder als Ohrmarke angebracht sein. Das Anlegen der Hals- und Fußbänder ist einfacher als das Einziehen von Ohrmarken. Pansenboli gelangen mithilfe eines Boluseingebers in den Netzmagen. Ein geübter Umgang damit ist von Vorteil. Die individuellen Betriebsverhältnisse und die Erfahrungen des Herdenbetreuers entscheiden letztlich darüber, welche Variante die richtige ist. Wer bereits mit Halsbändern zur Tiererkennung arbeitet, kann daran problemlos weitere Sensoren anbringen oder defekte Transponder austauschen.
Praktikerstimme: „Ist der Service auch in Zukunft gewährleistet?“
„Wir nutzen in unserem Bestand mit rund 600 Holsteinkühen seit Herbst 2021 Sender an den Ohrmarken (Sensehub). Sie erfassen die Brunst- und Wiederkauaktivität der Tiere und sind zur Ortung der Tiere im Stall zusätzlich mit einer Leucht-LED ausgestattet. Bei den Jungrindern setzen wir die gleichen Sensoren an den Halsbändern, allerdings ohne Ortungsfunktion, ein.
Zu unseren Kaufkriterien gehörten eine hohe Trefferquote sowie eine klare und frühzeitige Anzeige brünstiger und anderweitig auffälliger Tiere. Bei der Entscheidung für das Fabrikat war zudem ausschlaggebend, dass wir damit im Jungrinderbereich schon gute Erfahrungen gemacht haben und davon ausgehen, dass es die Firma auch in ein paar Jahren noch gibt.
Die Blinkfunktion ist für uns nicht überlebenswichtig. Wenn man aber ein Tier suchen muss, ist das schon eine schöne Sache. Im Nachhinein wäre diese Funktion bei den Jungrindern noch nützlicher als bei den Kühen, denn die kennen wir ja alle.
Um das Problem fehlender Schnittstellen kommt man wohl bei allen Systemen nicht herum: So kommuniziert unser Sensorsystem nicht mit dem Herdenmanagementprogramm des Melkkarussells, so dass wir ein zusätzliches Programm für die Ansteuerung der Selektionstore kaufen mussten.“
Gisela Rueben, 600 Kühe, Münstermaifeld
Die Wiederverwendbarkeit der Sensoren kann die laufenden Kosten senken und ist nachhaltiger. Bei manchen Sensoren, wie dem Pansenbolus, steht die Wiederverwendbarkeit mit der Biosicherheit im Konflikt. Die meisten Halsband- und Ohrmarkensensoren können nach der Abnahme mit einer neuen Kuh gekoppelt werden.
Sensoren mit austauschbaren Batterien können nach der Entladung weiter genutzt werden. Allerdings besteht die Gefahr, dass durch Verschmutzung des Batteriefachs der Sensor beschädigt wird. Sensoren, bei denen die Batterie fest verbaut ist, sind gekapselt, sodass keine innere Verschmutzung entsteht. Neben Systemen, die aktiv Tierdaten messen und speichern, gibt es auch passive Systeme, die RFID-Technologie zur Tierüberwachung nutzen. Diese Systeme werden batterielos betrieben, wodurch kein Aufladen notwendig ist und kein Ausfall durch Verschmutzung auftritt.
Die Wiedervernwendbarkeit der Sensoren kann die laufenden Kosten senken und ist nachhaltiger.
(Bildquelle: Ostermann-Palz)
Was passiert konkret mit den Daten?
Vor dem Kauf eines Systems ist es wichtig, sich Gedanken über die Verarbeitung der gesammelten Daten zu machen. Ist eine mobile Anwendung relevant oder sollen die Daten primär am PC eingesehen werden? Soll es jederzeit Meldungen über die Kühe geben? Dies ist beispielsweise durch Push-up Benachrichtigungen möglich. Bei einigen Systemen besteht die Option, Informationen mit dem Tierarzt oder Berater zu teilen. Dies erfordert eine Multiview-Funktion.
Manche Fabrikate können Mitarbeitern Nutzungsrechte zuzuweisen oder kurze Nachrichten zu einer bestimmten Kuh verschicken. Tabellen, Diagramme und spezifische Alarmmeldungen können unterschiedlich grafisch aufbereitet werden. Für die Alarme gibt es Ampelsysteme, die mit unterschiedlichen Farben oder Symbole arbeiten, die für einen spezifischen Alarm stehen. Welche Darstellungsweise die beste ist, muss jeder für sich entscheiden.
Einige Dashboard‑Anwendungen bieten den Vorteil, dass auf der Oberfläche bereits die wichtigsten Informationen, Tabellen und Diagramme schnell greifbar sind. Individuelle Anpassungen helfen bei einem raschen und sicheren Umgang.
Praktikerstimme: „Zwei Systeme parallel getestet“
„Neben den 730 Kühen, statten wir die Färsen ca. zwei Wochen vor der Kalbung mit Sensoren am Ohr (Cowmanager) aus. So können wir uns in dieser kritischen Phase auch schon ein besseres Bild von den jungen Kühen machen.“ Im Einsatz sind die Sensoren auf dem Landgut Nemt seit etwas mehr als zwei Jahren.
„Bei der Auswahl des passenden Systems stand für uns die Gesundheitsüberwachung an erster Stelle.“ Nach Ansicht des Herdenmanagers gibt es bei der Brunstüberwachung keine großen Unterschiede mehr zwischen den Systemen. Doch auffällige Kühe werden unterschiedlich schnell gefunden. „Wir haben über drei Monate hinweg zwei Systeme parallel im Bestand getestet. Bei den erkrankten Kühen haben wir geschaut, wann die beiden Systeme einen Alarm gesendet haben. Und dann verglichen.“
Neben der Trefferquote waren für den Herdenmanager die vorhandene Schnittstelle zum Herdenmanagementprogramm sowie die Benutzeroberfläche wichtige Entscheidungskriterien. Am Schluss hat er sich natürlich auch das Preis-Leistungsverhältnis angeschaut. „Es ging nicht darum das günstigste System zu kaufen, sondern das, bei dem Preis und Vorteile der jeweiligen Systeme zusammenpassen.“
Trotz der Herdengröße hat sich der Herdenmanager jedoch gegen die Ortung entschieden. „Wir haben eine gut funktionierende Selektion und melken dreimal am Tag. Damit können wir Kühe sehr zeitnah aus der Herde sortieren. Eine Ortung war deshalb nicht notwendig.“ Sebastian Grimm, 730 Kühe, Wurzen
System vorher testen
Je weniger Klicks notwendig sind, desto einfacher ist der Gebrauch. Das System und die generierten Alarme müssen zuverlässig sein. Beziehen Sie Erfahrungen von Kollegen ein.
Neben der Handhabung ist auch der Herstellersupport wichtig. Demoversionen ermöglichen einen ersten Einblick und Vergleich der Anwendungen, außerdem bieten Schulungen einen umfassenden Überblick über das System. Hersteller geben auch Werte für die Trefferquote ihrer Technik an, allerdings ist jeder Betrieb anders strukturiert. Dies wirkt sich auf die Genauigkeit der Alarme aus, sodass die Vergleichbarkeit eingeschränkt sein kann.
Automatische Abkalbesensoren senden eine Meldung auf das Smartphone, wenn die Kuh kalbt. Wie praxistauglich sind diese Sensoren?
Wird ein Herdenmanagementprogramm verwendet, ist es sinnvoll, die Sensordaten dort einzubinden. Dies erfordert eine Schnittstelle zwischen den Systemen. Ob diese vorhanden ist oder geschaffen werden kann, sollte vorab bei beiden Herstellern angefragt werden. Es gibt bereits einige Anbieter von Programmen, die Schnittstellen zu Sensorsystemen ermöglichen. Dies erleichtert die Datenübertragung und erspart manuelle Eingaben. Wichtig ist auch der Bezug zu bereits erhobenen Daten. Welche können in das neue Sensorsystem integriert werden? Können Daten aus der Aktivitätsmessung und der Milchmengenerfassung beispielsweise in einem Programm zusammengeführt werden?
Es ist sinnvoll das System und die Handhabung im vorfeld zu testen.
(Bildquelle: Berkemeier)
Nötige Infrastruktur
Herausforderungen bei der Auswahl entstehen auch durch die benötigte Infrastruktur. So ist eine Netzanbindung vielfach Grundvoraussetzung. In ländlichen Gebieten können diese Anforderungen nicht immer erfüllt werden. Landwirte kämpfen häufig mit Funklöchern und fehlender Internetanbindung und auch bei der Funkvernetzung kann es zu Problemen kommen. Nicht alle Kanäle sind gleichzeitig in demselben Bereich nutzbar, da sie sich überlappen. Zudem erschweren Störfaktoren wie Stahl- oder Betonwände die Funkvernetzung. Bei Weidegang sind unter Umständen Antennen nötig.
Auch die Art der Installation kann zwischen den Anbietern stark variieren. Bei einigen Systemen ist die Installation nahezu selbstständig durchzuführen, andere müssen exakt in den Stall eingemessen werden. Davon hängt auch ab, wie wichtig Ihnen der Servicetechniker sein sollte.
In Raten zahlen?
Auch bei den Bezahlungsmodalitäten gibt es Unterschiede: Die klassische Einmalzahlung wird bei einigen Herstellern durch monatliche Zahlungen ersetzt. Einige bieten die Zahlung pro Anzahl an Sensoren an, bei anderen erfolgt sie abhängig von der Tierzahl.
Das Projekt CattleHub
Das Projekt „CattleHub“ wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert. Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen der Förderung der Digitalisierung in der Landwirtschaft.
Mithilfe von Sensoren lässt sich die täglich die Steh- und Liegedauer der Kühe überprüfen. Abweichungen vom Mittelwert deuten auf vermehrten Hitzestress hin.