Molkereien sind die Treiber beim Thema Klimaschutz im Milchkuhbetrieb.
Die Programme unterscheiden sich bei den Anreizen, den eingesetzten Klimarechnern und bei den gesteckten Zielen.
Der Einsatz vieler verschiedener Klimarechner macht eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse unmöglich.
Mit einem Mehrerlös über den Markt rechnet kaum einer.
„Klimaschutz wird künftig viel wichtiger sein als Tierwohl“, mit dieser Meinung ist Andreas Schneider,...
Molkereien sind die Treiber beim Thema Klimaschutz im Milchkuhbetrieb.
Die Programme unterscheiden sich bei den Anreizen, den eingesetzten Klimarechnern und bei den gesteckten Zielen.
Der Einsatz vieler verschiedener Klimarechner macht eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse unmöglich.
Mit einem Mehrerlös über den Markt rechnet kaum einer.
„Klimaschutz wird künftig viel wichtiger sein als Tierwohl“, mit dieser Meinung ist Andreas Schneider, Geschäftsführer der Schwarzwaldmilch, in der Milchbranche nicht allein. Denn es gibt aktuell kaum eine Molkerei, die sich nicht mit dem CO2-Fußabdruck des Unternehmens beschäftigt. Treiber des Themas sind diesmal nicht der LEH, sondern die Handelspartner der Molkereien, wie z. B. Nestlé oder Unilever.
Die Geschwindigkeit, mit der die Milchverarbeiter das Thema auf der Erzeugerebene anpacken, ist allerdings sehr unterschiedlich. Während große Konzerne, wie z. B. Arla oder FrieslandCampina, bereits seit ein paar Jahren für alle Milchlieferanten ein Klimaschutz-Programm fahren, erheben andere, wie etwa das DMK, Ammerland oder Gropper, aktuell systematisch einzelbetriebliche Klimabilanzen. Omira (Lactalis) startet gerade ein Projekt mit 700 Betrieben und die Schwarzwaldmilch will wie etliche andere erst mal die eigenen Emissionen in der Verarbeitung und Logistik neutral stellen, bevor die Urproduktion dran ist.
Was läuft wo?
Den Überblick darüber zu behalten, was wo läuft, ist schwierig. Denn jede Molkerei hat sich andere Reduktionsziele gesteckt, nutzt einen anderen Klimabilanz-Rechner und setzt das Vorhaben anders um (siehe Übersicht). Bei den allermeisten Programmen ist die Teilnahme für die Erzeuger (noch) freiwillig. FrieslandCampina (FC) macht seine „Klima-CO2-Bilanz“ schon ab 23 für alle verpflichtend. Wie Arla setzt die niederländische Genossenschaft finanzielle Anreize. Der linear gestaffelte Zuschlag wird jährlich an niedrigere Emissionsgrenzwerte gekoppelt. 2023 gibt es für eine bessere CO2-Bilanz maximal bis zu 1,45 ct pro kg Anlieferungsmilch auf Jahresbasis. Bei Arla erhalten die Lieferanten ab Sommer 23 abhängig von der erreichten Punktzahl im neuen, anspruchsvolleren „Klimacheck“ bis zu 3 ct.
Einzelne Unternehmen belohnen lediglich die jährliche Erhebung der betriebseigenen Klimabilanz. So ist z. B. für die Lieferanten der Privatmolkerei Bauer die Zahlung des Preiszuschlags für QM+ in Höhe von 1 ct/kg an die einmal jährliche Durchführung des Klima-Checks der LfL gebunden. Die Privatmolkerei Bechtel koppelt beim Programm „Ein gutes Stück Bayern“ die Höhe des Zuschlags für Haltungsform 3 und 4 an die Höhe des einzelbetrieblichen CO2-Fußabdrucks.
Was wurde bisher erreicht?
Für erste Erfolge der Programme ist die Datengrundlage noch dünn. Arla verbucht bei seinen 1.300 deutschen Betrieben, die mitmachen, nach eigenen Angaben erste Etappenziele. „Im Schnitt hat sich ihr CO2-Fußabdruck seit 2020 um 1,5 % reduziert. Bei einzelnen sogar um bis zu 6 %“, sagt Sprecher Markus Teubner. Unabhängig auditiert wurden sie aber noch nicht. Der Konsument bekommt von diesem Engagement der Molkereien bisher kaum etwas mit. Denn die Wenigsten flaggen ihre Produkte damit aus. Die Zweifel, ob sich damit Mehrwerte generieren lassen, sind groß. „Die Erreichung bestimmter Klimaziele in der Produktionskette ist mittlerweile als grundlegende Voraussetzung in Lieferverträgen verankert“, erläutert Nora Lahmann, zuständig für Nachhaltigkeit bei der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen. Solange es keine ausreichend abgesicherten Ergebnisse gebe, zum Beispiel von Milcherzeugern auf Moorstandorten, könne eine solche Werbung schnell zum Bumerang werden.
Beim Klimaschutz geht es nicht um Marktvorteile.
Oliver Bartelt, DMK
Die Herausforderungen
Auch das DMK sieht das Thema Mehrerlöse über den Markt kritisch: „Hier geht es nicht um Kosten, Marktvorteile oder Zusatzerlösmöglichkeiten, sondern darum, einen maßgeblichen Beitrag zur Emissionsreduktion und damit zur Zukunftsfähigkeit der Branche zu leisten“, ist DMK-Pressesprecher Oliver Bartelt überzeugt.
Damit ist auch klar, dass finanziellen Anreize für die Landwirte allenfalls gezahlt werden, bis alle im Boot sind. Ohnehin ist es durch die sehr unterschiedlichen Voraussetzungen auf den Höfen auch schwer, einen für alle „gerechten“ Klimacent zu bemessen. „Höfe mit Moorflächen können einen deutlich höheren CO2-Fußabdruck haben als andere. Ihr Aufwand, diesen zu reduzieren, ist daher ungleich größer“, sagt Lahmann. Aus diesem Grund dürfe es keine festen Zielmarken für alle geben, sondern vielmehr einheitliche Maßnahmen zur Verbesserung des CO2-Fußabdrucks. Im Schnitt sei ohne größere Investitionen eine Reduktion der Emissionen um 10 % möglich.
Durch die sehr verschiedenen Voraussetzungen auf den Höfen ist es schwer, einen gerechten Klimacent zu bemessen.
Nora Lahmann, Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen
Doch wie soll der enorme Aufwand und die Kosten bei den Molkereien und auf den Höfen gestemmt werden? Viele emissionsmindernde Maßnahmen bringen bis zu einem gewissen Punkt Einspareffekte, größere Investitionen dürften ohne staatliche Fördermaßnahmen aber ausbleiben. Eine ebenso große Herausforderung ist es, die Ergebnisse der Klimarechner vergleichbar zu machen: „Mit den verschiedenen Tools erhält ein und derselbe Milcherzeuger ganz unterschiedliche Ergebnisse. Hier brauchen wir eine Vereinheitlichung“, fordert Nora Lahmann.
Für den Erfolg der sehr aufwendigen Projekte ist unverzichtbar, alle Betriebsleiter mitzunehmen. Dass dafür finanzielle Anreize wohl nicht genügen, zeigt z. B. der aktuelle Unmut bei Arla-Lieferanten, von denen sich offenbar einige vom neuen Programm überfordert fühlen.
Klimarechner für die Praxis
Diese beiden Klimarechner haben bisher eine gewisse Bedeutung:
Agrarklimacheck: Dieser Online-Rechner wird seit 2022 von den niedersächsischen Molkereien verwendet und basiert auf national und international anerkannten Standards (TEKla-Tool, BEK-Standard). Er besteht aus 17 Multiple-Choice-Fragen und gibt erste Hinweise auf CO2-Einsparpotenziale im Betrieb.
IDB.THG-Rechner: Dieser Rechner wurde von der LfL Bayern mit dem Molkereiverband milch.bayern an die Besonderheiten bayerischer Betriebe, wie z. B. die Doppelnutzungsrasse Fleckvieh, angepasst. Er ist umfassender und bezieht die Ökonomie und Gemeinwohl-Leistungen ein.
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